E-Bike-NeuheitLight-E-MTB extrem – ist das Rotwild R.X 275 noch ein E-Bike?

Christian Schleker

 · 22.03.2023

Wo ist das E-Bike? Eine dermaßen schlanke Silhouette hatte ein E-Mountainbike noch nie! Rotwilds R.X 275 macht´s möglich.
Foto: Adrian Kaether

Ist das neue Rotwild R.X 275 noch ein Light-E-MTB oder schon eine ganz neue Bike-Kategorie? Ein Mini-Akku, ein Boost-Button, der beim Daumendruck kurzfristig die Motorunterstützung aufdreht und eine radikale Gewichtskur – EMTB-Tester Christian Schleker fühlt dem Konzept auf den Zahn.

Das Rotwild R.X 275 ist ein Light-E-MTB mit Mini-Akku und fast so leicht wie ein klassisches Mountainbike. Dennoch: Für mich sind die klassischen Bikes ohne Motor vor drei Jahren gestorben. Da saß ich zum ersten Mal auf einem Specialized Levo SL und wusste sofort: Mehr E-Bike brauche ich nicht! Dank 17 Kilo Gesamtgewicht ist es fast so agil, wie mein normales Enduro; bergauf kann ich mit dem abgespeckten Motor-Akku-Konzept ausreichend Körner sparen für ein paar Extraabfahrten. Bei meinen Bergtouren habe ich ein Bike ohne Motor ab da nie mehr vermisst. Auf meiner flachen Hausrunde mit wenig Höhenmetern und viel Flow ist aber selbst das Levo SL oft zuviel E-Bike. Für die zahlreichen Sprünge muss ich über die 25-Km/h-Schwelle hinaussprinten. Generell tritt man hier oft jenseits des Unterstützungslimits und dann fährt sich auch ein aktuelles Light-E-Bike eher zäh. Und genau hier schlägt die Stunde des Rotwild R.X 275.

Alle Themen in diesem Artikel:


Die Fakten zum Rotwild R.X 275

  • Motor: TQ HPR 50 mit spezieller Rotwild-Software, Modi begrenzt auf 200 W Maximalleistung
  • Boost-Knopf statt Remote-Hebel: Volle Motor-Power (300 Watt) nur kurzfristig auf Knopfdruck
  • Akku: 250 Wh fest im Unterrohr integriert, optionaler Range Extender mit 160 Wh
  • Federweg: 130/120 Millimeter, Kategorie Downcountry
  • Gewicht: 15,6 Kilo (Topversion in Größe M, EMTB-Messung)
  • Vollcarbonrahmen, Laufradgröße 29 Zoll
  • Zwei Flaschenhalteraufnahmen für RE und Trinkflasche gleichzeitig
  • Zwei Ausstattungsvarianten für 9499 und 12.499 Euro
  • Vier Rahmengrößen S bis XL
Rotwild R.X 275 Ultra // 12499 Euro // 15,6 Kilo // TQ HPR 50 // 250 WhFoto: Robert Niedring
Rotwild R.X 275 Ultra // 12499 Euro // 15,6 Kilo // TQ HPR 50 // 250 Wh

Downcountry-E-Bike: Geburtsstunde einer neuen Kategorie?

Für den Einsatzzweck im flachen, kupierten Gelände hatte ich mit dem Scott Lumen zuletzt ein ganz ähnliches AHA-Erlebnis, wie seinerzeit mit dem Levo SL: Scott hat das E-Bike-Kampfgewicht mit konsequenter Leichtbauweise und (sehr teurer) Edelausstattung auf 15,5 Kilo abgesenkt. Als sportliches Downcountry-E-MTB deklariert, soll das Lumen die Lücke zwischen klassischem MTB und Light-E-Bike schließen. In die gleiche Nische zielt nun auch das Rotwild R.X 275 Ultra. Auch dieses sehr leichte E-Bike fährt sich mit ausgeschaltetem TQ-Motor völlig natürlich und ist im Handling von einem normalen MTB kaum mehr zu unterscheiden. Für flowige Trailrunden mit leichtem Push ist so ein Bike ideal, eine ordentliche Fitness vorausgesetzt.

Aber: Für ausgedehnte Abenteuer in alpinem Terrain ist das Konzept nur sehr bedingt und für sehr wenige Kunden tauglich. Der TQ-Motor ist recht energiehungrig (hier geht´s zu unserem aufwändigen Reichweitentest der Light-Motoren) und in Verbindung mit dem mageren 250-Wattstunden-Akku ist die Reichhöhe bei Nutzung der vollen Motorpower zu gering. Zwar lässt sich ein Range Extender anbringen, aber dann wiegt das Bike wieder ein Kilo mehr. Solidere, schwerere Reifen müssten für Bergtouren auch sein. Außerdem ist der TQ nicht wirklich kraftvoll und durchzugsstark – extreme Steigungen auf ausgesetzten Trails schafft man mit dem Motörchen nur in Ausnahmefällen.

TQ-Antrieb und ein Vollcarbonrahmen (2350 Gramm in Größe M) sind die Zutaten für ein leichtes Downcountry-E-MTB. 120 Millimeter setzt der Hinterbau mit flexenden Sitzstreben frei.Foto: Adrian Kaether
TQ-Antrieb und ein Vollcarbonrahmen (2350 Gramm in Größe M) sind die Zutaten für ein leichtes Downcountry-E-MTB. 120 Millimeter setzt der Hinterbau mit flexenden Sitzstreben frei.

Nische in der Nische: Das Konzept des Rotwild R.X 275

Scott will beim Lumen die Umsteiger von normalen MTBs und die sportlicher orientierten klassischen E-Biker ansprechen, die überwiegend im ECO-Modus fahren. Rotwild schränkt die potentielle Kundschaft des R.X 275 Ultra sogar noch etwas weiter ein: Der Akku ist hier mit 250 Wattstunden nochmal 30 Prozent kleiner als beim Lumen. Und statt einer Fernbedienung für die einzelnen Modi links am Lenker, gibt es beim R.X 275 einen roten Drehhebel, den Boost-Knopf, der die maximale Motorkraft (300 Watt/50 Newtonmeter) für maximal 30 Sekunden zur Verfügung stellt. Dafür muss man den Hebel gedrückt halten. Die drei Unterstützungsstufen lassen sich nur am Display ändern und sind ab Werk sehr dezent eingestellt und auf maximal 200 Watt begrenzt. Volle Leistung gibt´s also nur bei durchgedrücktem Hebel. Der situative Motorschub der Boost-Funktion soll der Fahrt eine besondere Dynamik verleihen und zudem verhindern, dass der kleine Akku durch Dauerschub zu schnell leergesaugt wird. Dabei hilft auch, dass die erste U-Stufe bereits bei 20 km/h die Motorunterstützung herunterfährt.

Drück mich! Der feuerrote, kugelgelagerte Boost-Button wirkt hochwertig und ist gut erreichbar. Nur wenn es wurzelig zugeht, ist der Griff am Lenker bei gedrücktem Hebel unsicher.Foto: Adrian Kaether
Drück mich! Der feuerrote, kugelgelagerte Boost-Button wirkt hochwertig und ist gut erreichbar. Nur wenn es wurzelig zugeht, ist der Griff am Lenker bei gedrücktem Hebel unsicher.

Längere Ausfahrten schafft man nur, wenn viel Eigeneleistung im Spiel ist, sonst saugt es den Akku sehr schnell leer. Viel weiter kann man die Minimalismus-Schraube kaum drehen, es sei denn, man lässt Motor und Akku einfach ganz weg.

Sportler, die meist ohne Unterstützung fahren: Die Zielgruppe des Rotwild R.X 275

Doch die Rotwildentwickler glauben fest an eine existente Kundschaft für das Nischenkonzept: Das sollen Fahrer sein, die vom klassischen, sportlichen Mountainbiken kommen und den Sportaspekt weiterhin schätzen. Sie sollen das R.X 275 überwiegend wie ein motorloses Downcountrybike nutzen, also mit sehr wenig, oder auch mal gar keiner Unterstützung auf den schnellen und flachen Teilen ihrer Tour. Nur bei kurzen harten Anstiegen, oder zum Beschleunigen, soll der Motor genutzt werden. So bleibt das Bike schnell, wo man sonst nur noch im Kriechtempo vorankommt, oder wo aufgrund von Erschöpfung einfach nicht mehr wirklich Druck auf den Pedalen ist. Und: So sind theoretisch große Reichweiten möglich, trotz Mini-Akku.

Essentieller Teil des Konzepts sind leichte und gut rollende Reifen. Nur so lässt sich das Bike in der Ebene entspannt auch ohne Motor schnell bewegen. Schwalbes Wicked Will am Hinterrad kommt mit hauchdünner Race-Karkasse.Foto: Adrian Kaether
Essentieller Teil des Konzepts sind leichte und gut rollende Reifen. Nur so lässt sich das Bike in der Ebene entspannt auch ohne Motor schnell bewegen. Schwalbes Wicked Will am Hinterrad kommt mit hauchdünner Race-Karkasse.

Das Rotwild R.X 275 Ultra ist also für eine sehr spitze Zielgruppe gedacht, die sportlichen Umsteiger vom MTB. Ein E-Bike für Menschen also, die bisher kein richtiges E-Bike haben wollten. Und die auch, wenn sie eins haben, die Motorhilfe nur ganz selten spüren und nutzen wollen, wenn zum Beispiel an diesem einen fiesen Anstieg das letzte Quäntchen Muskelkraft fehlt. Ansonsten soll sich das E-Bike bitte anfühlen, als wäre es gar keins.

Traumpaar: Darum passt der TQ HPR 50 perfekt zum Rotwild R.X 275

Der Minimal Assist Markt ist heiß umkämpft. Specialized hat mit dem SL 1.1 vor drei Jahren den Anfang gemacht. Der Motor wurde vom deutschen Hersteller Mahle exklusiv für die Amerikaner entwickelt. Mittlerweile ist er nicht mehr up to date: zu laut, zu schwach und eben auch nur im Levo und Kenevo SL zu haben. Aktuell teilen sich drei andere Motoren den Light-Markt: Der HPR 50 von TQ steht in Konkurrenz zum Fazua Ride 60 und dem Shimano EP8 RS. Im Vergleich zu den beiden zuletzt Genannten ist der TQ relativ schwach auf der Brust und auch recht stromdurstig. Das Trek Fuel EXe, ein E-Trailbike, das vor ein paar Jahren noch als waschechtes Enduro durchgegangen wäre, macht der Motor zu einem Sportler mit spitzem Einsatzbereich.

Light-E-Bikes der Trail- oder Endurokategorie können mit dem Fazua oder dem Shimano breiter eingesetzt werden, weil deren maximale Unterstützung, bessere Standfestigkeit und größere Reichweite auch schwerere und weniger fitte Biker auf den Gipfel hieven kann. Der TQ trifft dafür aus unserer Sicht bei E-Gravelbikes und eben der neuen leichten E-Downcountry-Kategorie voll ins Schwarze. Er ist leicht, leise und lässt sich perfekt in seiner Leistungsabgabe justieren. Dann arbeitet er so unaufdringlich und dezent, dass man immer mal wieder aufs Display schaut, um sich zu vergewissern, dass der Motor auch läuft. Das ist keine Charakteristik, die Fans echter E-Bike-Power auch nur einen müden Euro aus der Tasche ziehen würde. Und auch ich habe ein paar Touren gebraucht, bis ich dieser Form der Spaßbevormundung wirklich etwas abgewinnen konnte.

Das TQ-Display des HPR 50 ist schlank ins Oberrohr eingelassen. Zwischen den drei Unterstützungsstufen kann man ausschließlich über den Butten am Display wechseln.Foto: Adrian Kaether
Das TQ-Display des HPR 50 ist schlank ins Oberrohr eingelassen. Zwischen den drei Unterstützungsstufen kann man ausschließlich über den Butten am Display wechseln.

15,6 Kilo! Traumgewicht durch Magersucht bei Akku und Ausstattung

Das Thema Gewicht spielt bei Power-E-Bikes eine untergeordnete Rolle. Bestenfalls schaffen es aktuelle Modelle, bei wachsender Batteriekapazität, so viel zu wiegen wie die Vorgänger. Nicht selten sind das um die 25 Kilo. Dafür bekommt man massiv Reichhöhe, stabile Parts und enorme Motorkraft. Den Fahrspaß bergauf, den man zum Beispiel mit einem Boschmotor und einem 750-Wh-Akku erleben kann, bekommt man bei den abgespeckten Light-Kollegen schlicht nicht. Das Handling der Powerbikes ist dafür aus der Light-Brille betrachtet eher träge, egal ob mit 130 Millimetern Federweg, oder mit 180. Ein Power-E-Enduro fährt sich aus diesem Blickwinkel so ähnlich wie ein Power-E-Trailbike.

Ja, in diesem Unterrohr steckt ein Akku. Mit 250 Wattstunden hat er aber gerade mal ein Drittel der durchschnittlichen Kapazität aktueller E-MTBs. Der Antrieb steht auf dem Diätplan leichter E-MTBs ganz oben!Foto: Robert Niedring
Ja, in diesem Unterrohr steckt ein Akku. Mit 250 Wattstunden hat er aber gerade mal ein Drittel der durchschnittlichen Kapazität aktueller E-MTBs. Der Antrieb steht auf dem Diätplan leichter E-MTBs ganz oben!

Wer das Handling der dicken Brummer nicht mag, dem bleibt nur der Weg über den Verzicht bei der Batterie und der Motorkraft. Denn nur so werden die Minimal Assist Bikes ihre Pfunde los. Um in der 18-Kilo-Kategorie zu landen, müssen Hersteller Akkuleistung und Drehmoment quasi halbieren. Dadurch wird das Thema Eigenleistung wieder relevant. Nur wer sich anstrengen mag und kann, kommt auf den hohen Gipfel, den der Kumpel mit dem Power-Bike schon lange erreicht hat (und dort entspannt sein Gipfelbierchen schlürft).

Weil sich Gewichtsrekorde aber gut verkaufen, drehen Scott, BMC, Thömus, Transalpes und jetzt auch Rotwild die Abwärtsspirale durch zusätzlichen Leichtbau bei Rahmen und Anbauteilen so weit, dass demnächst serienmäßig die 15-Kilo-Marke fallen dürfte. Das Rotwild wiegt zwar nicht weniger als das Scott Lumen (obwohl der Akku kleiner ist), aber es bietet im Gegensatz zu dem nochmal deutlich teureren Konkurrenten (15.999 Euro!!!) auch noch etwas Tuningpotential: Die DT Swiss HXC1501 Laufräder wiegen fast 1900 Gramm. Da können Gewichtsfetischisten mit dickem Bankkonto noch über ein halbes Kilo einsparen und die 14 vor dem Komma erreichen.

Nicht superleicht: Der DT-Carbonlaufradsatz besitzt eine stabile Carbonfelge, einen etwas verstärkten Freilauf und wiegt so in 29 Zoll knapp 1900 Gramm. Das ist kein Weltrekord, aber immer noch stabil und leicht. Gewichtsfetischisten können hier ansetzen, um die 14 Kilo-Grenze zu knacken.Foto: Robert Niedring
Nicht superleicht: Der DT-Carbonlaufradsatz besitzt eine stabile Carbonfelge, einen etwas verstärkten Freilauf und wiegt so in 29 Zoll knapp 1900 Gramm. Das ist kein Weltrekord, aber immer noch stabil und leicht. Gewichtsfetischisten können hier ansetzen, um die 14 Kilo-Grenze zu knacken.

Der extreme Leichtbau hat dabei nicht nur Folgen für Reichhöhe und Motorkraft: Die gewichtsoptimierten Anbauteile schränken den Einsatzbereich dieser sportlichen Bikes mit leichter E-Hilfe ebenfalls ein. Der 4000-Euro-Vollcarbon-Laufradsatz im Scott Lumen ist da das aktuell extremste Beispiel. Solche Edelteile will wohl niemand bei heftigen Geländeeinsätzen beschädigen. Schonendes Fahren in gemäßigtem Terrain ist bei den sehr leichten E-Bikes also mit eingepreist.

Kombinierte Lenker-Vorbau-Einheiten aus Kohlefaser sind ein beliebtes Mittel, die letzten Gramm aus einem Bike zu schinden. Einige Einstelloptionen fallen dabei flach.Foto: Robert Niedring
Kombinierte Lenker-Vorbau-Einheiten aus Kohlefaser sind ein beliebtes Mittel, die letzten Gramm aus einem Bike zu schinden. Einige Einstelloptionen fallen dabei flach.

Zwischenfazit Rotwild R.X 275: Gewichtsrekord nur über Kompromisse

Wunder vollbringt kein Hersteller. Die Materialien sind so weit ausgereizt, dass der Gewichtsrekord nur über Kompromisse bei den Kernkompetenzen des klassischen E-Bikes zu erzielen ist: Reichhöhe und Unterstützung. Auch die Stabilität der Anbauteile ist – speziell für schwere Fahrer – stark begrenzt. Jeder, der beim nächsten Kauf nur auf die Waage schielt, sollte sich dessen bewusst sein.

Rotwild R.X 275 - die Geometrie

Keine Überraschungen oder extreme liefert die Geometrietabelle des Rotwild R.X 275. Der Hauptrahmen ist lang (Reach 460 in M, 485 in L), aber nicht extrem. Der Lenkwinkel ist mit 66 Grad für moderne Trailbike-Verhältnisse eher steil, aus Crosscountry-Sicht flach - Downcountry eben. Die Kettenstreben sind mit 437 Millimetern für E-Bike-Verhältnisse kurz. Der mäßig steile Sitzwinkel verspricht eine sportliche Sitzposition für lange Flachetappen.

Die vier Größen des Rotwild R.X 275 in der Übersicht.Foto: Hersteller
Die vier Größen des Rotwild R.X 275 in der Übersicht.

So fährt sich das Rotwild R.X 275 – grau ist alle Theorie!

Wäre das Rotwild R.X 275 kein Downcountry-E-Bike es wäre ein gutes normales Downcountry-MTB. Optisch ist kein Unterschied mehr zu sehen: Die Rohrdimensionen sind klassisch schlank. Und auch beim Losrollen kommt keinerlei E-Bike-Feeling auf. Das Rotwild bietet mit ausgeschaltetem Motor ein sehr natürliches Fahrgefühl in der Ebene. Es rollt sehr leicht und reagiert spritzig, wenn man aus dem Sattel geht und lossprintet. Testweise bin ich eine kürzere Trailtour (20 km/300 hm) ganz ohne Unterstützung gefahren - das geht tatsächlich gut!

Auf seichten Trails und im flachen Gelände fühlen sich Bikes der Downcountry-Kategorie besonders wohl.Foto: Robert Niedring
Auf seichten Trails und im flachen Gelände fühlen sich Bikes der Downcountry-Kategorie besonders wohl.

Für meine längere Hausrunde (45 km/900 hm) habe ich nach einigem Hin- und Her den speziell für Rotwild konfigurierten Stufe-1-Modus so programmiert, dass er bei hoher Eigenleistung mit maximal 200 Watt Anstiege und Antritte durch sanften, aber spürbarem Push unterstützt. Bei 20 km/h fadet er dann früh und unmerklich aus. So fuhr sich das Rotwild wie ein klassisches MTB auf Koks: Das Handling ist superagil und die Beschleunigung richtig schön dynamisch, ohne sich dabei jemals nach E-Bike-Boost anzufühlen. Das Rotwild geht dank des kurzen Hinterbaus (436 Millimeter) und des leichten Akkus im Unterrohr auch sehr gut aufs Hinterrad. Steile Anstiege muss man aber aktiv fahren und das Vorderrad belasten, damit die Lenkung nicht zu leicht wird. Das subjektive Fahrgefühl war die ganze Zeit sehr nah dran am klassischen Trailbike. Schon lange hatte ich nicht mehr so viel Spaß beim Bunnyhop über umgestürzte Baumstämme. Beim Abdrücken an Wurzeln poppt das Rotwild hoch weg und ist in der Luft sehr handlich.

Hör mal, wer da klickert? Zum ersten Mal ist uns in diesem Test ein leichtes Freilaufgeräusch beim TQ HPR 50 aufgefallen. Im Bereich des Ausfadens – in Modus 1 also zwischen 19 und 21 Km/h - hört man ihn sehr leise klackern. Da das Rad insgesamt extrem leise ist, und schon bei lockerem Dahinradeln schnell an der Unterstützungsgrenze landet, fällt das beim Rotwild mehr auf, als bei anderen Bikes mit dem Motor. Das ist aber wirklich Meckern auf höchstem Niveau. Leiser als ein TQ kann ein E-Motor ansonsten nicht sein!Foto: Adrian Kaether
Hör mal, wer da klickert? Zum ersten Mal ist uns in diesem Test ein leichtes Freilaufgeräusch beim TQ HPR 50 aufgefallen. Im Bereich des Ausfadens – in Modus 1 also zwischen 19 und 21 Km/h - hört man ihn sehr leise klackern. Da das Rad insgesamt extrem leise ist, und schon bei lockerem Dahinradeln schnell an der Unterstützungsgrenze landet, fällt das beim Rotwild mehr auf, als bei anderen Bikes mit dem Motor. Das ist aber wirklich Meckern auf höchstem Niveau. Leiser als ein TQ kann ein E-Motor ansonsten nicht sein!

Auf der gesamten Runde habe ich den von Rotwild entwickelten Boost-Knopf nur ganz kurz für ein paar steile Stiche genutzt. Das hält das Tempo hoch und passt super zum spritzigen Charakter des Bikes. Der maximale Schub hat zwar keinen beeindruckenden Bumms, hilft aber ausreichend. Hohe Kadenz von mindestens 70 vorausgesetzt. Denn kurbelt man zu langsam, würgt es dem TQ den Schub ab. Fiese Anstiege sollten nicht zu lang sein, sonst muss man nach 30 Sekunden den Hebel kurz loslassen (drei Sekunden Pause!) und das Boost-Zeitfenster durch erneutes Drücken neu starten. Dazwischen schaltet der Motor nicht ab, sondern geht zurück in den gerade eingestellten Dauermodus. Der reichte bei mir dann aber manchmal gerade so nicht, um an einer Steilstufe weiterfahren zu können. Trotzdem ist der Boost-Button irgendwie ein cooles Feature, das dem Rotwild ein interessantes Alleinstellungsmerkmal gibt. Der Hebel dürfte nur etwas länger ausfallen, damit man ihn noch leichter erreicht. Das Zeitfenster selbst konfigurieren zu können, wäre ideal. Die 40-Kilometer-Trailrunde schaffte ich mit dem 250er-Akku gut. Am Ende blieben noch 20 % Saft, obwohl ich 19 km/h Durchschnittstempo halten konnte. Aber ich wiege auch nur 70 Kilo und verausgabe mich gerne.

Poppiger Hinterbau, superagiles Handling: Das Rotwild R.X 375 ist ein Spaßgarant. Wildere Manöver verlangen aber besondere fahrtechnische Fertigkeiten. Im ruppigen Gelände verzeiht das Leichtgewicht weniger Fehler als ein “dickes” E-MTB mit mehr Federweg.Foto: Robert Niedring
Poppiger Hinterbau, superagiles Handling: Das Rotwild R.X 375 ist ein Spaßgarant. Wildere Manöver verlangen aber besondere fahrtechnische Fertigkeiten. Im ruppigen Gelände verzeiht das Leichtgewicht weniger Fehler als ein “dickes” E-MTB mit mehr Federweg.

Rotwild R.X 275: Fazit der EMTB-Redaktion

Rotwilds neuester E-Bike-Wurf ist Nische pur! Nur leichten, fitten Fahrern reicht der sanfte Rückenwind. So nah an einem klassischen Mountainbike ohne Motor war ein E-MTB noch nie. Es fährt sich dank des geringen Gewichts selbst ohne Motorunterstützung sehr natürlich und enorm agil. Der zeitlich begrenzte Turbo-Boost in Kombi mit ansonsten minimierter Unterstützung erlaubt – trotz Mini-Akku – vernünftige Reichweiten auf gemäßigten Trail-Touren. Lässt man sich auf das Konzept ein, ist das R.X 275 ein sehr agiles, handliches und sprungfreudiges E-Bike ohne E-Feeling. Die Boost-Funktion mit Zeitlimit ist ein Feature, das das Konzept eigenständig macht. Aber es ist ein spezielles Konzept, das nicht jeden E-Biker glücklich machen soll und das auch sicher nicht tut. Kernkompetenz: Das Rotwild R.X 275 filtert die harten Belastungsspitzen aus der Tour, nimmt ein paar kurzen Horroranstiegen den Schrecken und macht so Lust auf häufiges Fahren. Für diese dezente Portion Motorschub muss man allerdings das nötige Kleingeld übrig haben. – Christian Schleker, EMTB-Tester
EMTB-Autor Christian Schleker hat die Entwicklung der Light-Kategorie so eng begleitet wie kaum ein zweiter. Focus Raven², Lapierre E-Zesty, Specialized Levo SL - all diesen Bikes fühlte er für EMTB als einer der ersten Journalisten der Welt auf den Zahn. Das Rotwild R.X 275 ist selbst für den bekennenden Light-Fan und fitten Biker ein super spezielles Konzept.Foto: EMTB Magazin
EMTB-Autor Christian Schleker hat die Entwicklung der Light-Kategorie so eng begleitet wie kaum ein zweiter. Focus Raven², Lapierre E-Zesty, Specialized Levo SL - all diesen Bikes fühlte er für EMTB als einer der ersten Journalisten der Welt auf den Zahn. Das Rotwild R.X 275 ist selbst für den bekennenden Light-Fan und fitten Biker ein super spezielles Konzept.

Testfazit von Peter Nilges, BIKE-Testleiter

Ich bin die etwas günstigere Pro-Variante gefahren: 9500 Euro, 16,5 Kilo. Das ist ein Kilo mehr als ein rennfertiges, superrobustes Enduro. Ein unmotorisiertes Trailbike in dieser Preisklasse wiegt sogar satte vier Kilo weniger. Gewichtstechnisch ist das Rotwild also, trotz einiger Tricks, noch deutlich vom normalen Mountainbike entfernt. Das Konzept geht trotzdem auf. Denn schon die niedrigste Unterstützungsstufe schiebt mit 50 Watt so kräftig an, dass man schneller fährt als mit einem leichten Bike ohne Motor. Daran haben auch die extrem gut rollenden Wicked-Will-Reifen ihren Anteil.

Super gefällt mir der geschmeidige Übergang des TQ-Motors. Es ist kaum spürbar, wie er ein- und aussetzt. Ich habe mich in manchen Situationen dabei ertappt, wie ich auf das Display geschielt habe, um zu checken, ob der HPR 50 gerade schiebt oder nicht. Ebenfalls positiv überrascht hat mich der geringe Energieverbrauch. Mit der dezenten Unterstützung sind durchaus längere Ausfahrten drin. Bergab lässt sich das Bike gut handeln. Durch das etwas höhere Gewicht liegt es in rauem Gelände sogar etwas besser als vergleichbare Bikes ohne Motor. Es ist aber auch nicht ganz so leichtfüßig. Mit dem Boost-Knopf bin ich allerdings gar nicht warmgeworden. In den Situationen, in denen man die Extra-Power haben will, ist er umständlich zu halten. Technische Uphills erfordern volle Kontrolle, die geht verloren, wenn ich mit dem Daumen nach dem Hebel fischen muss. Trotzdem: Auch mit den 200 Extra-Watt der normalen Modi fährt man im Uphill Passagen, die ohne nicht drin wären.

Würde ich mir so ein Bike kaufen? Klares Nein. Denn ein leichtes Trailbike ist auch ohne E-Antrieb spritzig und vortriebsstark. Und das Mehrgewicht durch Motor und Akku ist einfach nicht wegzudiskutieren. In den seltenen Fällen, in denen ich aufs E-Bike steige, will ich echten E-Bike-Bums spüren, sonst fahre ich lieber unmotorisiert. Richtig gut funktioniert das Rotwild-Konzept, um Leistungsunterschiede auszugleichen. Dafür reicht die Power locker aus, und Touren-Biker müssen sich nicht mit einem superschweren E-Bike abmühen. Der Preis ist allerdings happig.

BIKE-Testchef Peter Nilges beim Praxis-Check des Rotwild.Foto: Robert Niedring
BIKE-Testchef Peter Nilges beim Praxis-Check des Rotwild.
Die 50 Watt des Eco-Modus klingen mau. In der Praxis ist das aber locker genug, um mit dem 16-Kilo-Bike schneller zu klettern als mit einem 12-Kilo-Rad ohne Motor. Das Konzept geht also auf. Doch mir persönlich bietet es nicht genug Mehrwert gegenüber einem unmotorisierten Bike. Wer mit fitteren Bikern mithalten will, kann profitieren. – Peter Nilges. BIKE-Testleiter