Stefan Schlie
· 04.07.2022
Experte Stefan Schlie zeigt, wie man am E-MTB Cockpit, Sattel und Fahrwerk richtig einstellt – alles wichtige Stellschrauben, die Sie selbst vor der ersten Fahrt im Handumdrehen erledigt haben.
Bio-Biker holen sich ihren Fahrspaß in der Regel bergab, die Auffahrt ist eher Mittel zum Zweck. Dazu darf es auch gerne ein schnöder Forstweg sein, möglichst nicht zu steil. Dass das keine allzu großen Anforderungen ans Fahrwerk stellt, liegt auf der Hand. Anders beim E-Mountainbike: Hier beginnt die Gaudi schon bergauf. Immer mehr E-Biker suchen sich spannende, verspielte Trails für die Kletterpartie. Kein Wunder also, dass die Anforderungen an Cockpit, Sitzposition und Fahrwerk sehr komplex sind – sie müssen für den Geländeeinsatz bergauf wie bergab passen. Hinzu kommen individuelle Anforderungen: Körpergewicht, Arm- und Beinlänge, die Größe der Hände und natürlich der angepeilte Einsatzbereich spielen eine wichtige Rolle. Auf den folgenden Seiten gibt EMTB-Experte Stefan Schlie die wichtigsten Tipps für das passende Basis-Setup. Der Feinschliff erfolgt dann Schritt für Schritt in der Praxis.
Mit der richtigen Cockpit-Position und der passenden Einstellung der Bedienelemente fährt es sich wesentlich kraftsparender und kontrollierter.
Trotz ausgereifter Fahrtechnik und standfesten Bremsen kann eine lange Abfahrt ganz schön Kraft kosten. Deshalb ist es essenziell, die Bremshebel ergonomisch optimal zu positionieren. Von der Seite gesehen sollten die Handgelenke beim Bremsen nicht zu sehr abgewinkelt sein. Eine gedachte Gerade sollte man durch Unterarme, Lenker und Bremshebel ziehen können. Die exakte Position ist letztendlich aber auch eine Geschmackssache. Wer die Bremshebel zu steil nach unten montiert (Bild 1), wird vor allem in steilen Abfahrten Probleme bekommen. Anfänger montieren die Hebel oft zu flach (Bild 2).
Auch die Position nach innen oder außen ist für die Kontrolle entscheidend. Grundsätzlich bremst man beim Mountainbiken nur mit dem Zeigefinger. So haben die übrigen Finger den Lenker umso sicherer im Griff. Rutschen Sie die Bremse also so weit nach innen, dass der Zeigefinger am äußersten Ende des Hebels aufliegt. So hat man beim Verzögern die günstigsten Hebelverhältnisse, spart Kraft und hat den Lenker fest im Griff.
Jeder Lenker hat eine mehr oder weniger starke Biegung, wie der Blick von oben aufs Cockpit zeigt. Durch Verdrehen des Lenkers im Vorbau lassen sich die Lenkerenden nach unten oder nach oben bewegen. Ein Standardrezept gibt es nicht, nicht zuletzt, weil die Ausrichtung auch von Lenkerbreite, Sitzposition und Armlänge abhängt. Jeder muss durch Ausprobieren herausfinden, welche Lenkerposition die beste Kontrolle bietet und ergonomisch bequem ist.
Bei den meisten modernen Bremsen lässt sich die Griffweite einstellen, oft sogar mit einem kleinen Rändelrad, also ohne zusätzliches Werkzeug (Bild 3). Je nach Größe der Hände bzw. Länge der Finger und Druckpunkt kann man den Hebel näher oder weiter weg vom Lenker justieren. Auch diese Einstellung ist ein Stück weit Geschmackssache. Manche Fahrer mögen es, wenn sie den Bremshebel fast bis zum Lenker ziehen können. Für eine gute Standardeinstellung sollte man den Hebel mit dem äußersten Glied des Zeigefingers gut fassen können (Bild 4). Gleichzeitig sollte man sich bei gezogener Bremse nicht die Finger einklemmen (Bild 5). Tipp: Ziehen Sie die Schrauben, die die Bremse am Lenker klemmen, nur so fest an, dass sich die Bremse noch mit etwas Kraftaufwand verdrehen lässt. Im Falle eines Sturzes verdreht sich dann nur der Hebel, anstatt abzubrechen.
Der Schalter für die Motorunterstützung sollte möglichst weit außen positioniert sein, damit man beim Bedienen nicht die Handposition verlassen muss. Meist konkurriert der Schalter mit dem Remote-Hebel für die Vario-Stütze. Hier muss man entscheiden, welchen man innen, also in der Pole Position, montiert. Trail-Techniker, die die Sattelhöhe häufig verstellen, sollten hier ihre Priorität setzen.
Bei vielen Systemen sind Schalt- und Bremshebel eine Einheit. Die Schalteinheit kann man aber mittels einer Schraube nach innen oder außen verschieben. Der Tipp ist auch hier, den Schalthebel möglichst weit außen zu positionieren, um die Hand beim Schalten im Gelände nicht versetzen zu müssen.
Meist lässt sich die Cockpit-Höhe mittels Distanzringen (Spacer) um einige Zentimeter variieren. Ein höheres Cockpit bedeutet eine etwas aufrechtere Sitzposition (Bild 6). Mit einem tieferen Cockpit bringt man dagegen mehr Druck aufs Vorderrad (Bild 7). Sportliche Fahrer montieren den Lenker lieber etwas tiefer und bekommen damit eine bessere Kontrolle.
Keine Angst vorm Schrauben – die Spacer lassen sich recht einfach tauschen, allerdings muss danach der Steuersatz neu eingestellt werden. Schrauben Sie zunächst die Vorbaukappe ab.
Dann lösen Sie die zwei Klemmschrauben am Vorbau. Jetzt können Sie den Vorbau vom Gabelschaft abziehen und die Spacer tauschen. Stellen Sie bei der Montage das Lagerspiel ein, indem Sie die Vorbaukappe entsprechend festziehen – gerade so viel, dass das Steuersatzlager nicht ruckelt, sich die Gabel aber noch frei drehen lässt.
Ziehen Sie dann die Vorbauschrauben an (Drehmoment beachten!). Testen Sie nun noch mal das Lagerspiel: Fassen Sie mit der einen Hand an den Steuersatz, mit der anderen Hand ziehen Sie den Bremshebel. Wackeln Sie das E-MTB nun hin und her. Der Steuersatz sollte spielfrei laufen.
Stellung und Position des Sattels verändern die gesamte E-Bike-Geometrie. Mit einem perfekt eingestellten Sattel fahren Sie im technischen Uphill um Klassen besser. Und auch die absenkbare Sattelstütze will richtig positioniert sein.
Am effizientesten tritt man, wenn die Beine in der unteren Pedalposition fast durchgestreckt sind. Wenn die Ferse auf dem Pedal sitzt und das Bein durchgestreckt ist, dann passt die Sattelhöhe im Normalfall. Bevor Sie die maximale Sitzposition einstellen, stellen Sie die Vario-Stütze auf maximale Auszugshöhe ein.
Für eine gute Uphill-Sitzposition senkt man die Sattelnase am besten ein bis zwei Zentimeter ab. So rutscht man in steilen Passagen nicht so leicht nach hinten ab, man hat einen festen Sitz, und das Popometer funktioniert besser. Ausnahme sind spezielle E-MTB-Sättel. Diese verhindern allein durch ihre Form das Abrutschen nach hinten.
Je weiter man vorne sitzt, desto besser wird die Steigfähigkeit des E-Mountainbikes. Zu viel ist allerdings auch nicht gut: Eine zu frontlastige Sitzposition kann auf die Kniegelenke gehen. Am besten, Sie tasten sich an die für Sie perfekte Sitzposition heran. Das Gestell des Sattels bietet mehrere Zentimeter horizontalen Spielraum. Einfach Schraube(n) lösen und Sattel vor oder zurück verschieben.
Der richtige Luftdruck im Reifen hat enorme Auswirkungen auf Komfort, Traktion und Fahrsicherheit. So wenig wie möglich, so viel wie nötig – nach diesem Motto sollte man pumpen. Denn je geringer der Luftdruck, desto besser kann sich das Gummi mit dem Untergrund verzahnen. Wie viel Druck notwendig ist, hängt von Körpergewicht, Fahrweise, Terrain und Reifenmodell ab. Je voluminöser und schwerer der Reifen, desto weniger Reifendruck ist möglich. Ganz grob liegt die Bandbreite bei modernen Reifen zwischen 1,6 und 2 Bar. Vorne fährt man in der Regel 0,1 bis 0,2 Bar weniger als hinten.
Die Einstellmöglichkeiten moderner E-MTB-Fahrwerke gleichen denen eines Rallye-Autos. Federung, Dämpfung, Plattform, Druck- und Zugstufe wollen korrekt justiert werden. Mit den folgenden Grundeinstellungen holen Sie schon mal einen Großteil der Leistung aus Ihrer Federung.
Der Federweg des Hinterbaus und der Gabel ist meist bekannt, doch zum Messen des Negativ-Federwegs ist es wichtig, den genauen, maximalen Hub an Dämpfer und Gabel zu kennen. Hier hilft nur: Luft ablassen und Hinterbau / Gabel komprimieren. Der Gummiring an Dämpfer / Gabel zeigt dann den maximalen Hub an. Tipp Kabelbinder-Methode: An manchen Federelementen fehlt der Gummiring. Behelfen Sie sich hier mit einem Kabelbinder.
SAG (Negativ-Federweg) einstellen
Wie weit taucht das Fahrwerk allein durch das Fahrergewicht ein – dieser sogenannte Negativ-Federweg (SAG) ist die wichtigste Kenngröße bei der Fahrwerksabstimmung. Er sollte je nach Einsatzbereich etwa 20 bis 30 Prozent des maximalen Federwegs ausmachen. Und so geht’s: Schieben Sie den Gummiring am Dämpferkolben bis zum Anschlag (Bild 12).
Steigen Sie jetzt vorsichtig aufs Bike. Lehnen Sie sich dabei an eine Wand oder einen Baum (Bild 13).
Alternativ kann eine zweite Person stützen. Wippen Sie leicht, um die Federelemente zu aktivieren. Steigen Sie jetzt vorsichtig ab. Jetzt können Sie den "verbrauchten" Federweg messen (Bild 14) und wissen, wie viel der Anteil des SAGs vom Maximalfederweg beträgt.
Pumpen Sie jetzt mit der Dämpferpumpe entsprechend nach oder lassen Sie Luft ab, damit der Dämpfer optimal seine Arbeit verrichten kann: nicht zu hart - nicht zu nachgiebig.
Durch das Aufsteigen hat sich auch der Gummiring an der Federgabel bewegt und zeigt den SAG-Wert an. Verfahren Sie jetzt genauso bei der Federgabel: Zeigt der Ring mehr als 30 % genutzten Federwegs an, muss mehr Druck in die Gabel - weniger als 20 % deuten auf zu viel Druck hin. In diesem Fall auch über die Dämpferpumpe Luft ablassen.
Für die Dämpfung am E-Bike gilt ebenso: So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Die Dämpfung ist dann richtig eingestellt, wenn die Räder den Bodenunebenheiten immer exakt folgen. Ist die Dämpfung zu stark, dann federt das Bike immer weiter ein und kann bei kurzen Schlägen nicht schnell genug ausfedern. Ist sie zu schwach, dann wird das Bike unruhig und fängt an zu springen.
Bei modernen Bikes lässt sich die Zugstufendämpfung (Ausfedergeschwindigkeit) einstellen. Meist ist das ein rotes Verstellrad an Dämpfer und Federgabel. Hase- und Schildkröte-Symbol zeigen bei manchen Herstellern an, in welche Richtung die Feder schneller ausschlägt.
Drücken Sie für die Grundeinstellung die Gabel / den Dämpfer möglichst tief in den Federweg, und lassen Sie dann abrupt los. Wenn die Räder vom Boden abheben, ist die Ausfedergeschwindigkeit zu schnell. Drehen Sie Umdrehung für Umdrehung an der Dämpfungsschraube, bis die Räder gerade eben am Boden bleiben. Alles Weitere können Sie nur – im Wortsinn – erfahren. Suchen Sie sich einen Testparcours mit wenigen, aber definierten Hindernissen – zum Beispiel eine Bordsteinkante. Tasten Sie sich so an die richtige Dämpfereinstellung heran.
>> Eine ausführliche und detaillierte Anleitung zum Einstellen eines MTB-Fahrwerks finden Sie hier. Außerdem gibt's die Anleitung mit wertvollen Tipps und Tricks auch als Video.
>> Welche Möglichkeiten sich Ihnen beim Licht am E-MTB bieten - von der Akku-Lampe bis zum Fernlicht-Fluter - erfahren Sie in unserem Artikel E-Bike Beleuchtung - Lightshow für die Trails und den Alltag.
>> Eine simple Weise, wie Sie Ihr E-Mountainbike geländegängiger machen können, ist die Veränderung der Kurbellänge. Im Artikel Kurze E-Bike Kurbel: Tuning für’s Gelände erklären wir den Umbau und dessen Wirkung.