Sebastian Brust
· 18.02.2022
Sie wundern sich über eine schwankende Wirkung oder einem hohen Verschleiß Ihrer MTB-Scheibenbremse? Häufig ist die Ursache einfach und leicht zu beheben: mit dem richtigem Einbremsen der Bremsbeläge.
Wer sich bei seiner MTB-Scheibenbremse mit organischen Bremsbelägen über plötzlichen Totalausfall (Fading) wundert, hat vermutlich mit dem Phänomen des Ausgasens zu tun. Nicht ausgehärtete Bindemittel in organischen Belägen gasen bei Temperaturen um etwa 200 Grad aus. Die Bremswirkung fällt dann trotz steigender Bedienkräfte deutlich ab, begleitet von einem beißenden Geruch.
Was wie eine Überhitzung durch Überlastung wirkt, gehört jedoch zum Einbremsprozess der Bremsbeläge einer hydraulischen Scheibenbremse am Bike. Erst nach dem Ausgasen ist der Belag endgültig ausgehärtet, wird temperaturresistent und verschleißfest. Der nicht eingebremste, "weiche” Belag kann dagegen innerhalb weniger Abfahrtskilometer komplett verschleißen. Um übermäßigem Verschleiß und dem plötzlich einsetzenden, sogenannten Initial-Fading vorzubeugen, muss man neue Bremsbeläge – und übrigens auch neue Scheiben – richtig einbremsen. Wir zeigen mit drei detaillierten Tipps, wie das geht:
Im Fertigungsprozess lässt sich das Ausgasen organischer Beläge auch durch das starke Erhitzen der Beläge produzieren. Der Bearbeitungsschritt heißt „Flämmen” oder „Scorchen“. Dabei werden die Beläge der Scheibenbremse über mehrere Minuten hohen Temperaturen (400 °C) ausgesetzt. Nur wenige Hersteller geben an, dass ihre Scheibenbrems-Beläge so vorbehandelt werden, zum Beispiel BBB und einige Modelle von Brake Force One.
Beläge und Bremsscheiben müssen zunächst eingeschliffen werden. Das ist wichtig, damit die mikroskopisch kleinen Unebenheiten der jeweiligen Oberflächen ausgeglichen werden. Ansonsten reiben nur die Spitzen dieses Mini-Gebirges aufeinander, was zu extrem hoher lokal begrenzter Hitzeentwicklung führt. Die Folge: Beläge werden thermisch überlastet und können verglasen (insbesondere Sintermetall-Beläge), Scheiben können verziehen. Lassen Sie also zuerst die MTB-Scheibenbremse bei langsamer Fahrt oder geringem Gefälle zwei- bis dreihundert Meter leicht schleifen.
Den Einbremsprozess geben die Hersteller meist so oder so ähnlich an: mindestens 30 moderate Bremsungen aus mittlerer Geschwindigkeit (ca. 30 km/h) fast bis zum Stillstand. Fast bis zum Stillstand deshalb, damit sich keine Bremsbelaganhäufungen auf der Reibfläche bilden, die später ungewünschte Vibationen (Ursache für Geräusche) hervorrufen können. Man sollte während dieses Schrittes eine Zunahme der Bremswirkung spüren. Erhöht sich die Bremspower der Scheibenbremse nicht mehr merklich, ist die sogenannte Reibschicht ausgebildet und dieser Schritt angeschlossen. Die meisten Biker halten ihre Bremse jetzt für eingebremst. Es fehlt aber noch ein wichtiger Schritt.
Zum Abschluss des Einbremsens von Scheibenbremsen am Mountainbike sollte man – bei organischen Belägen – das Ausgasen provozieren. Dazu auf einer langen, steilen Abfahrt die Bremse (einzeln!) so lange schleifen lassen (also: richtig heiß bremsen), bis das Initial-Fading beginnt, die Bremswirkung also deutlich nachlässt. Ganz Hartgesottene bleiben jetzt sogar so lange auf der MTB-Bremse, bis die Verzögerungswirkung wieder zurück kommt. Erst dann ist der Belag optimal eingebremst, verschleißfest und standfest. Sinter-metallische Bremsbeläge und auch die meisten sogenannten semi-metallischen Belagmischungen bei Scheibenbremsen benötigen diesen Schritt in der Regel nicht zum Ausgasen, da sie keine oder nur sehr geringe Anteile flüchtiger Lösemittel enthalten. Allerdings müssen auch sie hohen Temperaturen ausgesetzt werden, damit sich die nötige Reibschicht ausbilden kann.