Christian Schleker
· 07.07.2022
Mit E-Bike Tuning unter 20 Kilo. Und bitte legal. Ein leichtes, voll Enduro-taugliches E-Bike. Funktional besser als vorher. Kann problematisch sein. Die Good News: Es lohnt sich! Zunächst unser Tuning-Bericht - weiter unten die 10 im Bild beschriebenen Tuning-Maßnahmen im Detail - und zuletzt gibt ein Experte Tipps zur rechtlichen Seite des Tunings.
„Du willst Dein Dauertestrad tunen? Das geht nicht, das ist verboten!“ Der Themenvorschlag für diese Story wurde in der Redaktionskonferenz schnell beerdigt. Leider hatte ich mein Ghost Hybride SL AMR X da schon auf Hungerkur gesetzt und diverse Teile ausgetauscht. Einfach so, weil ich das bei meinen Bikes immer mache. „Ach, steh’ ich jetzt mit einem Fuß im Knast, oder wie?“, wollte ich von den Kollegen wissen. Achselzucken. Darf ich als E-Biker wirklich nichts verändern, weil ein E-Bike vor dem Gesetz kein normales Fahrrad, sondern eine Maschine ist? Im Internet findet man viel Widersprüchliches, aber Experte Dirk Zedler, seines Zeichens vereidigter Sachverständiger für Elektrofahrräder und Diplom-Ingenieur, konnte mich schnell beruhigen: Als Endkunde darf ich auch mit meinem E-Bike Tuning im Großen und Ganzen vornehmen, wie ich will – Motor-Tuning natürlich ausgenommen (siehe dazu unser Interview weiter unten).
Also, weg mit dem Speck! Das Ziel meines E-Bike Tunings war klar: Unter 20 Kilo sollte mein Mountainbike am Ende wiegen und dabei besser sein als im Serienzustand. Das ist leichter gesagt als getan, denn allein durch Diät wird gerade ein E-Bike nicht automatisch besser. Zwar steigt theoretisch die Reichhöhe, und das Handling wird leichter, aber gerade am E-MTB müssen die Bauteile stabil sein, sonst hat man mehr Defekte und weniger Spaß auf der Tour. Trotzdem sollte die Schallmauer fallen. Bei den Umbauten wägte ich Kosten und Nutzen gegeneinander ab. Tuning ist teuer, deshalb muss jede Veränderung am Rad einen spürbaren Nutzen bringen. Besonders hoch ist der Nutzen, wenn die Maßnahme Gewicht einspart UND die Funktion verbessert.
Das Ghost Hybride SL AMR X S5.7+ LC war mit 21,4 Kilo in Größe M dank externem Akku schon relativ leicht, hatte aber einiges an Tuning-Potenzial bei der Ausstattung. Und die wurde im Laufe des Tuning-Marathons fast komplett ausgetauscht. Nur der Stahlfederdämpfer blieb nach einem kurzen Luftdämpfer- Intermezzo im Rahmen – mit dem leichteren Federbein wären zwar noch mal 300 Gramm weggeschmolzen, aber die geschmeidige Arbeitsweise des Cane Creek konnte ich damit nicht toppen. Sehr effektiv war dafür das Tuning an der Rockshox-Gabel: Für wenig Geld ließ ich die Yari-Kartusche bei der Firma Anyrace aufbohren. Und das im wortwörtlichen Sinn. Stefan Kecht drillt Ölkanäle in die Plastikdruckstufeneinheit, setzt Shims ein, wo vorher keine waren, und optimiert so den Reibwert der Buchsen – für unter hundert Euro macht er aus der etwas bockigen Yari eine richtig geschmeidige Forke.
Empfehlen kann ich E-Bikern mit Shimano-Motor auch den Umbau auf die elektronische Di2-Schaltung. „Ha!“, werden jetzt einige ausrufen, von dem Geld kaufen sich andere ein ganzes Bike! Die Wahrheit ist: Bei den aktuellen Straßenpreisen ist die Anschaffung überraschend erschwinglich, allerdings auch nur als 11fach-Antrieb zu bekommen. Da das Schaltwerk vom Haupt-Akku versorgt wird, benötigt man nur das Schaltwerk, den Schalthebel und die Schnittstelle am Lenker. Allerdings muss man den Motor beim Händler freischalten lassen, was wiederum nur mit einer schriftlichen Erlaubnis des Herstellers klappt – zeitaufwändig und nervig, aber machbar. Der Lohn: Die XT-Gruppe ist individuell auf den persönlichen Geschmack bei Schaltgeschwindigkeit und -richtung einstellbar und in ihrer Funktion absolut zuverlässig.
Ebenfalls machbar, aber ohne jede Garantie: der ultimative Bremsen-Hack, der seit Jahren durchs Internet geistert und auf den Namen „Shigura“ hört. Letztlich ist es die Fusion einer Magura MT5 und eines Shimano-Servo-Wave-Bremshebels, zum Beispiel von der SLX. Ich habe das erstmals vor fünf Jahren gemacht und war besorgt, ob mich diese Bastelei meine Gesundheit kostet. Heute kann ich versichern, dass das Arrangement funktioniert und eine wirklich tolle Kombination aus hoher Bremskraft und angenehmer Hebelergonomie darstellt. Die Kosten sind gering, die Gewichtsersparnis gleich null, aber der Funktionsgewinn ist aus meiner Sicht groß.
Fast so groß, wie beim Laufrad-Tuning. Ich wollte unbedingt den Eddy Current am Hinterrad verbauen. Das Schwalbe-Monster ist total pannenresistent und grip-stark, aber enorm schwer. In Kombination mit dem leichten Mavic-Laufradsatz und dem ebenfalls schlanken Magic Mary mit Snakeskin-Karkasse konnte ich letztlich Gewicht sparen UND das Pannenrisiko mindern. Zugegeben: Ein Fahrer jenseits der 80 Kilo braucht vorne was Stabileres, aber für mich ist diese Kombi aus leichten Laufrädern und den Schwalbe- Pneus das perfekte Setup.
FAZIT: Durch insgesamt 10 Veränderungen an Antrieb, Lenkzentrale, Sattelstütze und diversen Kleinteilen habe ich mein Ziel erreicht: 19,7 Kilo wiegt mein E-Bike heute und ist besser als davor! Nicht alle Maßnahmen sind wirklich notwendig, um die Funktion zu verbessern – Laufräder und Lenker gehören schon eher in die Kategorie Luxus-Tuning, sparen aber eben auch viel Gewicht. Und der Spaß an so hochwertigen Bauteilen macht für mich daher einen großen Teil des Hobbys aus.
Kosten: gering
Nutzen: mittel
Die EN-EW-100-Schnittstelle kostet nur knapp 70 Euro und wiegt 5,7 Gramm. Sie ersetzt das Display und kann, dank Mini-Knopf, auch ohne Fernbedienung genutzt werden. Dann ist das Umstellen der Motorfunktion während der Fahrt aber schwierig, und die Schiebefunktion fällt flach. Für Menschen, die meist nur einen Modus nutzen, eine cleane und leichte Option. Mit E-7000-Bedienhebel immer noch sauber und funktionaler (+21 Gramm).
Kosten: hoch
Nutzen: hoch
Wenn er passt, ist der Hixon IC 1.0 ein Super-Diätmittel! Er spart mehrere hundert Gramm und ist trotzdem sehr stabil. Im Labortest des BIKE-Magazins war er nicht kaputtzukriegen. Die Future-Optik ist Geschmackssache. Vorsicht: Wer Kröpfung und Neigung nicht mag, hat Pech gehabt. Verstellen kann man am Hixon nichts. Und ein Shimano-Display passt auch nicht dran, weil er nicht rund ist. Aber in Kombi mit der EN-EW 100 geht’s.
Kosten: hoch
Nutzen: mittel
Eine Stütze, die funktioniert, und ein Sattel, der passt? Dann muss man eigentlich nichts tunen. Aber Gewicht kann man hier ohne Funktionseinbußen sparen: Die Vecnum Nivo bietet eine 1a-Funktion, ist einfach zu servicen, leicht und made in Germany! Sie arbeitet zuverlässig, ist im Hub anpassbar und trotzdem leicht. Dazu passt mir der SLR-Sattel von Selle Italia wie ein Sofakissen, dabei wiegt er fast nix. Spart fast 300 Gramm im Vergleich zu den Serien-Parts.
Kosten: niedrig
Nutzen: hoch
Achtung! Das hier ist ein Bastel-Hack ohne Garantie, und wer Angst vor Garantieverlust hat, liest besser gar nicht weiter. Aber im Netz ist der Tipp Kult, drum habe ich ihn vor Jahren mal ausprobiert. Seitdem fahre ich diesen Hack am liebsten: Magura-Bremssattel mit Shimano-Servo-Wave-Hebel = beste Bremse der Welt! Tolle Ergonomie, knackiger Druckpunkt, enorme Kraft. Und günstig zu machen. Aber nur was für versierte Schrauber. Ansonsten: Besser Finger weg!
Kosten: mittel
Nutzen: mittel
Die Umrüstung auf Di2 ist aufwändig, denn der Motor muss vom Hersteller freigeschaltet werden. Ohne Shop oder einschicken läuft da nix. Aber dann: perfektes Schalten, individualisierbar und immer sauber. Auch Schaltgeschwindigkeit und -Richtung kann man an seine Vorlieben anpassen. Man benötigt beim E-Bike nur Schaltwerk und Hebel, der Umbau ist damit bezahlbar.
Kosten: hoch
Nutzen: hoch
Ein halbes Kilo weniger rotierende Masse merkt man beim Handling und auf der Waage deutlich. Viel wichtiger: Ich wollte einen stabilen, pannenresistenten Hinterreifen verbauen und trotzdem unter 20 Kilo kommen. Das ging nur mit einem sehr leichten und trotzdem stabilen Laufradsatz. Der Mavic XA Pro Carbon LRS erträgt mich seit einem Jahr ohne Klage. Sowas kostet natürlich viel Geld, ist aber in der hier vorgestellten Kombi empfehlenswert.
Kosten: gering
Nutzen: hoch
Das ist für mich eine ideale Kombi, denn der Magic Mary ist an der Front sehr leicht und grip-stark, hatte aber bei meinem Gewicht (70 Kilo) nie Platten. Der Eddy Current hinten ist schwer, aber unkaputtbar. Eine Enduro-taugliche Reifen-Kombi von Schwalbe auch für Gardasee-Geröll. Hier kann man natürlich noch Gewicht sparen, aber nur mit massiven Nachteilen in hartem Gelände. Für mich ein No-Go!
Kosten: gering
Nutzen: gering
Schnellspannsteckachsen funktionieren: schnell. Geschraubte Achsen: nicht. Aber die Wolftooth-Schraubachse für die Yari ist clean, leicht – und da ich keine Rennen fahre, habe ich Zeit, das Multi-Tool bei Bedarf rauszukramen. Die HR-Steckachse von Canyon hat sogar einen Hebel versteckt integriert und ist trotzdem leichter als das Original von DT. Auf die 120 Gramm insgesamt habe ich deshalb gerne verzichtet.
Kosten: gering
Nutzen: mittel
Das 34er-Wolftooth-Kettenblatt hält die Kette durch seine spezielle Zahnform seit Monaten bombenfest. Damit konnte die Kettenführung wegfallen. Kombiniert mit einer kleineren, superleichten Kassette (Sram XG 11–95 mit 10–42 Zähnen) purzeln so gleich ein paar hundert Gramm aus dem Antrieb. Für 90 % der Anstiege reicht diese Untersetzung, für mich auch im Eco-Modus. Wenn es extrem steil wird, schalte ich in den stärkeren Motormodus als Rettungsanker.
Kosten: gering
Nutzen: hoch
Der Geheimtipp! Für wenig Geld bohrt der Tuning-Spezialist Stefan Kecht von Anyrace die einfache Yari-Dämpfungskartusche auf (buchstäblich!), versieht sie mit einem individuellen Shimstack und macht so aus der Yari eine richtig gute Forke. Denn bei hohem Tempo neigt die Yari im Serientrimm zu sogenannten Compression Pikes, also zum Verhärten und damit zu Kontrollverlust. Dank Anyrace ist das passé.
Gewicht sparen ist teuer. 1-2 Euro pro Gramm kommen schnell zusammen. Aber es muss ja nicht gleich das komplette Tuning-Paket sein.
Summe: Gesamt macht das 1547 Gramm gespart für 3608 Euro.
In einem kurzen Interview mit Dirk Zedler, Fahrrad-Sachverständiger und Experte für E-Bike-Gesetzgebung, klären wir die wichtigsten Punkte: Was ist erlaubt? Was passiert im Schadensfall? Und: Darf ich auch am Motor tunen?
EMTB: Ist das Teile-Tuning am E-Bike für Endkunden verboten?
DIRK ZEDLER: Nein, der Endkunde kann mit seinem Bike machen, was er will! Vor dem Gesetz ist das E-Bike in den Händen des Endverbrauchers ein normales Fahrrad. ABER: Wenn etwas schiefgeht, hebt der Hersteller die Hände. Im Ergebnis kann es dazu kommen, dass der Endkunde für alle erdenklichen Schäden selbst aufkommen muss. Aber das ist beim Bike ohne Motor nicht anders.
Woher kommt dann der Mythos, man dürfe am E-Bike nichts verändern?
Das Pedelec ist laut Gesetz eine Maschine und braucht als Gesamtprodukt mit allen Anbauteilen ein CE-Zeichen, sonst darf es in Europa nicht verkauft werden. Beim E-Bike musst du als Hersteller vor dem Verkauf beweisen, dass alles sicher ist. Das kann von der Gewerbeaufsichtsbehörde spontan überprüft werden – wenn dann Veränderungen stattgefunden haben, droht das Verkaufsverbot. Deshalb sind Hersteller und Händler extrem vorsichtig.
Und das ändert sich, sobald es in meinen Besitz übergeht?
Es geht um die Bereitstellung am Markt – das betrifft alle Beteiligten in der Lieferkette. Deshalb darf auch der Händler nichts ändern, denn er bringt die Maschine in Umlauf. Das wäre dann wie Schecks fälschen.
Kann ich als Kunde denn frei nach Herzenslust alles tunen?
Motor-Tuning für mehr Speed ist natürlich verboten und strafbar. Bei sicherheitsrelevanten Bauteilen, zum Beispiel bei der Lenkzentrale, sollte man grundsätzlich keine Kompromisse eingehen, sondern immer nur aufeinander abgestimmte Lenker und Vorbauten eines Herstellers verbauen. Denn: Im falschen Vorbau kann der haltbarste Lenker früh brechen!
>> Unzufrieden mit der Akku-Performance bei langen, harten Steigungen? Wer mit dem E-Mountainbike stromsparend steile Berge bezwingen will, braucht eine kleinere Übersetzung: Übersetzung ändern am E-MTB: So gelingt der Umbau schnell und einfach
>> Welche Möglichkeiten sich Ihnen beim Licht am E-MTB bieten - von der Akku-Lampe bis zum Fernlicht-Fluter - erfahren Sie in unserem Artikel E-Bike Beleuchtung - Lightshow für die Trails und den Alltag.
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