Keine Frage, der heißeste Trend der letzten zwei Jahre sind die Mager-Models unter den E-MTBs. Mittlerweile sind solche Light- oder Minimal-Assist-Bikes quer durch alle Kategorien zu finden: von Down-Country- über Trailbikes bis hinauf zu federwegsstrotzenden E-Enduros. Als Brandbeschleuniger für den Trend traten 2022 die beiden bayerischen Motorenhersteller TQ und Fazua auf. Der TQ HPR 50 ist so klein, leicht, leise und sanftmütig wie kein anderes E-MTB-Aggregat vor ihm. Der Fazua Ride 60 ebenfalls super kompakt und leise, aber mit einem Vortriebsdrang, der fast an klassische E-MTB-Motoren heranreicht.
Diese beiden Hightech-Antriebe stehen stellvertretend für die zwei Hauptströmungen im prosperierenden Light-Markt: auf der einen Seite magersüchtige Minimalisten, die sich immer mehr dem klassischen Mountainbike annähern. Auf der anderen Seite moderate Light-Bikes, die einen guten Kompromiss aus Gewicht, Vortrieb und Reichweite anstreben.
Die spektakulärsten Beispiele aus der Welt der Mager-Models finden sich freilich in den knapperen Federwegsregionen. Zum Beispiel beim Scott Lumen, das im Herbst 2022 vorgestellt wurde, und im brandneuen Rotwild R.X 275. Beide Bikes wiegen zwischen 15 und 16 Kilo und kombinieren den TQ HPR 50 mit kleinen Akkus und leichten Anbauteilen. Zielsetzung: In flachem Gelände sollen sich diese Bikes auch ohne Motorschub locker pedalieren lassen.
Im Enduro-Bereich allerdings sind andere Qualitäten gefragt: Fette Reifen und üppige Federwege erfordern mehr Motorunterstützung. Und mit der Motorleistung steigt auch der Energiehunger. Keine Wunder deshalb: Gewichtsrekorde findet man hier nicht. Und die Modellvielfalt hält sich auch noch in Grenzen: Bis 2021 gab es gerade mal das Specialized Kenevo SL und das Rotwild R.G 375. Letztes Jahr gesellten sich dann das Forestal Siryon und das Transalpes E1 Enduro hinzu, dieses Jahr das Simplon Rapcon. Doch schon das Light-Enduro von Transalpes war mit 150 mm am Heck Grenzgänger zur All-Mountain-Kategorie. Und genau dort tummeln sich auch für Enduro-Piloten einige spannende Alternativen: Denn, wer es nicht allein auf garstige Downhills abgesehen hat, findet hier bereits eine üppige Auswahl an Light-Bikes, die eine Menge Trail-Spaß versprechen.
Die zweite Alternative: Power-Enduros – fette Federwege, kräftige Motoren, große Akkus. Eine bessere Möglichkeit, Abfahrtskilometer zu sammeln, gibt es nicht – zumindest, wenn keine Gondel und kein Shuttle in der Nähe sind.
Uphill-Trail-Spaß und maximale Downhill-Performance: Beides zusammen kriegt man nicht in einem einzigen Bike unter. Jeder muss also für sich den optimalen Kompromiss finden. Meiner heißt: lieber ein leichtes, fahraktives Bike, auch wenn ich bergauf mehr malochen muss.
Das Handling von Light-E-Bikes macht Spaß, keine Frage. Doch mit mehr Motor-Power und Reichweite klassischer E-Enduros eröffnen sich ganz neue Dimensionen. Fiese Uphill-Challenges oder endlose Trail-Explorer sind mit den Mini-Antrieben kaum drin.
29 Zoll | Federweg 150/140 mm | Shimano EP8 RS / EP6 RS | 360 oder 540 Wh
Das Rise von Orbea ist in zweierlei Hinsicht besonders: Zum einen ist der Shimano-EP8-RS-Antrieb verhältnismäßig kräftig und der Akku mit bis zu 540 Wh (wahlweise 360) verhältnismäßig groß. So deckt das Bike einen breiten Einsatzbereich ab. Zum anderen ist es vergleichsweise günstig. Mit Alu-Rahmen bekommt man das Bike schon ab 5155 Euro. Dann allerdings mit schwererem EP6-RS-Motor und kleinem Akku. Charakter des Orbea Rise: eher spritzig-wendiges Trailbike denn rassiges Enduro. Fest verbauter Akku. Erstaunlich: Trotz schweren Antriebs brauchen sich die Spanier mit ihren Carbon-Modellen gewichtstechnisch nicht vor der Fazua- oder TQ-Konkurrenz verstecken! Das Top-Modell mit Trail-Ausstattung wiegt rund 18 Kilo.
29 Zoll | Federweg 150/140 mm | TQ HPR 50 | 360 Wh | ab 18,5 kg
Das Fuel EXe von Trek ist das Paradebeispiel für ein Light-Trailbike: poppig, direkt, spritzig – der Fokus liegt voll auf Trail-Spaß. Wer sportlich durch Anlieger und über Sprünge sausen möchte, ist hier an der richtigen Adresse. Mit definiertem Fahrwerk und tiefem Cockpit schneidet das Fuel EXe präzise über den Trail, wie ein japanisches Messer. Angeschoben wird das Bike vom leisen TQ-Motor. Mit dem natürlichen, dezenten Schub werden Biker glücklich, die sich mit plakativer E-Bike-Power nicht anfreunden wollen. Der 360-Wh-Akku kann nach unten aus dem geschlossenen Unterrohr entnommen werden. Mit einem Zweit-Akku kann man also auch extralange Trail-Tage gelassen angehen. Eine seltene Option im Segment der Light-E-Bikes.
>> Tests zum Trek Fuel EXe 9.8 XT und Trek Fuel EXe 9.9 XX1 AXS <<
Trail-Schneider: Spritzig, präzise und leise: Das Fuel EXe ist ein klasse Trailbike mit minimalistischem Antrieb. Top für sportliche Piloten.
29 Zoll | Federweg 170 mm | TQ HPR 50 | 360 Wh
Auch Simplon setzt auf den minimalistischen Antrieb von TQ: super leise, extrem geschmeidig, aber auch mit nur mäßigem Schub. Der Akku ist fest im Unterrohr verbaut, so muss man auf längeren Ausfahrten beherzt in die Pedale treten, um nicht allzu schnell mit leerem Akku dazustehen. Die moderne Geometrie und das fluffige Fahrwerk versprechen dafür ein exzellentes Fahrverhalten auf anspruchsvollen Enduro-Tracks. Und hier könnt Ihr, dank Motorschub, locker die eine oder andere Runde mehr einplanen. Wer kein E-Bike sucht, sondern ein erstklassiges Enduro, das einem eine Portion Extraschmalz in die Waden pumpt, der liegt bei diesem edlen Boliden aus Vorarlberg genau richtig. Optisch eines der schlankesten E-MTBs überhaupt. Gibt es wahlweise als 29er oder im Mullet-Setup mit kleinerem Hinterrad. Auch in einer AM-Variante mit 150 mm Federweg erhältlich. Für beide gilt: leider teuer!
Smoother Ride: Leise, natürlich und super potent: Das Rapcon TQ ist ein modernes Enduro mit top Fahrwerk und minimalistischer Unterstützung.
29 Zoll | Federweg 170 mm | Bafang/Forestal Neodrive | 360 Wh | 18,8 kg
Ihr sucht ein außergewöhnliches Bike, das nicht auf jedem zweiten Trail anzutreffen ist? Dann könnte die junge Marke Forestal aus Andorra passen. Das 29er-Enduro Forestal Siryon konnte uns im Test mit herausragendem Fahrwerk (170 mm, satt und dennoch poppig!) und gelungener Wohlfühl-Geo (spaßig und sicher zugleich!) überzeugen. Der kräftige Bafang-Antrieb ist allerdings recht laut und stromhungrig. Die 360er-Batterie steckt fest im Unterrohr. Edler Carbon-Rahmen mit fancy Riesen-Display auf dem Oberrohr – wer ein Forestal ordert, bekommt definitiv etwas Besonderes, muss dafür aber auch tief in die Tasche greifen.
Sonderling: Geometrie und Fahrwerk sind Everybody’s Darling – der Forestal-Antrieb zeigt aber Ecken und Kanten. Ein rauer Bursche!
29 Zoll | Federweg 160/140 mm | Fazua Ride 60 | 430 Wh
Mit dem gelungenen Ride 60 von Fazua steckt im Ghost Path Riot ein verhältnismäßig kräftiger Light-Antrieb, der trotzdem leicht und leise ist. Die 430er-Batterie ist fest im Unterrohr verbaut. Ghost kombiniert beim Full Party (9000 Euro, im Bild) Modell des Path Riot 160/140-Millimeter-Federweg mit einer rassigen Enduro-Geometrie und robusten Reifen mit Klebegummi. Ready to shreddy, könnte man sagen. Trotz nur 140 Millimetern Hub am Heck wartet hier ein echtes Enduro-Paket mit fetter Fox-38er an der Front, superflachem Lenkwinkel und langem Radstand. Für Ausflüge über ruppiges und anspruchsvolles Terrain ist die Full-Party-Ausführung des Ghost Path Riot damit bestens gerüstet. 19,8 Kilo, allerdings mit robusten Komponenten.
Moderne Power-E-Enduros machen nicht nur das Lift-Ticket überflüssig. Dank moderner Geometrie mit kurzen Kettenstreben gibt es auch bergab kein Halten mehr. Drei bewährte Kandidaten aus dem EMTB-Test.
29/27,5 Zoll | Federweg 170/167 mm | Shimano E7000 | 504 Wh
Gute E-Enduros sind oft teuer. Vitus, die Eigenmarke von fahrrad.de, macht da mit dem E-Sommet eine lobenswerte Ausnahme. Denn hier bekommt man schon für 4500 Euro einen richtig spaßigen Abfahrer. Die handliche Geometrie mit kurzen Kettenstreben und das gelungene Fahrwerk machen das Bike lebendig, das tiefe Tretlager und der hohe Stack bringen eine gute Kurvenlage und viel Sicherheit bergab. Gespart wird dagegen beim etwas älteren Motorsystem mit kleinem Akku. Wer das E-Bike bergauf vor allem als Shuttle nutzt, dem dürfte das egal sein.
29 Zoll | Federweg 190 mm | Bosch Performance CX Smart | 750 Wh
Mit seinem aus dem Vollen gefrästen Rahmen ist das Pole ein Hingucker. Noch besonderer sind aber die Fahreigenschaften des radikalen E-Enduros. Mit supersteilem Sitzwinkel, Bosch-Motor und Top-Hinterbau gehört es zu den kletterstärksten Bikes, die wir je getestet haben. Bergab lassen 190 Millimeter fein abgestimmter Federweg selbst große Drops wie kleine Hopser wirken und verwandeln fiese Downhill-Pisten in Flowtrails, ohne dass das Pole dabei je sperrig oder unhandlich wirkt. Kein ausgewiesener Spielkamerad, aber ein echtes Superbike.
29 Zoll | Federweg 170/166 mm | Shimano EP8 | 756 Wh
Volle Motorleistung soll es sein, ein großer Akku für ordentlich Reichweite und trotzdem noch ein leichtes und handliches Bike? Dann ist das Shuttle LT der amerikanischen Edel-Schmiede Pivot genau die richtige Wahl. Zugegeben: Der Preis ist leider eine echte Hürde. Dafür konnte das Pivot in unserem letzten Highend-Test den Testsieg abräumen. Das liegt nicht zuletzt am tollen DW-Link-Hinterbau, der mit massiven Reserven zur direkten Linie animiert und für ein definiertes und dennoch sehr komfortables Fahrgefühl sorgt. Auch das Handling ist mit kurzen Kettenstreben, leichten Laufrädern und gutem Gewicht richtig spaßig. Ohne Eingewöhnungszeit kann man sich mit dem Pivot in wilde Abfahrten stürzen und wird immer sicher aufgefangen. Nur in sehr steilen Uphills ist das Pivot nicht in seinem Element. Achtung: Das Bike fällt groß aus.
Edel-Enduro: Immer noch handlich, dabei aber maximal souverän geradeaus. Pivots Shuttle LT zeigt, was ein gutes Fullpower-E-Bike ausmacht.