Adrian Kaether
· 21.03.2023
Das Giant Trance X E+ Elite ist das erste Light-E-Bike des des Fahrrad-Giganten. Das Konzept: volle 85 Newtonmeter Motorpower, 400 Wattstunden im fest verbauten Akku und ein optionaler Range-Extender. Das Carbon-Bike mit kurzen Kettenstreben und Mullet-Konfiguration verspricht ein spaßiges Handling, Fox‘ elektronisches Live-Valve-Fahrwerk setzt Akzente bei der Technologie.
Auf kaum etwas ist man bei Giant so stolz, wie auf die Motoren. Die Hardware der Syncdrive-Antriebe kommt zwar vom Entwicklungspartner Yamaha. Software, Anschlüsse, Akkus und Remote stammen aber aus der Feder der Giant-Entwickler und sichern den Bikes einen eigenen Charakter. Schwer vorstellbar also, dass das erste Light-E-MTB aus Taiwan mit einem anderen Antrieb zum Beispiel von Fazua oder TQ an den Start geht.
Und so ist es auch nicht. Mit dem neuen Light E-MTB, das mit vollem Namen Giant Trance X Advanced E+ Elite heißt, bekennt sich Giant auch beim Light E-MTB zur vollen Motorpower und verbaut auch im ersten Light-E-Bike der Marke einen ungedrosselten Syncdrive Pro 2 Antrieb mit bis zu 85 Newtonmetern und Spitzenleistungen um 500 Watt. Befeuert wird der Antrieb von einem fest verbauten Akku mit 400 Wattstunden. Das Topmodell wiegt fahrbereit knapp 20 Kilo und ist damit knapp drei Kilogramm leichter als das normale Topmodell des Trance X Advanced E+ mit entnehmbarem 625er Akku, leider aber auch deutlich teurer.
Die ungebremste Motorleistung auch mit einem kleinen Akku zu abzurufen, darin lag laut Entwicklern die wesentliche Herausforderung bei der Entwicklung des Giant Trance Elite. Der neue 400er Akku setzt daher auf die neuen 22700er Panasonic-Zellen, die seit kurzem auch in Giants 800er-Akku zum Einsatz kommen. Diese Zellen sollen eine besonders gleichmäßige Leistung bringen, auch bei wechselnden Temperaturen und hier deutlich im Vorteil gegenüber älteren Zellen in anderen Akkus sein.
Allerdings: Rotwild bietet mit den 375er Bikes ein ähnliches Konzept von kleinem Akku und voller Motorleistung. Unseres Wissens nach kommen dabei im Akku handelsübliche Zellen zum Einsatz, ohne Einbußen bei der Performance. Hier lässt sich dann auch der Akku unkompliziert entnehmen, beim Giant ist er fest verbaut. Immerhin lässt sich bei Giant die Reichweite per optionalem Range Extender (599,90 Euro) um 50 Prozent verlängern. Damit ist das Trance Elite entweder ein Light-E-MTB mit voller Leistung für die Hausrunde oder etwas schweres Bike lange Touren. Wer viele Höhenmeter machen will, muss mit dem Akku vermutlich trotzdem ziemlich haushalten.
Motorseitig setzt das Trance X Elite auf den bekannten Syncdrive Pro 2 auf Basis von Yamahas PW-X3 mit bis zu 85 Newtonmetern und etwa 500 Watt Spitzenleistung. Dieser Motor glänzt vor allem durch sein besonders kurzen Leerweg und direktes Ansprechverhalten beim Anfahren. Neben den normalen Unterstützungsmodi gibt es auch noch einen Automatik-Modus, der speziell auf das Trance X Elite abgestimmt sein soll.
Mit dem Giant Trance Elite erhält außerdem die zum Motor gehörige App ein Update. Diese ermöglicht jetzt nicht mehr nur die bloße Einstellung des Unterstützungsgrades in Prozent, sondern bietet jetzt auch Möglichkeiten, Ansprechverhalten und Drehmoment für jeden Unterstützungsmodus separat feinzutunen.
Leicht und handlich wie ein Mountainbike ohne Motor, das ist das zentrale Versprechen von Light-E-MTBs, für das man Kompromisse bei der Reichweite in Kauf nimmt. Das Giant Trance X E+ Elite setzt passend dazu mit 448 Millimetern auf die kürzesten Kettenstreben aller Giant/Yamaha-Bikes.
Der Lenkwinkel von eher steilen 66 Grad und der kompakte Radstand von 1245 Millimetern setzen ebenfalls Akzente in Richtung verspieltes Handling. Der Sitzwinkel (76 Grad) und das eher tiefe Tretlager geraten modern, der Reach fällt mit 473 Millimetern in Größe L moderat aus. Per Flip-Chip in der Dämpferwippe lässt sich die Geometrie noch etwas laufruhiger einstellen. Dabei flacht der Lenkwinkel über ein halbes Grad ab, das Tretlager wandert etwas tiefer, Kettenstreben und Radstand verlängern sich minimal.
Wie schon beim normalen Giant Trance X E+ mit voller Akkugröße setzt Giant auch bei vielen Elite-Modellen auf das elektronisches Live-Valve-Fahrwerk von Fox. Das registriert über mehrere Sensoren, in welcher Situation sich das Bike gerade befindet und passt die Dämpfung des Fahrwerks entsprechend an. Prinzipiell befindet sich das Fahrwerk im straffen Modus um unnötiges Wippen zu vermeiden, bei größeren Schlägen wird je nach Setup blitzschnell die Dämpfung geöffnet.
Der Hinterbau selbst ist beim Giant Trance Elite übrigens eine klassische Maestro-Konstruktion, die bei Giant schon lange bewährt ist. Bei den teuersten Modellen kommen neben dem elektronischen Fahrwerk auch elektronische Schaltkomponenten von Sram zum Einsatz. Das Topmodell setzt außerdem auf eine elektronische Messung des Reifenluftdrucks über Luftdrucksensoren von Quarq an beiden Ventilen.
Auffällig neben den vielen Elektronik-Komponenten am Topmodell ist die neue Lenker-Vorbau-Einheit Giant Contact SLR. Diese spart zwar auch rund 80 Gramm oder rund 20 Prozent Gewicht gegenüber einer klassischen Vorbau-Lösung mit Carbon-Lenker. Leichtbau soll aber nur ein Vorteil der neuen Lenker-Vorbaueinheit sein.
Wichtiger: Die Lenker-Vorbaueinheit soll mit 42 Prozent mehr Flex als bei einem klassischen Alu-Lenker und 16 Prozent mehr als bei einem Carbon-Lenker ein deutliches Plus beim Fahrkomfort bringen. Außerdem hat Giant mit einer eigenen Spacer- und Vorbau-Konstruktion den Nachteil klassischer Lenker-Vorbau-Einheiten bei der Flexibilität deutlich begrenzt. So lässt sich der Lenker über spezielle Spacer in der Rotation einstellen. Auch die Vorbaulänge selbst lässt sich über Spacer zwischen 40, 45 und 50 Millimetern wählen ohne das komplette Cockpit ersetzen zu müssen.
Los geht’s mit dem Trance X Advanced E+ Elite 2 für 6799 Euro. Dieses Bike hat schon den Vollcarbonrahmen des Topmodells, ein Fox-Performance-Fahrwerk und Komponenten von Shimano auf SLX-Niveau. Das günstigste Modell, Giant Trance X Advanced E+ Elite 3 mit Alu-Hinterbau wird es im deutschsprachigen Raum leider nicht geben.
Ab dem mittleren Modell Trance X Advanced E+ Elite 1 für 9999 Euro gibt’s Fox‘ elektronisches Live-Valve-Fahrwerk und die neue Contact SLR Lenkervorbaueinheit aus Carbon, außerdem hauseigene aber wertige Carbon-Laufräder. Geschaltet wird mit der elektronischen Sram GX AXS. Das Topmodell kommt für 12999 Euro ebenfalls mit Live-Valve-Fahrwerk und Lenkervorbaueinheit. Besonders sind neben der X01-AXS-Schaltung die speziellen Carbon-Laufräder von Zipp, die mit Felgen ohne Hohlkammer besonders viel Traktion und Komfort bieten sollen. Der Quarq Tirewiz Sensor an den Ventilen überwacht den Luftdruck und schlägt Alarm, wenn was nicht passt.
Wie üblich wird es das Giant Trance X E+ Elite auch in einer Damen-Version der Schwestermarke Liv geben. Meist wird hier neben Parts und Farben auch die Geometrie speziell angepasst. Das Liv Intrigue X Advanced E+ wird es in drei Modellen zwischen 5999 und 9999 Euro geben. Der Einstiegspreis liegt hier also etwas niedriger als beim Giant Trance X Advanced E+, da beim Liv auch das günstigste Modell mit Alu-Hinterbau im deutschsprachigen Raum verfügbar sein wird.
Beim Aufsitzen fällt sofort auf: Auch das neue Trance Elite ist ein typisches Giant. Ungeduldig zuckt der Motor im Turbo-Modus schon bei leichtem Pedaldruck mit den Kurbeln und schießt fast ohne Leerweg in den Anstieg. Die Sitzposition ist klar sportlich angehaucht. Nach dem Einschalten befindet sich der Motor standardmäßig im Automatik-Modus und schiebt das Giant bei kräftigen Pedaltritten mit voller E-Power vorwärts. Das bringt Spaß bergauf, doch in Anbetracht des kleinen Akkus sollte man den in unserem Testbike übrigens recht leisen Antrieb lieber etwas drosseln, wenn mehr als eine kurze Spritztour auf dem Plan steht.
In Puncto Reichhöhe ist beim Trance Elite übrigens aufgrund gleicher Zellen im Akku und des identischen Motors mit minimal mehr als der Hälfte der Reichhöhe klassischer Giants mit 800er Akku zu rechnen. In unserem standardisierten Reichhöhentest mit einem 90 Kilo-Fahrer und ohne Flachstücke dürfte das Elite bei Volldampf ungefähr 850 Höhenmeter erklettern und läge damit ungefähr auf dem Niveau von Vergleichskandidaten wie Rotwilds R.X 375. Das schaffte in unserem standardisierten Test mit voller Leistung zuletzt 813 Höhenmeter, in einem Reichweitenvergleich mit Light-typisch reduzierter Leistung und gleichem Fahrergewicht konnten wir mit dem Rotwild 1285 Höhenmeter erklettern.
Im Klartext: Wer mit dem Giant die 1000 Höhenmeter knacken will muss Akku sparen. Also statt dem kräftigen Automatik-Modus einen der mittlerweile per App in Drehmoment, Unterstützungleistung und Ansprechverhalten frei konfigurierbaren Modi angewählt und weiter geht’s bergauf. Fünf Unterstützungsstufen plus Automatik-Modus bietet das Giant, besonders für ein Light-Bike mit großem Motor eine gute Wahl. So kann man sich drei oder vier Light-U-Stufen zusammenstellen und trotzdem bei Bedarf noch die volle Power anwählen. Allerdings: Nicht nur wegen des Akkus sollte man hier etwas vorsichtig sein. Das hohe Motordrehmoment führt beim Trance Elite wegen kürzerer Kettenstreben leicht zu einem steigenden Vorderrad. Daran können weder die sportliche Sitzposition mit viel Druck auf der Front noch das hoch im Federweg stehende elektronische Live-Valve-Fahrwerk viel ändern.
Und a propos Live-Valve: Fox’ elektronisches Fahrwerk, das in den beiden teureren Elite-Modellen steckt, sorgte bei den Fahrern wie auch schon in vergangenen Tests für geteilte Meinungen. Grundsätzlich befindet sich das Fahrwerk bergauf im geschlossenen Modus, der sich etwa wie der Plattform- oder Klettermodus konventioneller Fahrwerke mit Lockout anfühlt. Das Fahrwerk ist dabei nicht ganz geschlossen, federt aber straff. Nur bei größeren Unebenheiten - einstellbar ist das per App - öffnen die Federelemente augenblicklich die Dämpfung und saugen die Schläge komfortabler Weg. Das funktioniert in der Praxis sehr zuverlässig, das Fahrgefühl ist dennoch straff. Auch wenn man das Live-Valve per App deutlich in Richtung Komfort trimmt.
In der Abfahrt wird dieses straffe Fahrgefühl zum charakterbildenden Merkmal des Trance X E+ Elite. Das Giant fährt sich zwar auch in der steilen der beiden Geometrieeinstellungen nicht so explizit verspielt wie manch anderer Light-Kandidat, dafür aber extrem präzise, spritzig und definiert. Leicht lässt es sich in den Manual oder in die Luft ziehen und willig von Kurve zu Kurve werfen. Da kommt Fahrspaß auf! Der Motor klappert leider etwas aus dem Getriebe, doch Züge und Kette sind bergab gut ruhiggestellt.
Auch der sensible Hinterbau hat uns gut gefallen und gibt dem Elite etwas Fahrsicherheit in rauem Gelände. Speziell beim Anbremsen versteift sich das Maestro-System nicht und holt die maximale Bremstraktion aus dem eigentlich für die Bike-Klasse zu schwach profilierten Rekon am Heck. Das Bike ist aber definitiv mehr Trailbike denn Enduro. Der steile Lenkwinkel und moderate Radstand sind nicht auf Laufruhe getrimmt, die Live-Valve-Gabel mit Fit4 Dämpfung ist uns bergab als eher unsensibel und straff aufgefallen. Zumindest im direkten Vergleich mit der Grip2-Variante, die wir in einem anderen Testbike zum Vergleich gefahren sind. Das ist für ruppige Abfahrten nicht ideal und führte schon in moderatem Gelände zu schmerzenden Unterarmen. Außerhalb von echtem Enduro-Terrain können das definierte und spritzige Fahrgefühl und die geringe Geräuschkulisse aber überzeugen und hinterlassen insgesamt einen sehr hochwertigen Eindruck.
Das Giant Trance X E+ Elite ist der Sportwagen unter den E-MTBs. Satter Motorschub und spritzig-straffes, wenig komfortables Fahrgefühl. Kurvenwillig, sprungfreudig und präzise macht es auf dem Trail richtig Spaß, obwohl das Gewicht im Light-Vergleich nicht gerade begeistert. So handlich war ein Giant-E-MTB noch nie! Die Option auf volle Motor-Power gibt dem Bike eine besondere Note, erfordert allerdings auch ein behutsames Batterie-Management. Könnte man den Akku wechseln, würde das dem Konzept mehr Spielraum geben. Ein Luxus, den mancher Konkurrent mit ähnlich schwerem Antrieb auch ohne Einbußen beim Gewicht liefern kann. Durch das besondere, sportliche Fahrgefühl dennoch ein gelungener Einstand für Giant in der Light-Kategorie.