Florentin Vesenbeckh
· 13.11.2022
E-MTBs zu bauen, die normalen Bikes zum Verwechseln ähnlich sind – das ist das erklärte Ziel vieler Hersteller. Trek und der Motorenhersteller TQ haben daran jahrelang im Verborgenen getüftelt. Bringt das Trek Fuel EXe mit dem brandneuen TQ HPR50 den Durchbruch?
Freundlich lächelnd schaut sich die Dame, die auf ihrem E-MTB an mir vorbeizieht, zu mir um. „Junger Mann, in Ihrem Alter bin ich auch noch ohne E gefahren“, sagt sie entschuldigend. Noch bevor ich antworten kann, düst sie im Turbo-Modus weiter den Berg rauf. Mein Blick wandert beschämt an der Sitzstrebe meines Trek Bikes nach unten und bleibt auf dem blauen TQ-Logo hängen. Ganz leise höre ich - neben dem Abrollgeräusch der Reifen auf Asphalt - den TQ HPR50 Motor säuseln. Den neuen Light-Motor aus Bayern, den Trek als erste Marke in seinem Fuel EXe verbaut und an dessen Entwicklung die Amerikaner beteiligt waren. Sind die beiden Partner dem großen Ziel der E-Bike-Branche näher gekommen, diesem magischen Dreiklang der Light-E-MTB-Kategorie?
Praxistest: Das Fuel EXe auf dem Trail
Voll vernetzt: Trek-Central-App
Modelle und Preise
Testergebnisse und Technische Daten Trek Fuel EXe 9.9 XX1 AXS
Leistungsbarometer: Durchschnittsgeschwindigkeiten im Vergleich
Interview TQ-Entwickler Toni Roßberger
Erstens soll es aussehen wie ein unmotorisiertes Mountainbike, zweitens soll es klingen wie ein unmotorisiertes Mountainbike und drittens sich auch anfühlen wie ein
unmotorisiertes Mountainbike. Punkt eins und zwei scheinen Trek und TQ schon mal mit Bravour erfüllt zu haben. Der Motor ist rekordverdächtig kompakt, von der Kettenblattseite überhaupt nicht und von links kaum zu sehen. Auch die Geräuschkulisse ist kaum auszumachen. In vielen Fahrsituationen, zum Beispiel auf Schotter, geht das Antriebssurren des Mini-Motors gänzlich in den Umgebungsgeräuschen unter. Einzig beim Beschleunigen vor Stufen oder technischen Passagen, wenn die Trittfrequenz kurzzeitig jenseits der 100 liegt, pfeift der Antrieb etwas lauter. Leider verspielt das Trek Fuel EXe die Flüsterkarte in der Abfahrt. Der Motor macht hier zwar keinen Mucks, denn konstruktionsbedingt bleibt das Getriebeklappern, das Bosch- und Shimano-Motoren eint, gänzlich aus. Trotzdem herrscht keine Ruhe. Die Züge und Kabel scheppern deutlich im Rahmen, und auch das Multi-Tool im Steuerrohr macht Geräusche. Unnötige Misstöne.
Zurück zum Dreiklang. Wie fühlt sich das Fuel EXe an? Der Schub des Motors ist sehr dezent und natürlich. Bei der gemäßigten Power ist das leichter umzusetzen als bei einem dicken E-Motor, klar. 50 Newtonmeter und 300 Watt gibt TQ als Maximalwerte an. Doch es ist nicht allein die zahme Kraft, die das geschmeidige Fahrverhalten ausmacht. Die Software-Abstimmung ist super gelungen, außerdem hilft dem Motor die eigene, patentierte HPR-Getriebetechnik. Das Einsetzen des Motors geschieht
nahezu ohne Leerweg und absolut unhörbar. Wo viele andere Antriebe mit einem deutlichen Klacken ihren Schub starten, setzt der TQ HPR50 direkt und geräuschlos ein. Das fühlt sich wertig und natürlich an. Der Motorschub ist nie aufdringlich und entkoppelt.
Und wie stark ist der Mini-Motor nun? Bei hoher Trittfrequenz ist der Schub ordentlich. Die Leistung landet hier in etwa mittig zwischen dem recht schwachen Specialized SL 1.1 und dem deutlich stärkeren EP8 RS von Orbea. Bei niedriger Trittfrequenz merkt man den Unterschied zu Power-Motoren am deutlichsten. In technischen Uphills und an Steilstufen hat man wenig Drehmomentreserven, und der Motor hievt den Fahrer bei niedriger Kadenz kaum über Kanten oder Schlüsselstellen hinweg. Auch das Anfahren im Steilgelände benötigt viel eigene Power aus den Beinen. In dieser Disziplin ist der Unterschied zum EP8 RS deutlich spürbar, der sich klar kraftvoller anfühlt. Insgesamt orientiert sich der Neuling eher im mittleren bis unteren Power-Bereich der neuen Light-Antriebe. Herausragend ist hingegen, neben dem natürlichen Fahrgefühl, auch das Ein- und Ausfaden beim Pendeln an der 25-km/h-Grenze. Hier kann man kaum wahrnehmen, ob der Motor nun schiebt oder nicht. Weder akustisch noch haptisch. Der nächste dicke Punkt auf der Natürlichkeitsskala. In Summe kommt das Tret- und Fahrgefühl mit dem HPR50 so tatsächlich sehr nahe ans klassische Biken heran. Und wie fährt das Fuel EXe bergab?
Auf dem Trailbike nimmt man auffällig sportlich Platz. Die Front ist niedrig, und der überbreite Lenker (820 mm!) spannt den Fahrer zusätzlich übers Bike. Mit einem etwas höheren Cockpit und schmaleren Lenker haben wir uns insgesamt wohler gefühlt. Der Sitzwinkel ist auf dem Papier supersteil, flacht in der Praxis mit wachsendem Sattelauszug aber deutlich ab. Langbeiner sitzen so etwas weiter hinten. Seine große Stärke spielt das Fuel EXe aber ohnehin aus, wenn der Biker aus dem Sattel geht und der Trail nach unten zeigt. Hier steht man zentral und gut ins Bike integriert. Der lange Reach gibt viel Bewegungsspielraum, und gemeinsam mit dem flachen Lenkwinkel vermittelt das Bike viel Fahrsicherheit. Dazu trägt auch das satte und schluckfreudige Fahrwerk bei, das sich auf Wurzelteppichen geradezu am Boden festsaugt. Der Hinterbau fühlt sich nach mehr als 140 Millimetern Federweg an, vermittelt dabei aber doch ein poppig-spritziges Fahrgefühl.
In Summe zeigt das Fuel EXe durchaus Charaktermerkmale eines Enduros. In ruppigem Gelände ist es deutlich potenter als die direkten Konkurrenten Orbea Rise oder Specialized Levo SL. Diese haben wiederum dem Trek ein noch agileres Fahrgefühl voraus. Doch auch der Neuling kann sich in Sachen Handling deutlich von klassischen E-MTBs absetzen. Das Fuel EXe fährt sich eine ganze Nummer leichtfüßiger als zum Beispiel das spritzige und leichte Rotwild R.X 735. Insgesamt schafft Trek mit seinem Light-Bike einen super Kompromiss aus satter Geländekompetenz und agiler Leichtigkeit. Wir würden das Bike aber eher Fahrern empfehlen, die ihren Fokus auf sportlichen Trail- bis Enduro-Einsatz legen. Für sie kann auch die Option, das Bike mit einer 160er-Gabel aufzumotzen, spannend werden. Dafür gibt es vom Hersteller offiziell die Freigabe. Gemäßigte Touren-Biker könnten sich ein neutraleres Fahrverhalten und unkompliziertere Klettereigenschaften wünschen. Denn in technischen Uphills muss das Bike sehr bewusst gesteuert werden, um auf Kurs zu bleiben.
Natürlich haben Trek und TQ auch an die smarte Vernetzung gedacht. Der HPR50 kann über die neue Trek-Central-App mit dem Smartphone kommunizieren. So lassen sich die drei U-Stufen in den Faktoren Unterstützung, maximale Leistung und Ansprechverhalten auf individuelle Vorlieben feintunen. Die Logik ist simpel, die Parameter sinnvoll gewählt. Außerdem können die Motordaten problemlos auf Drittgeräte, wie z. B. einen Garmin-Computer, gespiegelt werden.
Schauen wir zum Schluss noch auf die namensgebende Komponente der Light-Kategorie: das Gewicht. Mit 18,8 Kilo in Größe L (EMTB-Messwert, ohne Pedale) und mit Carbon-Teilen üppig bestückt, bleibt das Fuel EXe am Ende doch weit entfernt von einem neuen Rekordgewicht. In Anbetracht des superleichten Antriebssystems verwundert das ein wenig. Immerhin hat Trek einen Wechsel-Akku auf der Habenseite. Ein gewichtskritischer Luxus, den sich die leichteren Konkurrenten wie das Orbea Rise und Specializeds Levo SL nicht gönnen. A propos Specialized. In Sachen Preisgestaltung nahmen sich die beiden Branchenriesen in den letzten Jahren nicht viel. Mit dem Top-Modell des Fuel EXe für satte 14999 Euro toppt Trek das S-Works Levo SL sogar noch um 499 Euro. Los geht es bei Trek allerdings bereits für 6499 Euro mit dem Fuel EXe 9.5, immerhin schon mit hochwertigem Carbon-Chassis. In Größe M soll das Bike laut Trek unter 20 Kilo bleiben. Die Ausstattung mit Rockshox-35-Gabel ist für diesen Preis aber sehr mäßig.
PLUS: Rassige Trail-Geometrie; starkes Fahrwerk; leises Antriebsgeräusch; natürliches Fahrgefühl
MINUS: Züge klappern im Rahmen; Motor-Derating im Dauervolllastbetrieb; sehr teuer
“Super natürliches Fahrgefühl, dezente Optik und ein leises Antriebsgeräusch: Das Fuel EXe kommt dem Ideal eines unauffälligen Light-E-MTBs recht nahe. Schade, dass Trek den Sound-Vorteil mit klappernden Anbauteilen schmälert. Bergab ist das Fuel EXe ein rassiges Sportgerät mit Enduro-Qualitäten. Einen Gewichtsrekord stellt es nicht auf. Die dezente Power des HPR50 prädestiniert das Bike für sportlich-fitte Biker, die sich eine natürliche Unterstützung wünschen. Wer ein Shuttle für steile Anstiege sucht, könnte von der Kraft und Standfestigkeit des Motors enttäuscht werden.”
¹ Die Reichhöhe wurde bei standardisierten Messfahrten an einem Asphaltanstieg mit 12,2 Prozent Steigung ermittelt. Höchste Unterstützungsstufe, 150 Watt Tretleistung des Fahrers, Fahrergewicht inkl. Ausrüstung 89 kg. In Klammern die Höhenmeter im deutlich gedrosselten Notlauf-Modus. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bezieht sich auf die Fahrt bei voller Unterstützung.
² Ermittelt an den Prüfständen im EMTB-Testlabor, Gewicht ohne Pedale. Akku-Gewicht ggf. inkl. verschraubtem Cover.
³ Herstellerangabe
⁴ Stufentest, gemessen mit 36 Zentimeter erhöhtem Hinterrad.
Wie stark ist der neue TQ HPR50? Wir sind dem Neuling mit moderner Messtechnik auf den Leib gerückt und haben ihn mit seinen direkten Konkurrenten verglichen.
Um die Leistungswerte des HPR50 genauer einzuordnen, haben wir das Fuel EXe und drei Vergleichs-Bikes mit Einheitsbereifung und Messtechnik von Garmin bestückt. So haben wir verschiedene Testszenarien durchgespielt. Als Sparringspartner diente der SL1.1-Motor von Specialized (1,9 kg) und der EP8 RS (2,65 kg) von Orbea. Um die ermittelten Werte in den E-Bike-Kontext einzuordnen, haben wir einen Bosch Performance CX als Power-Referenz mitlaufen lassen.
Szenario eins: maximale Leistung. Die Kandidaten absolvieren einen kurzen Sprint an einem Anstieg mit rund 30 Höhenmetern. Der HPR50 ordnet sich hier ziemlich genau mittig zwischen dem leichten, aber lauten SL 1.1 und dem deutlich schwereren EP8 RS ein. In einer zweiten Messreihe haben wir eine geringere Trittfrequenz gewählt, um dem Drehmoment auf die Schliche zu kommen. Hier hat sich unser Eindruck aus der Praxis bestätigt: Der EP8 RS kann sich deutlicher vom HPR50 absetzen.
Szenario zwei spiegelt eine Dauerbelastung an steilen, langen Anstiegen wider. Das ist nicht die Kernkompetenz eines Light-Antriebs, doch zu einer ausgewogenen Leistungsbetrachtung gehört auch diese Disziplin. Alle Motoren mussten im fordernden Turbo-Modus antreten. Nach rund 15 Minuten setzte beim HPR50 spürbares Derating, also ein Herunterregeln der Leistung, ein. Am Ende des steilen 400-Höhenmeter-Anstieges (12,2 % im Schnitt) zeigte das Display im Fuel EXe nur noch maximal 155 bis 170 Watt an. Zu Beginn waren es 300 Watt. Die Außentemperatur lag zum Zeitpunkt des Tests bei 25 Grad. Die anderen Antriebe konnten ihre Maximalleistung über die gesamte Distanz weitestgehend konstant halten. Der Hauptgrund für das verhältnismäßig frühe Abregeln des TQ liegt in der geringen Fläche, die ihm zum Ableiten der Wärme zur Verfügung steht. Wer eher im mittleren Modus unterwegs ist und die Turbo-Stufe nur kurz zuschaltet, wird von diesem Manko nichts mitbekommen. Ein hohes Fahrergewicht, lange, steile Anstiege und Hitze verschärfen das Problem.
EMTB: Was unterscheidet den HPR50 technisch von der Konkurrenz?
Toni Roßberger: Was uns grundsätzlich von anderen Antriebskonzepten unterscheidet, ist eine sehr hohe Leistungs- und Drehmomentdichte. Wir können viel Power auf geringem Bauraum abbilden. Das gelingt in erster Linie durch unser besonderes Harmonic-Pinring-Getriebe. Bei anderen Mittelmotoren macht das Getriebe einen Großteil des Volumens, Gewichts und der Bauteile aus. Wir benötigen viel weniger Teile, und diese können zudem kleiner dimensioniert werden, weil bei der Kraftübertragung fast alle Zähne des Pinrings gleichzeitig greifen, bei klassischen Getrieben nur ein bis zwei Zähne. Zudem baut unser einzigartiger Kraftsensor wesentlich kleiner als klassische Drehmomentsensoren und kann trotzdem mehr Input vom Fahrer verarbeiten und auswerten.
Was wolltet Ihr mit dem kompakten Motor erreichen?
Einen Antrieb, den man beim Fahren kaum wahrnimmt, weil er so harmonisch anschiebt. Auch da hilft uns unser HPR-Getriebe, denn es ist im Gegensatz zu anderen praktisch spielfrei. Das ermöglicht eine direkte Kraftübertragung. Auch bei der Sensorik und den Freiläufen haben wir eigene Ansätze, die das Fahrgefühl geschmeidig machen.
Warum ist der Motor so angenehm leise?
Wir haben einen Teil unseres Potenzials, also unserer Leistungsdichte, in die Geräuschentwicklung investiert. Wir arbeiten mit einer relativ geringen Getriebeuntersetzung, zwei bis dreimal niedriger als andere Antriebe dieser Klasse. Das heißt, die Motordrehzahl liegt beim HPR50 deutlich unter der anderer Mittelmotoren. Das Geräusch sinkt mit niedrigerer Drehzahl quadratisch. Unser speziell darauf ausgelegter E-Motor dreht viel langsamer und ist dadurch deutlich leiser.
Unter Dauerlast hatten wir Probleme mit Derating.
Wir haben beim HPR50 natürliches Fahrgefühl priorisiert, nicht maximale Power. Dennoch ist die maximale Spitzenleistung von 300 Watt in den allermeisten Fällen uneingeschränkt abrufbar. Unter extremen Umständen kann es zu einem Derating kommen. Die Software reduziert die Leistung, weil ansonsten das Gehäuse zu heiß werden würde. Denn die Norm schreibt für berührbare Oberflächen einen Höchstwert vor. Das Derating hat keinen Einfluss auf die Lebensdauer des Motors. Im gängigen Einsatzgebiet des Fuel EXe, wo sich Uphills und Downhills abwechseln, kommt es in der Regel zu keinem merklichen Derating.