Garantie und GewährleistungDiese Rechte haben Sie bei E-Bikes

Jörg Spaniol

 · 19.11.2022

Garantie und Gewährleistung: Diese Rechte haben Sie bei E-BikesFoto: Markus Greber

Garantie, Sachmängelhaftung, Kulanz… Wenn das teure E-Bike schlappmacht, geht es nicht nur um Ursachenforschung, sondern auch um Rechtskenntnis. Ein Report aus dem Spannungsfeld zwischen Biker, Händler und Hersteller.

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Reklamation: Gelassenheit oder schon Resignation beim Kunden?

Was ist eigentlich los mit der online-verbreiteten Empörungskultur, bei der sich aus kleinen Befindlichkeitsstörungen oft ein tosender Shitstorm entwickelt? In den E-Bike-Foren scheint sich jedenfalls eine gewisse Gelassenheit einzustellen: Ein User namens „Hinkel“ moniert mit verständlicherweise mieser Laune den wiederholten Ausfall von Motor und Steuereinheit eines teuren Rocky Mountain Altitude. Vier Monate ohne Bike, keine Lösung in Sicht, Sommer versaut. Noch vor ein paar Jahren hätte die empörte Gemeinde zum Sturm auf den Bike-Laden oder wenigstens zum Rechtsstreit getrommelt, doch heute dominiert Besonnenheit. Ein Teilnehmer rät unwidersprochen dazu, nach den erfolglosen Reparaturversuchen mit dem Händler über eine Wandlung, also die Rückgabe des Bikes zu sprechen – und zwar so lange wie möglich ohne Anwalt, um den Ball flachzuhalten. Das gute, alte „Wir armen Biker gegen die böse Bike-Industrie“ hat offenbar an Wucht verloren. Man erklärt sich gegenseitig den wichtigen Unterschied zwischen Sachmängelhaftung und Garantie, weist ohne Häme darauf hin, dass ein rasanter Ritzelverschleiß oft ein Anwenderfehler ist und wünscht sich viel Erfolg. Auch unser Aufruf, Erfahrungen mit der Abwicklung von Schadensfällen zu schildern, förderte nur wenig massiven Ärger zutage.

Wird die Reklamationsabwicklung professioneller?

Ist also alles gut? Nein, denn weiterhin geht bei einem anspruchsvollen Produkt wie einem E-MTB viel kaputt, und die Schadenssummen sind bei Rahmen, Motor und Akku schnell vierstellig. Doch ein Grund, der viele Streitfälle bei der Antriebstechnik klärt, bevor sie eskalieren, ist die Technik selbst: Aktuelle Steuergeräte speichern teils immens viele Daten, von der Temperatur beim Laden des Akkus bis zur abgerufenen Leistung und Tuning-Versuchen. Das entlarvt manchen vermeintlichen Reklamationsgrund als Anwenderfehler. Auf der anderen Seite hat auch der E-Bike-Boom dazu geführt, dass Händler und Hersteller die Regeln und Abläufe für Reklamationen zusehends professionalisieren.

Personalerweiterung für bessere Reklamationsabwicklung

In der Deutschlandzentrale von Specialized sind gerade die Fußböden abgeklebt, und es riecht nach frischer Wandfarbe. Specialized erweitert sein Büro gewaltig. Alleine die Zahl der Mitarbeiter für Rider Care wächst um 50 Prozent. Ulf Beckmann, als Mitglied der Geschäftsleitung auch hierfür verantwortlich, sieht gute Gründe für den Ausbau: „Mit einem E-Bike kauft man ein komplexes Fahrzeug“, sagt er. „Da gibt es Service-Intervalle, Software-Updates und ein Produkt, an dem man längst nicht mehr alles selbst machen kann. Der Bedarf an Interaktion mit dem Händler oder Hersteller ist also größer als früher. Und der Kunde erwartet auch immer kürzere Reaktionszeiten!“ Also hat die Marke nicht nur die Mannschaft vergrößert, sondern auch ihr Reklamationsgeschäft digitalisiert und in Formularen gebündelt, die der jeweilige Händler auszufüllen hat – denn der, und nicht der Hersteller, ist der Ansprechpartner unzufriedener Biker.

„Für die Abnutzung von Verschleißteilen muss der Verkäufer nicht aufkommen. Das kann zu Streit führen, da die Grenze zwischen Verschleiß und Sachmangel oft nicht leicht zu erkennen ist.“ - Verbraucherzentrale NRW

Für den Händler gilt: 2 Jahre Sachmängelhaftung

Vor allem die gesetzlich vorgeschriebene Sachmängelhaftung nimmt die Händler in die Pflicht. Kurz gefasst, muss der Händler laut Gesetz zwei Jahre dafür geradestehen, dass das Produkt die beworbenen Eigenschaften hat und beim Kauf einwandfrei war. Im ersten Jahr – bis 2022 war es nur das erste halbe Jahr – muss der Käufer nicht einmal beweisen, dass der Mangel schon im Laden vorlag. Natürlich sind üblicher Verschleiß und gewaltsame Beschädigung kein Reklamationsgrund, doch den bestimmungsgemäßen Gebrauch muss ein Bike mit allen seinen Komponenten aushalten, ohne durch Fehler bei der Konstruktion, den Werkstoffen oder der Erstmontage auszufallen. Tut es das nicht, muss der Händler nachbessern und nach mehreren Fehlschlägen möglicherweise sogar den Kaufpreis zurückzahlen. Auf den Käufer kann dann zwar ein „Nutzungsentgelt“ für die entsprechende Zeit zukommen, doch weder der Transport noch die Werkstattkosten dürfen an ihm hängen bleiben. Bei einem E-MTB kann so eine Rückholaktion per Spedition für den Händler empfindlich teuer werden.

„Für die Abnutzung von Verschleißteilen muss der Verkäufer nicht aufkommen. Das kann zu Streit führen, da die Grenze zwischen Verschleiß und Sachmangel oft nicht leicht zu erkennen ist.“ - Verbraucherzentrale NRWFoto: Hersteller
„Für die Abnutzung von Verschleißteilen muss der Verkäufer nicht aufkommen. Das kann zu Streit führen, da die Grenze zwischen Verschleiß und Sachmangel oft nicht leicht zu erkennen ist.“ - Verbraucherzentrale NRW

Als Verkäufer des Bikes ist der Shop-Betreiber gesetzlich der Ansprechpartner für Biker oder Bikerin und deren Wunsch, eine Sachmängelhaftung geltend zu machen. Doch gerade bei Komplett-Bikes ist der Shop wiederum auf den Support des Herstellers angewiesen. Michael Dodl, der Inhaber von Mikes Bikes in Füssen, hat zwar auch Kunden, die weit weg wohnen, doch bisher ist ihm eine aufwändige Fernabwicklung erspart geblieben: „Ich habe meine Marken auch danach ausgesucht, wie sie ihre Händler in solchen Fällen unterstützen“, sagt er. „Wenn ein weit entfernter Kunde eine Reklamation hat, beauftragt in meinem Fall der Hersteller damit einen Vertragshändler in der Nähe des Kunden, selbst wenn ich ihm das Bike verkauft hatte.“

Garantieversprechen: Freiwillige Leistung des Herstellers

Und dann gibt es da noch die Garantie. Bei der ist der Händler rechtlich außen vor: Sie ist dagegen ein freiwilliges Qualitätsversprechen des Herstellers. Er wirbt damit, um das Vertrauen in die Marke zu erhöhen. Sie betrifft normalerweise nicht das Fahrrad als Ganzes, sondern nur die Teile des jeweiligen Radherstellers, in der Regel also vor allem den Rahmen, manchmal auch Laufräder, Cockpit oder andere Anbauteile, wenn es sich dabei um Eigenmarken des Fahrradherstellers handelt. Garantien geben auch die meisten Motor- und Akku-Hersteller – mit wieder eigenen Bedingungen und Fristen. Manche Garantie klingt zunächst großartig, doch es lohnt, vor dem Kauf die Bedingungen zu lesen. Garantien, die Downhill-Fahrten ausschließen, extrem hohe und kostspielige Service-Intervalle in einer Vertragswerkstatt erfordern oder nicht länger als die gesetzliche Sachmängelhaftung dauern, sind wenig wert. Anders als bei Ansprüchen aus der Sachmängelhaftung bleiben bei Garantien die Kosten für die Werkstatt und möglicherweise für den Einbau nötiger Neuteile (bei Rahmen eines anderen Modelljahres wären das zum Beispiel Innenlager, Steuerlager oder Steckachsen) meistens am Kunden hängen.

Obwohl das Garantieversprechen eigentlich Sache des Herstellers ist, hat auch der Händler Stress damit: Für die Herstellergarantien ist er zwar nicht verantwortlich, muss in vielen Fälle jedoch die Abwicklung übernehmen.

92 % der Reklamationsfälle liefen schief

Ob Gewährleistung oder Garantie – viele Händler sind davon offensichtlich überfordert: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat zuletzt 2018 über alle Branchen hinweg 100 Reklamationsfälle ausgewertet, in denen Käufer mit defekten Produkten Hilfe suchten. In unglaublichen 92 Prozent der Fälle verstießen die Händler gegen geltendes Recht. Sie ließen Kunden abblitzen, erklärten sich für nicht zuständig, stellten falsche Behauptungen über die Rechtslage auf, forderten Bearbeitungsgebühren oder unterstellten eigenes Verschulden. Bösen Willen darf man den Händlern dabei pauschal nicht unterstellen – die Materie ist schlichtweg so kompliziert, dass viele Fälle auf Unwissen beruhen dürften.

Meist sind es Anwenderfehler durch den Kunden

Hört man sich bei Händlern und Herstellern um, besteht Unkenntnis allerdings auch auf Kundenseite. In der oberbayerischen Specialized-Zentrale leitet Rasmus Lang das Rider-Care-Team, das sich mit den konkreten Einzelfällen befasst. Seine Beobachtung: „Ein gewachsener Teil der Technikprobleme beim Kunden sind Anwenderfehler und keine Konstruktions- oder Herstellungsmängel. Gerade bei E-Bikes ist Verschleiß so ein Thema. Mancher unterschätzt die große Kraft der Motoren, die bei unsachgemäßem Schaltverhalten direkt auf die Komponenten einwirken. Dann ist das kleine Ritzel halt schnell hinüber – gerade bei leichtem Material. Das ist regelmäßig kein Fall für eine Sachmängelhaftung. Aber ich habe den Eindruck, das Schaltverhalten ändert sich allmählich, jedenfalls werden die Beschwerden über Kettenrisse oder verschlissene Ritzel weniger, bei gleicher Hardware.“

Auch die Dortmunder Radhändlerin Wiebke Landwehr hat auf unseren Aufruf zur Schilderung von Reklamationsproblemen reagiert: „Manchmal kommen Kunden schon mit der Einstellung in den Laden, Garantie, Gewährleistung oder Kulanz einfordern zu wollen – und das alles schnell und kostenlos“, seufzt sie. „Und dann sehe ich Ritzelpakete, bei denen die zwei kleinsten Ritzel (und nur die) total runter sind, weil ganz offensichtlich weder geölt noch sinnvoll geschaltet wurde. Oder ein abgerissenes Schaltwerk, das sich in die Speichen gewickelt hat, weil das Bike darauf lag, als es im Auto zur Rad-Tour gefahren wurde. Ein Schaltauge verbiegt eben, wenn 28 Kilo darauf liegen – und wir sollen das dann auf Garantie reparieren?“ Aber natürlich sieht auch Landwehr gelegentlich berechtigte Gründe für eine Reklamation. „Und wer respektvoll und freundlich auftritt“, sagt sie, „wird von uns auch so bedient. In den meisten Fällen richtet doch sogar der Hersteller das Anliegen. Warum sollten wir uns in diesen Fällen dagegen sperren? Wir wollen doch in erster Linie zufriedene Kunden!“

Foto: Markus Greber

Der Vergleich: Garantie vs. Sachmängelhaftung

1 Garantie

Eine Garantie ist ein freiwilliges Versprechen eines Herstellers. Typischerweise verspricht der Hersteller eines Bikes damit, dass von ihm hergestellte Teile des Bikes (meist ist es zumindest der Rahmen) frei von Verarbeitungsfehlern sind. Andere Teile sind meist nicht eingeschlossen. Eine Garantie ist nur sinnvoll, wenn sie über den Zeitraum der Sachmängelhaftung hinausreicht. Es empfiehlt sich, die Bestimmungen genau zu lesen. Häufige Fußangeln: eine Registrierung nach dem Kauf, regelmäßig dokumentierter Werkstatt-Service. Garantiert wird ein „gleichwertiger“, nicht aber der identische Rahmen. Kosten für nötige Austauschteile und die Montage gehen in der Regel extra. Eine „lebenslange“ Garantie bezieht sich meist auf eine übliche Produktlebensdauer.

2 Sachmängelhaftung

Der Händler muss zwei Jahre nach dem Kauf dafür geradestehen, dass das Produkt beim Kauf fehlerfrei war. Bei Produkten, die nach dem 1. Januar 2022 gekauft wurden, muss der Händler ein ganzes Jahr lang beweisen können, dass der Mangel nicht schon beim Kauf vorlag, zuvor galt dies nur sechs Monate. Weiterer Vorteil für den Kunden: Das Produkt muss nach der Reklamation so beschaffen sein, wie es ohne den Schaden wäre, also auch farblich und technisch identisch. Dem Käufer entstehen weder für den Transport noch für die Montage Kosten. Der Händler hat die Möglichkeit, mindestens zweimal durch Reparatur nachzubessern. Erst danach kann der Kunde vom Vertrag zurücktreten und sein Geld zurückverlangen.

Benjamin Heinemann, MountainbikerFoto: privat
Benjamin Heinemann, Mountainbiker

Die Kundensicht: Benjamin Heinemann, Mountainbiker

Benjamin Heinemann hat den Verlockungen des steuergünstigen Leasings nachgegeben und sich ein individuell aufgebautes E-MTB gegönnt. Die Marke kannte und schätzte er schon bei seinem Muskel-Bike. Doch das Pedelec kam mit einem Motorschaden ab Werk. „Das war ein Sound wie bei einer Kaffeemühle“, erinnert er sich. Heinemann reklamierte. Der Hersteller, ein Versandhändler, empfahl zunächst, den Motor zur Schadensfeststellung an die eigene Service-Abteilung einzuschicken – was im Do-it-yourself-Verfahren ziemlich sicher jede Garantie vernichtet hätte. Zum Glück bestätigte ein Shimano-Vertragshändler den Motorschaden, worauf Shimano die Ansprüche anerkannte und der E-Bike-Hersteller die Übernahme von Werkstattkosten bis 100 Euro zusagte. Heinemann streckte die Werkstattkosten vor – und mailte fast drei Monate lang höflich seinem Geld hinterher. „Ich bin selbst Dienstleister“, sagt er. „Wenn ich so agieren würde, hätte ich keine Kunden mehr. Wir reden doch hier nicht über 5000 Euro, sondern um klar zugesagte 100 Euro!“ Sein zweites Bike dieser Marke wird auch das letzte davon sein.

 Michael Dodl, Mikes Bikes, FüssenFoto: Jörg Spaniol
Michael Dodl, Mikes Bikes, Füssen

Die Händlersicht: Michael Dodl, Mikes Bikes, Füssen

Bei Mikes Bikes in Füssen ist die Kundschaft klar geländeorientiert, mit Blickrichtung bergab. Dodl verkauft mehrere eher hochpreisige Marken, entsprechend hoch sind auch die Service-Ansprüche der Kundschaft. Obwohl er die Marken auch aufgrund ihrer Unterstützung für ihn als Händler ausgewählt hat, muss er manchmal improvisieren: „Die Hersteller kriegen die Teile ja nicht mehr her. Vor allem Laufradsätze und Felgen sind ein Problem, aber auch Rahmen haben immense Lieferzeiten. Wenn da eine Reklamation kommt, kann ich nicht immer warten, bis die Berechtigung überprüft ist und irgendwann einmal Ersatz geliefert wird. Da kann beim Kunden ein ganzer Urlaub dranhängen, und ich will die Leute ja bei Laune halten. Also ist es schon vorgekommen, dass ich mein eigenes Material oder das meiner Frau herleihen musste. Das geht dann auf meine Kosten.“

Rasmus Lang, Specialized Rider CareFoto: Jörg Spaniol
Rasmus Lang, Specialized Rider Care

Die Herstellersicht: Rasmus Lang, Specialized Rider Care

In der Deutschlandzentrale von Specialized landen letztlich alle Reklamationen, die der Händler nicht der Einfachheit halber auf Kulanz abwickelt. Der Hersteller unterstützt seine Händler im Garantiefall mit den jeweiligen Austauschteilen und zahlt ihnen im Fall von Sachmängelhaftung auch Werkstattpauschalen für den Einbau. Fast immer läuft die Kommunikation zwischen Händler und Hersteller digital, defekte Teile werden selten verschickt. Im Fall der eingedrückten, gebrochenen Kettenstrebe auf dem Bildschirm von Rasmus Lang (Foto) hatte der Händler den Hersteller um Entscheidungshilfe gebeten. „Es gibt Fälle wie diesen“, sagt Lang, „wo schon der Händler zweifelt. Das soll ohne Crash passiert sein? Na ja, ich hätte da auch so meine Zweifel. Aber bevor ich da einen Sachverständigen einschalte oder der Kunde mit einer Klage kommt, nehme ich lieber Druck raus: Wir haben ihm ein Assisted-Replacement-Angebot gemacht, also einen neuen Rahmen zu vergünstigtem Preis. Das hat er angenommen, und der Fall war erledigt.“ In Zeiten des Pedelec-Booms ist das Serviceteam stark gefordert und muss schnell entscheiden. „Bestimmte Probleme können immer wieder auftauchen. Wenn der Kunde dem Händler den Schaden glaubhaft schildert, dröseln wir nicht jeden Einzelfall auf.“

Abo und Leasing: Technikärger vermeiden mit fremden Bikes

1 Abo

Wer ein hochwertiges E-MTB will, es aber nur eine gewisse Zeit beansprucht, kann es abonnieren. Das ist im Prinzip eine Langzeitmiete für mindestens ein Vierteljahr. Im nicht ganz günstigen Tarif sind eine Versicherung gegen Diebstahl, aber auch Reparaturen sowie der Austausch von Verschleißteilen inklusive. Service und Reparaturen erledigen Vertragswerkstätten vor Ort, nachdem der Schaden beim Vermieter gemeldet wurde. Nach Abo-Ende wird das E-Bike für die nächsten Mieter runderneuert. Bei Anbietern wie eBike Abo kosten hochwertige Fullys bis über 200 Euro pro Monat.

2 Leasing

Die zweite Möglichkeit, ein E-MTB zu verschleißen, ohne es zuvor gekauft zu haben, bieten Leasing-Modelle. Anders als die Bike-Miete sind Leasing-Modelle steuerlich begünstigt: Hat nämlich der Arbeitgeber einen Vertrag mit einer Leasing-Firma, werden die Raten vor der Steuer direkt vom Bruttogehalt abgezogen. Zusätzlich zur obligatorischen Diebstahlversicherung können Reparaturen und Verschleiß gegen Aufpreis mitversichert werden. Auch Mobilitätsgarantien sind buchbar. Die Auswahl der Bikes ist je nach Leasing-Firma etwas eingeschränkt. Den Service zum Leasing leistet der Händler, bei dem das Bike ausgesucht wurde.



Interview mit Dip.-Ing. Dirk Zedler, vereidigter Fahrrad- und E-Bike-Sachverständiger

„Ich wundere mich manchmal, wie Leute kommunizieren.“
Dip.-Ing. Dirk Zedler, Vereidigter Fahrrad- und E-Bike-Sachverständiger, Zedler-InstitutFoto: Oliver Hees
Dip.-Ing. Dirk Zedler, Vereidigter Fahrrad- und E-Bike-Sachverständiger, Zedler-Institut

EMTB: Der Rahmen des E-MTB hat einen Riss, der Motor knirscht wie eine Pfeffermühle, das Display bleibt dunkel. Was tun?

Dirk Zedler: Zuallererst sollten Sie sämtliche Unterlagen zum Kauf zusammensuchen und den Schaden sauber und mit Datum dokumentieren. Scharfe, richtig belichtete Fotos aus mehreren Perspektiven lassen sich mittlerweile mit fast jedem Handy machen. Einmal Totale, dann die Details. Weil das Handy die Aufnahmedaten automatisch speichert, ist so auch der Zeitpunkt dokumentiert. Das kann wichtig sein. Dann Kontakt zum Händler aufnehmen. Der – und nicht der Hersteller – ist zuständig.

Vermutlich will der Händler das defekte Teil behalten, schon, um seine Ansprüche an seinen Lieferanten zu untermauern. Soll ich mein Beweismittel wirklich aus der Hand geben?

Bei Körperschäden würde ich es nicht aus der Hand geben. Aber bei ganz normalen Sachmängeln, die schon dokumentiert sind, ist das der übliche Weg. Das Produkt ist ja auch noch Ihr Eigentum, das darf beim Händler nicht einfach verschwinden. Lassen Sie es sich quittieren.

Wie kann ich meine Chancen steigern, dass der Händler das E-Bike nachbessert oder den Kaufpreis erstattet?

Ich wundere mich manchmal, wie Leute kommunizieren. Im Geschäftsleben ist Seriosität gefragt, auch in der Radbranche. Da kann ich nicht mit einer Serie von schludrigen WhatsApp-Nachrichten und unbrauchbaren Fotos kommen und erwarten, dass ich ernstgenommen werde. Einfach miteinander zu reden und das dann protokollarisch gemeinsam festzuhalten, ist auch keine schlechte Idee.

Hilft es denn, sich gleich einen Anwalt zu nehmen?

Wir sollten mal die Kirche im Dorf lassen. Wer gleich maximal eskaliert, hat schnell ein neues Hobby an der Backe, das ihm selbst im Erfolgsfall meist mehr Zeit und Geld raubt, als bei dem Schaden wirklich zur Debatte steht. Ich musste schon mal als Sachverständiger quer durch die Republik zu einem Gerichtstermin anreisen, um persönlich zu bestätigen, dass das Problem, um das gestritten wurde, nicht aufgetreten wäre, wenn der Kläger die Kette geölt hätte. Das schriftliche Gutachten hat dem Kläger nicht ausgereicht. Der ganze Spaß hat ihn am Ende mehrere tausend Euro gekostet.

Garantie? Das bieten die 10 Lieblingsmarken der EMTB-Leser*

Fast immer gilt die Garantie nur für den registrierten Erstbesitzer. Manche Hersteller bieten für einen bei einem Unfall zerstörten Rahmen extrem preisreduzierten Ersatz an (Crash-Replacement). Eine „lebenslange“ Garantie bezieht sich übrigens nicht auf das Leben des Besitzers, sondern auf eine typische Produktlebensdauer. Sie ist kein lebenslanges Abo auf Top-Material. Lack, Komponenten und Akku/Motor sind durch etwaige Garantien vom jeweiligen Hersteller erfasst. Ansonsten greift nur die gesetzliche Sachmängelhaftung.

Die Garantieleistungen in der ÜbersichtFoto: EMTB Magazin
Die Garantieleistungen in der Übersicht

*Quelle: EMTB-Leserumfrage 2022, Kaufabsicht

Interview mit Rechtsanwalt Dr. Heidelbach: Problemfälle bei der Garantieabwicklung

Wo selbst kundige Konsumenten mit ihrem Wissen an ihre Grenzen stoßen, hilft der Anruf beim Experten. Wir haben den Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Michael Heidelbach von der Kanzlei Heussen zu Problemfällen in Sachen Gewährleistung und Garantie befragt.

EMTB: Was tun, wenn bei einem Gewährleistungsfall die Farbe nicht gefällt oder ein Austauschrahmen nicht zu den übrigen Anbauteilen passt?

Michael Heidelbach: Bei einer mangelhaften Kaufsache schuldet der Verkäufer Nacherfüllung. Er hat dann den Käufer so zu stellen, wie dieser ohne Mangel dastehen würde. Das heißt, er hat beispielsweise dem Käufer den gleichen Rahmen einzubauen, den er vorher ausgebaut hat. Dies gilt auch für die Farbe. Hat der Rahmen plötzlich eine andere Farbe, oder handelt es sich gar um einen anderen Rahmen, darf der Käufer erneut Nachbesserung vom Verkäufer fordern. Geht es dagegen um Garantie, formuliert der Garantiegeber die Bedingungen nach eigenem Gusto.

Wie ist die Rechtslage, wenn ich außerhalb der EU ein E-Bike einkaufe?

Wer in die EU liefert, muss sich den EU-Gewährleistungsrichtlinien unter werfen. Doch Vorsicht: Als Konsument kann ich die Gewährleistung zwar einfordern, sie durchzusetzen wird in der Praxis aber meist sehr schwer sein. Deswegen ist davon abzuraten, Waren von relevantem Wert im Nicht-EU-Ausland zu kaufen. Garantiebestimmungen bestimmt der Verkäufer oder Hersteller ohnehin selbst. Bietet er beispielsweise eine weltweite Garantie an, kann man diese im Land des Verkäufers oder Herstellers geltend machen. Aber auch das kann sich in der Praxis schwierig gestalten.

Geht beim Gebrauchtkauf die Gewährleistung auf den neuen Besitzer über?

Bei der gesetzlichen Sachmängelhaftung ist die Regelung einfach: Der gewerbliche Händler schließt mit dem privaten Käufer einen Vertrag – und nur mit diesem. Veräußert der erste Käufer die gekaufte Sache später weiter, gibt es einen neuen Vertrag zwischen dem ersten Käufer und dem neuen Käufer. Will der neue Käufer reklamieren, ist damit der private Verkäufer der richtige Ansprechpartner. Oft schließen private Verkäufer jedoch jegliche Gewährleistungsansprüche aus, und das dürfen sie auch. Der Gebrauchtkäufer kann dann keine Gewährleistungsansprüche mehr geltend machen.

Oft ist die Freude über das frisch gelieferte Bike nur von kurzer Dauer.Foto: Robert Niedring
Oft ist die Freude über das frisch gelieferte Bike nur von kurzer Dauer.

Verlängert sich die Garantiedauer oder der Zeitraum der Sachmängelhaftung, wenn sie in Anspruch genommen wurden? Hat also ein ausgetauschter E-MTB Rahmen wieder eine neu beginnende Garantiedauer?

Die Verjährungsfrist des Ablaufs der Garantiedauer bzw. des Zeitraumes der Sachmängelhaftung wird nur unterbrochen, wenn ein Sachmangel geltend gemacht und ausdrücklich oder durch Austausch anerkannt wird. Das gilt jedoch nicht für das gesamte Fahrrad , sondern lediglich für das mangelhafte und ersetzte Bauteil. So beginnt der Lauf der Verjährung für das Bauteil neu, wenn dieses ausgetauscht wird, nicht jedoch für den Rest des Bikes.

Angenommen, ein E-Bike versagt innerhalb der Gewährleistungsfrist so gründlich, dass ein mehrwöchiger Radurlaub ausfallen muss oder ich ein Leihrad für den Arbeitsweg brauche – kann ich dann finanzielle Ansprüche geltend machen?

Im Fall eines Sachmangels kann der Käufer den Ersatz vergeblicher Aufwendungen geltend machen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistungen gemacht hat, also theoretisch auch so etwas wie ein bereits bezahltes Flugticket, weil er darauf vertraut hat, dass ihm das Rad für den Urlaub zur Verfügung steht. Dafür gelten jedoch so viele Voraussetzungen, dass der Anspruch sicher nicht pauschal besteht. Hier ist nur im Einzelfall, gegebenenfalls mit anwaltlicher Hilfe, zu klären, ob und in welcher Höhe der Anspruch durchsetzbar ist.

Nach neuester Rechtslage muss der Händler im Gewährleistungsfall eine „sperrige Sache“ auf seine Kosten abholen lassen. Ein Pedelec dürfte ja so eine sperrige Sache sein. Gilt diese Übernahme des Transports nur für den Versandhandel oder auch für den stationären Einzelhandel?

Nein, das gilt nur für Fernabsatzgeschäfte, also für Gegenstände, die über das Telefon oder Internet erworben wurden. Im Gesetz steht sinngemäß: Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können. Der Wortlaut bezieht sich dabei explizit auf „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“, damit nicht auf den stationären Einzelhandel.

Rechtsanwalt Dr. Michael HeidelbachFoto: privat
Rechtsanwalt Dr. Michael Heidelbach

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