Marc Strucken
· 15.05.2023
Wer Fahrrad fährt, statt in ein Auto zu steigen, tut schon etwas für die Umwelt. Aber viele Dinge rund um das Bike sind immer noch nicht nachhaltig und umweltfreundlich. Was kann also jeder tun, damit Fahrradfahren noch besser für die Umwelt wird? Wir haben in unserem Nachhaltigkeits-Special einige Antworten gesammelt. Das beginnt beim abbaubaren Kettenöl und hört noch nicht beim Reifenrecycling oder dem Kauf eines gebrauchten MTBs auf.
Die beiden Bilder oben sind praktisch zwei Seiten einer Medaille. Auf der einen Seite: Kaputte E-Bike Akkus landen im Shredder, giftige Stoffe müssen behandelt werden, wertvolle Rohstoffe mühsam eingesammelt und wiederverwertet werden. Auf der anderen: unbeschwertes Bike in der Natur, der Spaß an einem neuen MTB, funktionierenden Komponenten. Aber beides hängt unmittelbar zusammen. Wir brauchen also Nachhaltigkeit, damit der Ressourcenverbrauch, die Umweltbelastungen nicht die Lebenssituation von Milliarden Menschen in Gefahr bringt.
In den vergangenen Jahren haben immer mehr Akteure der Bike-Branche eine neue Richtung eingeschlagen - ebenso viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Nachfrage nach umweltfreundlichen, vielleicht sogar ökologischen, Produkten steigt auch im Bike-Bizz. Aber nicht nur die Produktion neuer Teile, Schmierstoffe, Kleidung ist Teil einer nachhaltigeren Wirtschaft, sondern auch die Verwertung bestehender. Wer einen MTB-Schuh reparieren lässt, wer sein Bike gut pflegt, wo gebrauchte E-MTBs weiterverkauft werden, da wird aktiv der Lebenszyklus aktiv verlängert und so Nachhaltigkeit unterstützt.
In unserem Nachhaltigkeits-Special wollen wir Ihnen acht Möglichkeiten von hunderten zeigen, wie die Bike-Branche noch ein bisschen umweltfreundlicher wird, wie Rohstoffe eingespart werden können und so Fahrradfahren noch besser für die Umwelt wird.
Gerade bei elektronischen Geräten ist der Produktlebenszyklus in den letzten Jahrzehnten stark geschrumpft. Was 1990 noch High-end war, war auch 1995 noch ziemlich gut. Was 2020 im Laden verzückte, gab es Ende 2021 praktisch schon auf der Ramschtheke... Das gilt vielfach auch für E-Bikes. Umso besser, wenn auch ältere E-MTBs vom Hersteller ein Update bekommen können. Ein Beispiel ist hier Giant, die Anfang dieses Jahres den Riesenakku Energy Pak Smart 800 vorgestellt haben, der aber in viele ältere E-Bikes ab Modelljahr 2019 passt. Das Herzstück des E-MTBs ist mit gut 1000 Euro nicht nur viel günstiger als ein komplett neues, sondern verlängert so auch das Lebenszyklus eines E-Bikes.
Bevor allerdings ein neuer Akku ins E-Bike muss, kann jede und jeder selbst dazu beitragen, dass das teure Kraftpaket länger seinen Dienst an der Kurbel tut. Dabei geht es um so einfache Dinge wie das Laden, die Lagerung und Fehlerdiagnose. Wir haben 9 Antworten auf die drängendsten Fragen rund um den E-Bike-Akku zusammengefasst. Denn eine Batterie, die über Jahre in Betrieb bleibt, ist nachhaltiger als eine neue.
Damit alles schön rund läuft am Bike, müssen wir schmieren, fetten und ölen. Wer gewissenhaft sein MTB pflegt, weiß: Komponenten funktionieren länger, sie verschleißen weniger und Biken macht mehr Spaß. In puncto Nachhaltigkeit punktet man gleich doppelt, wenn umweltfreundliche Schmiermittel zum Einsatz kommen. Diese belasten die Umwelt weniger, und die Bike-Teile bekommen die richtige Pflege. Wir haben 14 Fahrrad-Kettenöle getestet auf ihre Funktion und den Umweltaspekt hin. So viel sei verraten: die Kette braucht nie wieder einen Tropfen Erdöl sehen!
Ähnlich wie bei den Kettenölen gibt es auch bei den Fahrradreinigern einige Unterschiede mit Blick auf die Reinigungsleistung - und die Umweltbelastung, also deren Nachhaltigkeit. Auf einigen steht “bio” oder “umweltfreundlich”, aber ist das schon genug? Und wie gut lösen sie Öl und Dreck? Wir haben 13 vorgeblich umweltfreundliche Reiniger fürs Bike untersucht. Dabei ging es auch um die Verwendung von Recyclingmaterial etwa bei der Flasche oder Nachfülloptionen.
Bei Bekleidung ging es schon sehr früh um Nachhaltigkeit: nicht nur der Umwelt zuliebe sollte auf giftige Farben verzichtet werden, sondern auch die Arbeitsbedingungen in den Fabriken oder die Lieferketten kamen vor Jahren in den Fokus der Konsumenten. Bei Funktionsbekleidung, wie wir sie zum Biken brauchen, dauerte es etwas länger. Vor allem die wasserabweisende Beschichtung ist immer noch bei vielen mit kritischen Stoffen belastet (Stichwort: PFAS). Der französische Sportartikelproduzent Picture, der schon lange im Wintersport bekannt ist, stellt beispielsweise umweltschonendere Outdoor-Kleidung her. Die neue Kollektion für Bikerinnen und Biker ist aus recyceltem und recycelbarem Material sowie Bio-Wolle. Und weil die Picture-Teile tatsächlich unserer Erfahrung nach auch recht lange halten, ist das ein guter Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.
Eine weitere Herausforderung bei Fahrrädern sind die Verschleißteile, wenn sie denn wirklich verschlissen sind: Ketten, Ritzel und Zahnkranz - insofern aus Stahl - können recht problemlos eingeschmolzen und wiederverwertet werden. Beim Verschleißteil Nummer 1 - den Reifen - suchen die meisten Hersteller noch nach nachhaltigen Wegen, wie die schwarzen Konglomerate aus Kautschuk, Ruß, Stahl und Erdöl recycelt werden könnten. Reifenhersteller Schwalbe hingegen macht einfach und sammelt fleißig alte Mäntel ein - ungeachtet von welchem Hersteller. Knapp 80 Prozent CO2 werden laut Schwalbe durch das Reifen-Recycling gespart, und die Rohstoffe wiederverwertet.
Wenn einmal der Punkt kommt, an dem das eigene Bike nicht mehr zu retten ist, sei es durch Unfall oder Alterserscheinungen, oder einfach ein anderes vonnöten ist, stellt sich die Frage, ob es ein flammneues sein muss?! Gerade in den vergangenen Jahren sind neben den bekannten Kleinanzeigen(portalen) und Flohmärkten auch sogenannte Refurbished-Anbieter entstanden. Sie bieten generalüberholte Fahrräder an und bieten dazu eine Garantie: quasi “gebraucht wie neu”. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist dieser Weg ein Gewinn für Verkäufer, Käufer und Umwelt. Wir beleuchten in unserer Recherche die Vorzüge und Nachteile beim Kauf von gebrauchten Fahrrädern. Fakt ist: Ein fast neues Gebrauchtes verbraucht keine neuen Rohstoffe - hat aber alles, was auch ein neues Bike hätte.
Nicht zuletzt bestellen wir alle gern und immer mehr im Internet. Auch ergonomisch angepasste Dinge wie Bike-Schuhe, Fahrrad-Kleidung oder Sättel. Wo man früher im Laden schon merkte: “Oh, Größe M ist doch sehr knapp!”, schickt man es heute flugs zurück - und verursacht damit zumindest CO2 beim Transport und unnötigen Verpackungsmüll, oft aber werden sogar die Waren nach der Retoure schlicht neu entsorgt. In einer großen Studie hat die Uni Bamberg untersucht, welche Auswirkungen Paketrücksendungen haben. Allein 2021 gab es in Deutschland 530 Millionen Retourensendungen mit etwa 1,3 Milliarden Artikeln. Das hat einen ziemlichen Einfluss auf die Nachhaltigkeit einer Wirtschaft.