Light E-Bike-MotorOrbea EP8 RS (Shimano) im Test

Florentin Vesenbeckh

 · 01.11.2022

Light E-Bike-Motor: Orbea EP8 RS (Shimano) im TestFoto: Markus Greber
Der schlanke Zusatz-Akku liefert 250 Wattstunden und passt in den Flaschenhalter. Gewicht: 1,5 Kilo.

Minimalistisch oder volle Power? Der RS-Antrieb von Orbea schließt die Lücke zwischen den beiden Kategorien. Fauler Kompromiss oder goldene Mitte? Wir haben den Orbea EP8 RS - eine exklusive Version des Shimano EP8 - in Labor und Praxis getestet.

Das Orbea Rise ist vermutlich eines der erfolgreichsten Light-E-MTBs am Markt. Dabei setzt das Bike der Spanier auf ein spezielles Konzept. Denn für Schub sorgt kein eigens entwickelter Leicht-Motor, sondern ein modifizierter Shimano EP8. Das hat einige Vorteile, bringt aber auch Nachteile mit sich. Für unseren großen Vergleichstest leichter E-Bike-Antriebe konnten wir den EP8 RS ausführlich in Labor und Praxis testen. Eines ist von vorneherein klar: In Sachen Reichweite und Standfestigkeit macht dem System keiner etwas vor. Damit spricht das Orbea-Konzept eine große Zielgruppe an. Übrigens: Auf der Eurobike hatte Shimano mit dem EP801 einen Nachfolger des EP8 vorgestellt. Noch ist dieser Antrieb allerdings nicht auf dem Markt, und es ist unklar, inwieweit sich der Motor und seine Charakteristik verändert. So oder so: Es ist davon auszugehen, dass auch Orbea seinen EP8 RS auf die neue 801-Technologie aufrüstet.

Die Integration des EP8 RS ist gelungen - die anderen Light-Antriebe lassen sich ob ihrer Größe allerdings schlanker in den Rahmen integrieren.
Foto: Markus Greber
Der EP8 RS im großen Vergleichstest

Der Orbea EP8 RS ist Hardware-seitig identisch mit dem klassischen Shimano EP8. Gewichtstechnisch hat er gegen die exklusiv als Light-Antrieb konzipierte Konkurrenz also klar das Nachsehen. Mindestens 600 Gramm muss man für das Aggregat draufzählen. Dafür ist der Motor mit exklusiver Orbea-Software verhältnismäßig kräftig und robust. Mit ordentlicher Leistung, kräftigem Drehmoment und großem Akku kann der EP8 RS fast mit klassischen E-MTB-Motoren mitfahren. Das Systemgewicht ist allerdings entsprechend hoch und liegt deutlich über dem der anderen Light-Kandidaten unseres Vergleichstest. Einen Überblick der Gewichte gibt´s hier! Umso erstaunlicher ist, wie leicht die Bikes der Spanier ausfallen: ab 16,2 Kilogramm!

Die technischen Daten: Orbea EP8 RS (Shimano)

  • Gewicht Motor: 2,65 kg
  • Gewicht Akku: 2,78 kg (540 Wh)
  • Akku-Optionen: 360 Wh, 540 Wh; optionaler Range Extender: 250 Wh (1,5 kg)
  • Fahrstufen: Eco, Trail, Turbo
  • Dichtigkeit: k. A.
  • Connectivity: Bluetooth, ANT, Garmin-App

Das Akku-Konzept des EP8 RS

Aktuell hat Orbea drei E-Mountainbikes mit EP8 RS im Portfolio. Alle setzen dabei auf einen fest verbauten Akku im Unterrohr, der durch einen Range Extender im Trinkflaschenformat aufgestockt werden kann. Das Top-Fully Rise M mit Carbonrahmen ist auf Gewicht getrimmt, drum sitzt hier ein 360-Wattstunden-Akku drin. Das günstigere Alu-Modell Rise H (hier im Test!) kommt mit größerem 540er-Akku und damit beachtlicher Reichweite. Dieses Bike diente auch als Test-Bike für unseren Vergleich. Auf das gleiche Batteriekonzept setzt auch das Hardtail Orbea Urrun (Hier geht´s zum Test!). Alle Bikes sind mit dem externen Zusatz-Akku um 250 Wattstunden erweiterbar. Die internen Akkus lassen sich zum Laden oder Wechseln auf Tour nicht herausnehmen.

Der schlanke Zusatz-Akku liefert 250 Wattstunden und passt in den Flaschenhalter. Gewicht: 1,5 Kilo. | Copyright: Greber/Skyshot
Der schlanke Zusatz-Akku liefert 250 Wattstunden und passt in den Flaschenhalter. Gewicht: 1,5 Kilo. | Copyright: Greber/Skyshot

Fahrgefühl und Kraftentfaltung zum Orbea E-Bike-Motor

Seine volle Leistung ruft der EP8 RS beim Orbea im Grund-Setup des Turbo-Modus schon bei geringem Fahrer-Input ab. Dadurch fühlt sich der Motor in der Praxis sogar noch etwas kräftiger an, als es die Laborwerte vermuten lassen. Im Vergleich der Leicht-Klasse ist die Kraftentfaltung schon bei niedriger Trittfrequenz gut. Das erleichtert technische Anstiege und Schlüsselstellen. Im Turbo-Modus fehlt dem EP8 RS allerdings, ähnlich wie dem klassischen EP8, die Spritzigkeit. Denn bei sehr hohen Kadenzen bricht die Power etwas ein. Das fällt besonders beim sportlichen Beschleunigen oder beim Schwung holen für kurze Steilstücke negativ auf. Im Trail-Modus wird das Fahrgefühl deutlich harmonischer. Über die E-Tube-App kann man auch den Turbo-Modus dynamischer einstellen und so die Motor-Power besser an den Fahrer-Input koppeln. Aus unserer Sicht macht das bei einem sportlichen Light-Bike absolut Sinn.

Das Orbea Rise M mit Carbonrahmen, 360er-Akku und leichten Anbauteilen wog in unserem Test 17,96 Kilo. Ein starker Wert!Foto: Wolfgang Watzke
Das Orbea Rise M mit Carbonrahmen, 360er-Akku und leichten Anbauteilen wog in unserem Test 17,96 Kilo. Ein starker Wert!

Der Orbea E-Bike-Motor: EP8 RS im Labortest

Unsere Labormessungen auf dem Rollenprüfstand von PT Labs bescheinigen dem Orbea EP8 RS eine maximale Leistung von 339 Watt und ein Drehmoment von 56 Newtonmetern. Im Light-Vergleich steht der Motor damit gut im Saft. In der Praxis fühlt sich der Antrieb sogar noch etwas kräftiger an. Zum Beispiel haben wir bei direkten Vergleichsfahrten mit dem klassischen EP8 (rund 100 bis 150 Watt mehr!) eine kleinere Leistungsdifferenz vermutet. Seine volle Leistung ruft der EP8 RS schon bei geringen Trittfrequenzen ab und hält sie über ein großes Drehzahlband konstant. Bei sehr hohen Kadenzen über 100 bricht die Leistung allerdings ein. Dieses Phänomen zeigt sich nicht nur im Labortest, sondern ist auch in der Praxis spürbar - wenn auch nicht gar so drastisch wie beim klassischen EP8.

Leistung & Drehmoment – Motorkennlinien des Orbea EP8 RS (Shimano): Der EP8 RS hält seine Leistung über ein breites Drehzahlband, nur bei sehr hoher Trittfrequenz geht ihm spürbar die Puste aus.Foto: EMTB Magazin
Leistung & Drehmoment – Motorkennlinien des Orbea EP8 RS (Shimano): Der EP8 RS hält seine Leistung über ein breites Drehzahlband, nur bei sehr hoher Trittfrequenz geht ihm spürbar die Puste aus.

Der Orbea Motor im Dauerlast-Betrieb

Steile Anstiege, schwere Fahrer, lange Touren? Wenn ein Light-Antrieb dafür prädestiniert ist, dann ist es definitiv der EP8 RS. Logisch, schließlich ist das Aggregat hardwareseitig auf deutlich höhere Belastungen (nämlich die 85 Nm des EP8) ausgelegt. Entsprechend unbeeindruckt zeigt sich der Orbea-Antrieb von harten Dauerbelastungen. Auch Dauer-Turbo-Fahrer werden mit diesem Motor keine Probleme bekommen. Weiterer Pluspunkt: Mit 540 Wattstunden bietet Orbea den größten Akku im Light-Segment. Bei unseren standardisierten Messfahrten schob uns der EP8 RS im Turbo-Modus 1386 Höhenmeter den Berg hinauf und lieferte 63 Minuten Turbo-Schub. Die Fahrerdaten dazu: Fahrergewicht 89 Kilo, 150 Watt Tretleistung, Kadenz 80 U/min. Zum Vergleich: Ein Bosch Performance CX Motor mit 750er-Akku kommt im Turbo-Modus unter identischen Bedingungen auf 71 Minuten Fahrzeit.

Das Orbea Rise H ist mit seinem 540-Wattstunden-Akku der Dauerläufer unter den Light-E-MTBs. Gewicht mit Alu-Rahmen: Knapp über 20 Kilo. | Copyright: Skyshot/Greber
Das Orbea Rise H ist mit seinem 540-Wattstunden-Akku der Dauerläufer unter den Light-E-MTBs. Gewicht mit Alu-Rahmen: Knapp über 20 Kilo. | Copyright: Skyshot/Greber

Orbea EP8 RS (Shimano): Die Geräuschentwicklung

Die gute Nachricht vorne weg: Der Motor-Sound des EP8 RS ist klar leiser als der des klassischen EP8. Diese Erkenntnis haben wir bei jedem Orbea-Testbike erlangt, das wir bisher mit dem RS-Antrieb gefahren sind. Das Antriebsgeräusch ist zudem eher tieffrequent und gleichmäßig, dadurch wird es von den meisten Testern als wenig unangenehm beschrieben. Im Vergleich der Light-Motoren landet der EP8 RS im Mittelfeld. Die schlechte Nachricht: Das Getriebeklappern, das alle EP8-Motoren haben, konnte auch Orbea dem RS nicht austreiben. Heißt: Beim Überrollen von Hindernissen klappert das Getriebe metallisch. Trail-Abfahrten werden von einem permanenten Klackern begleitet. Ein wirklich leises Bike mit EP8 RS gibt es also leider nicht. Wer dieses Klackern nicht kennt, das auch alle aktuellen Bosch-Motoren haben, kann es sich am besten wie ein deutliches Ketten- und Schaltwerkklappern vorstellen. Manchen Testern fällt das Geräusch - zur Einordnung - aber nur wenig auf. Und nach einigen Trail-Metern stellt sich schnell ein Gewöhnungseffekt ein. Doch aus unserer Sicht gehört die Geräuschkulisse ganz klar zu den Faktoren, die die Wertigkeit eines Bikes beeinflussen. Und hier können Orbeas RS-Bikes nicht gänzlich punkten.

Die Bedienelemente des Orbea E-Bike-Motors

Die Bedienelemente des Orbea-Antriebs stammen komplett aus Shimanos Steps-Linie und sind altbekannt. Wahlweise gibt’s die Bikes der Spanier mit gut geschütztem, unauffälligem Display hinter dem Lenker oder minimalistischer Drahtloseinheit. Das können Kunden über den guten MyO-Konfigurator auf der Orbea-Homepage selbst wählen. Die minimalistische Drahtloseinheit liefert nicht mal eine Balkenanzeige für den Akku-Stand, das hat uns auf so mancher Testfahrt mit dem Orbea E-Bike-Motor schon vor böse Überraschungen gestellt. Sie eignet sich eher für absolute Puristen oder alle, die ohnehin lieber einen Bike-Computer à la Garmin nutzen. Der Steps-Bedienhebel ist schlicht und top-funktional und deswegen in der EMTB-Testredaktion beliebt. Gleiches gilt für die übersichtlichen Shimano-Displays, die bei Stürzen gut geschützt sind. Hier vermissen wir lediglich eine prozentgenaue Akku-Anzeige. Der Batteriestand wird über fünf Balken nur recht grob angezeigt.

Schlank und funktional: Die klassischen Steps-Komponenten von Shimano.
Foto: Markus Greber
Bedienelemente und Apps des EP8 RS.

Shimanos E-Tube-App war eine der ersten Apps, die die individuelle Justierung der Fahrmodi ermöglichte. Beim Orbea EP8 RS funktioniert alles genauso wie beim klassischen EP8. Die Logik hinter den Einstellungen und der Einfluss auf die Unterstützung ist allerdings nicht so klar wie bei anderen Apps. Es können zwei Profile bzw. Pre-Sets eingestellt werden, die dann direkt am Display auch ohne App aktiviert werden können. Das ist super. So lassen sich etwa eine sanfte, Akku-sparende Einstellung für lange Touren und eine Power-Einstellung für kurze Feierabendrunden abspeichern. System-Updates und die Analyse von Fehlern sowie der Systemgesundheit sind ebenfalls über die E-Tube-App möglich. Ein Dashboard als erweitertes Display gibt es über die App Shimano E-Tube Ride - allerdings ist selbst hier keine Akku-Anzeige in Prozent möglich.

Eine weitere Möglichkeit, Daten vom RS-Antrieb anzeigen zu lassen, ist die Garmin-App “Orbea RS Toolbox”. Damit lassen sich auf Garmin-Geräten mehr Informationen aus dem Steps-System herauskitzeln. Unter anderem auch eine Akku-Anzeige in Prozent. Leider kommt es bei der Installation dieser App häufig zu Problemen. Neben unseren eigenen Erfahrungen zeigen das diverse Bewertungen im App-Store von Garmin.

EMTB-Bewertung und Messwerte

  • max. Drehmoment: 56 Nm
  • Spitzenleistung: 339 W
  • Power: 5/6 Punkte
  • Durchzug hohe Kadenz: 4/6 Punkte
  • Fahrt um 25 km/h: 4,5/6 Punkte
  • Motor-Sound: 3,5/6 Punkte
  • Bedienelemente: 4,5/6 Punkte

Testfazit zum E-Bike-Motor Orbea EP8 RS (Shimano)

“Standfest, kräftig, reichweitenstark: Das RS-System von Orbea schließt die Lücke zwischen minimalistischen Light-Antrieben und der Power-Klasse. Insbesondere mit dem großen 540er-Akku ist das System reichweitenstark und ausdauernd - Zielgruppe und Einsatzbereich sind damit größer als bei den meisten anderen Light-Antrieben, vorausgesetzt der fest eingebaute Akku stört nicht. Nachteile: hohes Systemgewicht und Klappern in der Abfahrt. Mit dem Rise M (360 Wh) zeigt Orbea, dass man auch mit dem verhältnismäßig schweren System konkurrenzfähig leichte E-Bikes bauen kann.”
EMTB-Testleiter Florentin VesenbeckhFoto: Adrian Vesenbeckh
EMTB-Testleiter Florentin Vesenbeckh

Weitere Light-Antriebe im Test

Der Test des Orbea EP8 RS fand im Rahmen eines großen Vergleichs diverser leichter E-Bike-Motoren statt. Unseren Übersichtsartikel inkl. Vergleichswerten gibt´s hier.