Adrian Kaether
· 13.05.2022
Was leisten die neuen E-MTB-Motoren von Yamaha, Rocky Mountain und Panasonic? Zusammen mit den E-Bike-Motoren Bosch Smart System, Shimano EP8 und Brose Drive S Mag sowie umfangreicher Messtechnik sind wir zum Praxistest ausgerückt.
Auf dem Papier ist es einfach. Moderne E-Bike-Motoren leisten nominell 250 Watt bei rund 85 Newtonmetern Drehmoment nach Werksangabe. In der Praxis unterscheidet sich die abgegebene Leistung der Motoren aber erheblich. Denn das offizielle Prüfszenario, bei dem 250 Watt Nennleistung eingehalten werden müssen, hat mit der Praxis im Gelände auf dem Bike nur wenig zu tun.
Für den aktuellen EMTB-Motorentest traten die gängigen E-MTB-Antriebe der Platzhirsche Bosch, Shimano und Brose gegen die neuesten Kraftpakete von Rocky Mountain, Panasonic und Yamaha an. Wir packten umfangreiches Messequipment ein und sind zum Test ausgerückt.
Die sechs Testkandidaten mussten in einem ausgeklügelten Fahrtspiel unter exakt vergleichbaren Bedingungen gegeneinander antreten. Dabei offenbarte sich, welcher Motor wie viel Leistung tatsächlich bringt – und wie lange. Mit vergleichbar großen Akkus ermittelten wir außerdem die Reichhöhe, und können Ihnen sagen, für welche Fahrer welcher Motorencharakter am besten passen könnte.
Unser Testprozedere ist ein klar definiertes Belastungsprofil, das verschiedene Situationen einer realen E-MTB-Tour unter vergleichbaren Bedingungen widerspiegelt. Los geht es direkt mit einer Bergwertung: Den steilen Anstieg über 440 Höhenmeter spulen wir mit höchster Unterstützungsstufe und einer Tretleistung von 200 Watt ab. Zwischen 12:39 Minuten und 15:20 Minuten brauchen die Kraftpakete für diesen Bergsprint, der die Leistung der Motoren offenlegt. Die Abfahrt ins Tal erledigen wir mit ausgeschaltetem Motor. Weiter geht es im Touren-Modus bei moderater Fahrerleistung (150 W) und mit mittlerer Motorunterstützung von rund 275 Watt. Nach 535 gemäßigten Höhenmetern und einigen Flachstücken folgt eine lange Abfahrt, auf der sich die Antriebe erholen können. Alle Akkus haben jetzt noch rund 45 Prozent Restkapazität. Nach gemäßigter Anfahrt folgt die zweite Bergwertung über 298 steile Höhenmeter. Damit simulieren wir eine knackige Uphill-Passage, bei der Motor und Fahrer noch mal voll gefordert werden. Also höchste Unterstützung und 200 Watt Fahrer-Input. Welche Leistung können die Antriebe im „angezählten Zustand“ noch bringen? Danach gehtʼs im gemäßigten Modus weiter, bis der Akku leer ist.
Aus Tretleistung, Geschwindigkeit, Gesamtgewicht und Höhengewinn bestimmen wir rechnerisch die Momentanleistung des Motors, jeweils gemittelt für eine Minute. So können wir den Zeitverlauf der Motorleistung unter realen Bedingungen abbilden. Zentrale Rechengröße für die Kletterarbeit ist das Gewicht. Vor der Fahrt haben wir jedes System aus Bike, Fahrer und Ausrüstung auf exakt 121,5 Kilo nivelliert – das entspricht einem Körpergewicht von rund 95 Kilo. Um die Motoren stärker zu beanspruchen, haben wir bewusst mit Zusatzgewichten nachgeholfen.
In den beiden Vollgasanstiegen, in denen wir der Leistung und Belastbarkeit der Antriebe auf den Zahn fühlten, haben wir die höchst mögliche Unterstützungsstufe und eine Tretleistung von 200 W gewählt. In den Zwischenphasen moderate 150 W vom Fahrer und einheitlich rund 275 W Motorleistung. Die passende Einstellung für jeden Antrieb haben wir in einem Pretest über die Feineinstellung mittels App eruiert.
Im Zeitverlauf der Motorleistung agiert der E-Bike-Motor nicht isoliert. Das Batterie-Management des Akkus beeinflusst die Stromabgabe und damit auch das Leistungsverhalten des Motors. Um vergleichbare Bedingungen zu schaffen, haben wir alle Antriebe mit Akku-Größen zwischen 726 und 750 Wattstunden getestet. Bei Bosch, Panasonic und Rocky Mountain stehen in dieser Größe ausschließlich die getesteten Akkus zur Verfügung.
Unser Testverfahren deckt nicht zwingend das Leistungsmaximum aller Antriebe auf, denn das kann an einem anderen Betriebspunkt liegen. In realen Vollgassituationen benötigen E-Mountainbiker bei dem von uns gewählten Fahrer-Input jedoch volle Leistung, was die ermittelten Werte absolut praxisrelevant macht.
Der Bosch Performance CX im neuen Smart System gilt vielen Bikern als Messlatte, wenn es um das erklettern steilster und kniffligster Anstiege geht. Das Schwaben-Aggregat schiebt besonders bei hoher Tretleistung vom Biker kräftig, bleibt dabei sehr sensibel und lässt sich dank des neuen Smart Systems auch umfangreich mit dem Handy vernetzen. So können zum Beispiel Fahrdaten des Bosch-Motors per App ausgewertet, oder die Unterstützungsstufen Eco und Turbo auf die Vorlieben des Fahrers angepasst werden.
Leistung: Liefert seine volle Power erst, wenn der Fahrer kräftig in die Pedale tritt. Dann ist die Leistung absolut top. Zieht auch bei hoher Trittfrequenz noch kräftig mit, das bringt einen spritzig-sportlichen Charakter. Durchschnittliche Leistungsabnahme im Akku-Verlauf.
Der optisch unauffällige E-Bike-Antrieb des Automobilzulieferers aus Coburg wird in Berlin entwickelt und gefällt in der Praxis vor allem akustisch durch seine geringe Lautstärke und die niedrige Frequenz. Der Brose Drive S Mag brummt eher gemütlich vor sich hin, als laut zu sirren.
Die volle Unterstützung lässt sich auch mit geringerem Einsatz durch den Fahrer schon abrufen. Besonders High-End-Marken wie Specialized (z.B. beim Turbo Levo) und Rotwild setzen bei ihren E-MTBs auf Brose und nutzen das offene System, um eigene Akku- und Display-Lösungen umzusetzen.
Leistung: Der Drive SMag hat seine Stärke bei niedriger Trittfrequenz. Schon bei geringem Tretimpuls schiebt der Motor richtig kräftig an. Die Leistungsabgabe ist konstant, auch im Verlauf des Akku-Ladestandes.
Im Gegensatz zum bulligen Vorgänger ist der neue Giant Syncdrive Pro2 klein und leicht und reagiert jetzt auch deutlich dynamischer auf den Pedaldruck des Fahrers. Manchmal fast etwas zu dynamisch: Im Stand pulsiert der E-Bike-Motor deutlich, wenn nur der Fuß auf dem Pedal liegt, beim Anfahren fällt der Leerweg dafür minimal aus. Die Hardware stammt übrigens nicht von Giant selbst sondern von Yamaha. Der baugleiche Yamaha-Motor namens PW-X3 steckt unter anderem in Bikes der Marken Haibike und R Raymon.
Leistung: Ähnlich wie bei Bosch sind auch die Modi des neuen Syncdrive Pro2 sehr progressiv. Erst bei kräftigem Fahrer-Input setzt der Motor seine volle Kraft frei. Das ist eine drastische Änderung zu seinem Vorgänger. Die Power ist im Testvergleich nicht übermäßig, aber voll ausreichend. Im Laufe unseres Testzyklus ließ sie aber deutlich nach. Im zweiten Power-Anstieg letzter Platz im Power-Ranking.
Der E-Bike-Motor von Panasonic steckt aktuell nur in E-MTBs der schweizerischen Marke Flyer. Da der Antrieb aber schon im Parkplatz-Test kräftig wirkt, wollten wir ihn in diesem Vergleich unbedingt dabei haben. Dafür spricht auch das hohe Drehmoment von 95 Newtonmetern bei einer trotzdem verhältnismäßig normalen Größe. Welche Leistung der getestete E-Bike-Motor von Panasonic tatsächlich bringt und wie er sich im Direktvergleich mit der Konkurrenz schlägt, lesen Sie jetzt im Test-Artikel als PDF am Ende des Artikels.
Leistung: Erzielt in unseren Testläufen die Spitzenleistung – und das bei absolut konkurrenzfähigem Gewicht. Schiebt in jeder Situation sehr kräftig, auch bei niedriger Trittfrequenz und Tretleistung. Leistung satt. Chapeau!
Schon der Rocky Mountain E-Bike-Motor der letzten Generation, der in den Powerplay E-MTBs der Kanadier zum Einsatz kommt, war als Kraftpaket bekannt. Der neue Dyname 4.0 soll dem keinen Abbruch tun, in Sachen Dosierbarkeit und Manieren aber noch raffinierter geworden sein. Besonderheit: Rocky Mountain ist der einzige große E-MTB-Hersteller, der für die eigenen Bikes einen eigenen E-Bike-Motor entwickelt.
Leistung: Der außergewöhnliche Dyname-Antrieb aus Kanada ist ein absolutes Kraftpaket. Allerdings fordert er vom Fahrer hohes Engagement, um seine volle Power abzuliefern. Selbst bei über 200 Watt Tretleistung legt er weiter zu. Das unterscheidet ihn deutlich von seinem Vorgänger. Wurde bei der Dauerbelastung in unserem Test sehr heiß.
Mit dem umgangssprachlich als EP8 bekannten E-Bike-Motor hat Shimano einen besonders leichten E-MTB-Antrieb im Programm. Die Displays sind minimalistisch, die Abstimmung der einzelnen Unterstützungsstufen per App für Shimano ein alter Hut. Für Varianz am Markt sorgt das offene Akku-System. So werden neben Shimanos eigenen Batterien auch Akkus anderer Hersteller verbaut, die den Konstrukteuren mehr Freiheit beim Rahmenlayout lassen. Nach wie vor lassen sich außerdem mit dem Shimano-Motor besonders kurze Kettenstreben realisieren, die ein verspieltes Fahrverhalten des Bikes begünstigen.
Leistung: Shimanos EP8 liefert im Testprozedere die geringste Maximalleistung. Ein Ergebnis, das unseren Eindruck aus zahlreichen Bike-Tests bestätigt. Dafür hält er die Power am konstantesten – mit Shimano-typischer Präzision. Bei niedriger Tretleistung und Kadenz bereits sehr kräftig, doch wenn der Fahrer Gas gibt, kann der Motor nicht mehr zulegen.
Alle Messwerte zu den sechs E-Bike-Motoren, inklusive Gewichten, Reichhöhe und Leistung sowie unsere Einschätzung zum Charakter der Antriebe lesen Sie im EMTB-Testartikel als PDF unten.
Die Power-Motoren, zu denen man die Testkandidaten in Abgrenzung zur Light-Kategorie zählen muss, müssen sich an ihrer Leistung messen lassen. Und hier zeigen die Kandidaten deutliche Unterschiede. Unsere Messungen über den Zeitverlauf decken auf, dass mancher E-Bike-Motor zu Beginn mit Power protzt, die dem Biker aber nicht mehr zur Verfügung steht, wenn er sie wirklich braucht. Doch selbst die schwächsten E-Bike-Antriebe im Test haben ausreichend Punch für alle Anforderungen eines erfüllten E-Mountainbiker-Lebens. Bei der Wahl des nächsten E-MTBs sollte die schiere Power des Motors also keinesfalls den alleinigen Ausschlag geben. Probefahren!