Stefan Frey
· 21.04.2023
In diesem Artikel verwenden wir sogenannte Affiliate Links. Bei jedem Einkauf über diese Links erhalten wir eine Provision vom Händler. Alle vermittlungsrelevanten Links sind mit * gekennzeichnet. Mehr erfahren.
Umweltfreundliche Fahrrad-Kettenöle können der giftigen Konkurrenz aus Mineralöl längst das Wasser reichen. Doch nicht in jedem Ölfläschchen auf dem Bio steht, ist auch Pflanzenöl drin. Im Test: 14 als ökologisch angepriesene Schmierstoffe.
Fehlerkorrektur: Bei der Bewertung der Schmiermittel in unserer Print-Ausgabe BIKE 5/23 sind uns zwei Fehler unterlaufen. An der finalen Note ändert sich zwar nichts, dennoch möchten wir im Folgenden die falschen Daten berichtigen.
Am BIKE-Urteil “sehr gut” und an der Punktzahl 46 ändert sich allerdings nicht. Das Bio-Kettenöl von Danico ist, wie im Test erwähnt, ein sehr gutes Bio-Schmiermittel mit guter Schmierfähigkeit und besonders hohem Korrosionsschutz. Auch in der Handhabung konnte der Ketten Kaiser mit guter Dosierbarkeit und handlicher Flasche überzeugen.
Ein Tropfen Erdöl kann 600 bis 1000 Liter Wasser verunreinigen. Wir Biker sollten daher umdenken und umweltfreundliche Schmierstoffe für die Fahrradkette verwenden.
Wenn sich die Motorsäge durchs Unterholz frisst, wird ihre Kette dabei fast immer von umweltfreundlichem Öl geschmiert. Schon 2003 lag der Anteil biologischer Kettensägenöle im Markt bei über 80 Prozent. Wenn Biker durch den Wald fräsen, läuft ihre Kette zwar meist geschmeidiger und leiser, aber viel zu selten auf einem Schmierfilm aus biologischem Öl. Das Angebot an Öko-Fahrradkettenölen wächst zwar, doch nur langsam. Wir haben 14 als “Bio” ausgelobte Schmierstoffe getestet.
(Per Klick geht’s zur Einzelbewertung)
Der Begriff Bio ist dabei dehnbar wie Kaugummi und nicht in jedem Öl steckt ausreichend davon. Als biologisch leicht abbaubar – und das ist die Grundvoraussetzung, die ein modernes Bio-Schmiermittel erfüllen muss – gelten Produkte, die spätestens nach 28 Tagen zu mindestens 60 Prozent abgebaut sind. Die Prüfnorm OECD 301 ist dabei auch wesentliche Grundlage für die Vergabe
anerkannter Umweltzeichen wie das EU-Ecolabel oder der Blaue Engel. Nicht alle Produkte im Test entsprechen diesen Anforderungen. Das Bio-Kettenöl von Wash ’n’ Roll etwa besteht zu großem Teil aus Weißöl, ein Produkt aus Erdöl, das Pedro’s Go! ebenfalls. Beide sind nicht leicht biologisch abbaubar und nach aktueller
Ansicht auch nicht klimafreundlich. Darum haben wir beschlossen, dass sie ohne eine Endwertung im Test mitlaufen.
Ein Spezialfall ist das Öl von Motorex. Es trägt zwar das OECD-301-Siegel, basiert jedoch auf PAO und Mineralöl, wie der Hersteller auf Nachfrage mitteilt. Polyalfaolefine (PAO) werden zwar als biologisch abbaubar ausgelobt, doch im Grunde bestehen auch sie aus Erdöl. Ihre maximale biologische Abbaubarkeit liegt bei nur 30 Prozent. Der Rest verbleibt jahrelang in der Erde.
Die übrigen Kandidaten im Schmiermittel-Test setzen nicht nur auf umweltfreundliche Rohstoffe bei der Zusammensetzung, sondern verwenden zum Teil auch Recycling-Materialien für Tropffläschchen und Etiketten – ein großer Schritt in die richtige Richtung. Das wichtigste Argument für Biker aber, in Zukunft auf Bio-Schmierstoffe zu setzen, sind die Ergebnisse aus unserem aufwändigen Test: Die besten Bio-Produkte schmieren nämlich mindestens so gut wie die Gewinner aus unserem letzten Vergleich 2020 – und, kleiner Seitenhieb auf die Forst-Fraktion, auch deutlich besser als Kettensägenöl.
>> Mehr zum Thema Nachhaltigkeit beim Biken lesen Sie in unserem Special: Wie wird Fahrradfahren noch besser für die Umwelt? <<
Der Begriff Bio ist nicht geschützt. Nur, weil ein Produkt als umweltfreundlich angepriesen wird, ist es noch lange nicht unbedenklich.
Ein Schmierstoff ist für die Umwelt weniger gefährlich, wenn er sich bei Kontamination des Erdreichs in kurzer Zeit biologisch abbaut. Dafür muss der Schmierstoff durch Oxidation mit Sauerstoff unter Mithilfe von Wasser und Bakterien zu CO2, Wasser und
Biomasse umgewandelt werden. Gemäß OECD 301 (A-F) muss der Schmierstoff innerhalb von 28 Tagen zu mindestens 60 Prozent abgebaut sein, um als leicht biologisch abbaubar zu gelten.
Bei den Grundölen unterscheidet man Mineralöle, synthetische Öle und Pflanzenöle. Wobei synthetische Öle sowohl auf Mineralölbasis als auch auf Pflanzenbasis erzeugt werden können. Synthetische Öle fossilen Ursprungs sind nach heutigem Stand der Technik NICHT leicht biologisch abbaubar. Mineralöle per se nicht. Trotzdem werden z. B. Weißöle unter dem Begriff Bio vermarktet. Für weitere Informationen zur Zusammensetzung eines Kettenöls können auch Endkunden das jeweilige Sicherheitsdatenblatt des Herstellers einsehen.
Um das Siegel “Bio” zu verdienen, sollte ein Fahrrd-Kettenöl natürlich nach OECD 301 biologisch leicht abbaubar sein. Zudem sollte es keine Farb- und Duftstoffe enthalten und ungefährlich für die Natur sein. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sollten Verpackung und Label aus einem Rezyklat bestehen, also aus recyceltem Kunststoff. Nachfüllgebinde oder Nachfüllstationen bei Fahrradhändlern tragen ebenso zum Schutz der Umwelt und zur Vermeidung von Plastikmüll bei.
Im Labor von Bremer & Leguil, dem Hersteller von Antidot, haben wir alle Schmierstoffe auf einer Optimol-SRV5-Prüfmaschine testen lassen. Dabei werden Reibwert, Schmierungskoeffizient und Verschleiß in Anlehnung an DIN ermittelt. Eine Kugel oszilliert bei 30 °C unter 300 N Last 60 Minuten lang auf einer Prüfscheibe, auf der der Schmierstoff aufgetragen ist. Bei Abbruch (Schmierfilmriss) wurde der Vorgang wiederholt.
Eine definierte Menge Schmierstoff wird auf die Kante zweier entfetteter, leicht versetzt aufeinanderliegender Glasplatten aufgetragen. Durch Kapillarkraft wandert der Schmierstoff 15 Minuten lang zwischen die Platten. Die benetzten Flächen haben wir auf Papier von 95 g/m² übertragen und die Stücke gewogen.
Im Labor von Bremer & Leguil wurden in Anlehnung an DIN ISO 7120 zylindrische Prüfkörper aus Stahl 24 Stunden lang in einem Gemisch aus 300 ml des zu prüfenden Öls und 30 ml 0,5-prozentiger NaCl-Lösung getaucht. Der entstandene Rost wurde abgewischt und die korrodierten Flächen per Augenschein klassifiziert.
Mehrere Testpersonen haben die praktische Handhabung beim Auftragen der Schmierstoffe bewertet. Die Mittel und Verpackungen unterscheiden sich dabei stark voneinander. Gute Urteile gab es für eine angepasste Viskosität, die die Tropfen stabil auf der Kette auftreffen und kontrolliert einsickern lässt, dünnwandige Flaschen, die gute Dosierbarkeit bei geringem Fingerdruck erlauben oder Tropfverschlüsse mit langer Tülle und kleiner Auslassöffnung, die die Tropfenabgabe fein kontrollierbar machen.
Lesen Sie auch diese Artikel zum Thema Schmierstoffe:
Immer nur die nötige Menge an Schmierstoff auftragen und die Kette nicht “überschmieren”!
BIKE: Sind Bio-Kettenöle völlig unbedenklich für die Umwelt?
Stefan Mitterer: Nein. Die offiziellen Tests zur Abbaubarkeit (z. B. OECD, CEC) sollen keinen Freischein darstellen. In Fällen wie Schlauchplatzern an Maschinen oder Verlustschmierung (Kette, Motorsäge) sind diese in der Umwelt besser abbaubar, sollten dennoch nicht in größerer Menge ins Erdreich oder Wasser gelangen. Sollte dies passieren, werden durchaus Gegenmaßnahmen, wie Ausheben des Erdreichs, durchgeführt. Aktuell werden Überlegungen in der Industrie angestellt, die Tests zur Abbaubarkeit von Schmierstoffen weiter zu verbessern.
Sind Attribute wie “kennzeichnugsfrei” oder “frei von Gefahrstoffen” Merkmale eines Bio-Produkts?
Nein, frei von Gefahrstoffen bedeutet nicht automatisch unbedenklich für die Umwelt. Auch biologisch abbaubar bedeutet nicht gleich unbedenklich für die Umwelt oder
Lebewesen. Kennzeichnungsfrei heißt lediglich, dass toxikologische Untersuchungen einen gewissen Schwellenwert nicht überschritten haben und deshalb kein Gefahrensymbol auf dem Produkt erforderlich ist.
Manche Kettenöle bestehen nachweislich zu einem großen Teil aus Weißöl und werden trotzdem als Bio deklariert.
Da der Begriff Bio in diesem Zusammenhang nicht geschützt ist, sollte geprüft werden, ob die Auslobung “Bio” mit einem entsprechenden Test oder Erfüllung eines offiziellen Standards einhergeht (Prüfung des Etiketts, Datenblattes). Ansonsten kann man lediglich marketing-technische Gründe nicht ausschließen.
Wie ist die biologische Abbaubarkeit der Polyalphaolefine (PAO) einzuschätzen?
Es gibt Schmierstoffe, welche PAO-basiert sind und Abbaubarkeitstests erfüllen. Doch auch hier gilt, dass dies nicht mit „unbedenklich für die Umwelt“ gleichzusetzen ist.
Im Test schneiden viele der Bio-Produkte sehr gut ab. Gibt es auch Nachteile gegenüber mineralischen Ölen?
Je nach Aufbau des Schmierstoffs können sogenannte Bio-Schmiermittel eher zum Verharzen führen und sind in der Industrie oftmals teurer als klassische Mineralöle. Aufgrund des Aufbaus Richtung Umweltverträglichkeit sind die Öle tendenziell anfälliger für Abbaureaktionen. Diese können auch an der Kette ablaufen und dann zum Verharzen führen. Aber, wie in der Frage erwähnt, bieten die Bio-Schmierstoffe oft auch technische Vorteile.
Labor: Vorbildliche Schmierfähigkeit und passabler Korrosionsschutz, angenehme Viskosität, aber geringe Kriechfähigkeit.
Praxis: Fein dosierbar durch sämige Konsistenz. Die handliche, feste Flasche drückt sich etwas schwer. Kappe mit Kindersicherung. Keine Nachfülloption und relativ teuer.
Labor: Mäßiger Verschleißschutz und geringer Korrosionsschutz, bei geringen Kräften solide und anhaltende Schmierleistung.
Praxis: Handliche Flasche mit feiner Tülle, leicht zu drücken und sauber punktuell aufbringbar. Etwas klebrig. Inzwischen mit recycelter Verpackung erhältlich.
Labor: Schmierstoff auf Basis von Sonnenblumenöl. Bei Reibung und Verschleiß im Mittelfeld, überzeugend bei Korrosionsschutz. Hohe Viskosität mit mäßigem Kriechverhalten.
Praxis: Sehr fein aufzutragen und dabei nicht zu klebrig. Verpackung mit geringem Recycle-Anteil, beim Händler nachfüllbar.
Wer hätte gedacht, dass der Saft der Sonnenblume die Kette derart gut schmiert? An meinem Bike kommt jedenfalls kein Kettenöl auf Mineralöl-basis mehr zum Einsatz.
Labor: Durchgehend solider Reibwert und sehr guter Verschleißschutz. Schützt noch gut vor Korrosion, kriecht aber nur mäßig.
Praxis: Mit eine der besten Tropfflaschen im Vergleich, zudem zum großen Teil aus Recycling-Material. Dank mittlerer Viskosität auch ohne Tropfen leicht und sauber aufzutragen.
Labor: Bei Schmierfähigkeit nur im hinteren Bereich, auch der Verschleiß ist eher hoch. Dafür schützt das Öl zuverlässig vor Korrosion. Kriecht trotz geringer Viskosität nur mäßig.
Praxis: Tropft schon beim Kippen leicht aus der Flasche, aufgrund der dünnflüssigen Konsistenz weniger sauber dosierbar.
Labor: Der Reibwert ist sehr gut, doch die unruhige Messkurve deutet auf unharmonische Schmier-Performance hin. Mäßiger Verschleißschutz, dafür top Korrosionsschutz.
Praxis: Muss lange geschüttelt werden, damit sich die Graphen-Partikel verteilen. Dünnflüssig und schwer dosierbar. Sehr preiswert.
Labor: Im Schnitt einer der höchsten Reibwerte, dafür mit ruhigem Lauf. Verschleiß und Korrosion sind mäßig. Laut Etikett OECD-301-konform, doch das Grundöl ist umstritten. Daher nicht ganz unbedenklich.
Praxis: Sehr dünnflüssig und trotz dosierbarer Spitze nur schwer sauber aufzutragen. Wenig klebrig.
Labor: Geringer Reibwert, aber etwas unruhiger Kurvenverlauf. Daher auch beim Verschleißschutz kein Top-Wert. Korrosionsschutz auf hohem Niveau.
Praxis: Handliche Flasche, lange Tülle und ausreichend hohe Viskosität, dadurch gut zu dosieren. Mit Duft- und Farbstoffen versetzt – nicht ideal für ein Bio-Produkt.
Labor: Nicht leicht biologisch abbaubar nach OECD 301, daher ohne Wertung. Mäßige Schmierfähigkeit, aber überragend im Kriechverhalten und beim Schutz vor Korrosion.
Praxis: Trotz dünner Konsistenz noch ausreichend dosierbar, handliche Flasche und Tropfverschluss.
Labor: Leicht erhöhte, aber gleichmäßige Reibung sowie exzellenter Verschleißschutz. Wenig kriechfähig aufgrund sehr hoher Viskosität.
Praxis: Flexible und perfekt dosierbare Flasche. Zäh wie Honig, von daher recht lange Einwirkzeit auf der Kette. Beim Händler nachfüllbar.
Labor: Sehr leichter, aber etwas unruhiger Kurvenverlauf. Hoher Schutz vor Verschleiß. Mittlere Viskosität und Kriechfähigkeit.
Praxis: Harte Flasche und etwas große Öffnung, somit nicht optimal dosierbar, trotz guter Konsistenz. Nachfülloption und Recycling-Material bei Tropfflasche und Etikett.
Labor Etwas hoher Reibwert bei leicht unruhigem Lauf. Auch der Verschleiß liegt unter dem Schnitt, ebenso der Korrosionsschutz. Leider noch nicht auf dem Niveau des Standardkettenöls von Tunap.
Praxis Handling und Dosierbarkeit der Flasche sind top, die Materialien recycelt.
Labor: Nicht leicht biologisch abbaubar nach OECD 301, daher ohne Wertung. Beide Testläufe brachen nach etwa einer Minute ab. Das Weißölprodukt konnte die Prüfkörper sehr schnell nicht mehr trennen. Es kriecht nicht sehr gut, bietet schwachen Rostschutz.
Praxis: Harte Flasche, daher schlecht dosierbar.
Labor: Sehr unruhiger Lauf mit großen Ausreißern, daher erhöhter Verschleiß. Guter Reibwert, aber kaum Schutz vor Korrosion. Mäßige Kriechfähigkeit.
Praxis: Das dünnflüssige Öl läuft schnell aus der etwas großen Öffnung und ist schwer dosierbar. Die Flasche an sich liegt gut in der Hand.
*Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Tester wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (60 – 56 P.), sehr gut (55 – 46 P.), gut (45 – 36 P.), befriedigend (35 – 26 P.), mit Schwächen, ungenügend.
Vergleicht man die besten Kandidaten aus dem aktuellen und unserem letzten Test in BIKE 11/20, wird eins klar: Es gibt keinen vernünftigen Grund mehr, beim Schmieren der Kette auf Mineralölprodukte zu setzen.
Im letzten Kettenöltest in BIKE 11/2020 konnte sich Tunap mit dem Kettenöl Ultimate* den Testsieg sichern. Das Schmiermittel überzeugte mit minimal unruhigem Verlauf bei der Schmierfähigkeitskurve und einem hervorragend niedrigem Reibwert von 0,088. Auch der Korrosionsschutz lag auf sehr hohem Niveau. Lediglich bei der Kriechfähigkeit ließ Tunap Punkte liegen. Aufgrund der zähen Konsistenz und des langen Tropfverschlusses war das Tunap-Öl prima dosierbar und sammelte insgesamt 50 Punkte – Endurteil sehr gut.
Unser aktueller Testsieger Antidot schneidet beim Reibungskoeffizienten mit 0,082 sogar noch minimal besser als Tunap ab. Atlantic erzielt mit 0,084 ebenfalls einen hervorragenden Wert, hier fällt jedoch der wichtigere Verschleißschutz deutlich geringer aus. Auffällig ist, dass 7 von 15 Ölen im aktuellen Test beim Reibwert unter 0,1 liegen – was ein ausgezeichnetes Ergebnis ist. Im letzten Test schafften nur zwei Produkte diese Schwelle. Mit guten Urteilen beim Korrosionsschutz und optimaler Handhabung können die Bio-Öle von Antidot und Dr. Wack auf ganzer Linie überzeugen. Muc Off, Rohloff und Toniq füllen ebenfalls hervorragende umweltschonende Schmiermittel in die kleinen Tropffläschchen.