Max Fuchs
· 26.05.2023
Traum-Bikes folgen nur selten rationalen Mustern - egal ob exzessiver Leichtbau, außergewöhnliches Rahmendesign oder fortschrittliche Technologien. Bei den Wunsch-Bikes unserer Leser ist das nicht anders. Wir haben die begehrtesten Modelle der BIKE-Community gesammelt und zum Test gebeten.
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Handtaschen mit Preisen im vierstelligen Bereich, Fernbedienungen aus 18-karätigem Roségold oder eine Badewanne aus einem riesigen Bergkristall – dass solche Produkte existieren, klingt absurd. Dass sie aber auch gekauft werden, zeigt vor allem eins: Das Konsumverhalten unserer Gesellschaft ist längst nicht mehr vernunftgesteuert. Auch nicht das unserer Leser. Dieser Test ist der eindeutige Beweis dafür.
Die Zusammenstellung der Testbikes erfolgte nämlich nicht nach unserem üblichen Auswahlverfahren, das sich in der Regel an Kategorien oder Preisbereichen orientiert. Genauer gesagt, entstand die Zusammensetzung gänzlich ohne unser Zutun – mit Ausnahme einer Umfrage in einer der letzten Ausgaben und auf unseren Online-Kanälen. Dieses Mal durften Sie bestimmen, welche Modelle wir zum Test bestellen. Federweg, Einsatzbereich, Laufradgröße. All das spielte dabei keine Rolle. Auch nicht der Preis. Heraus kam eine Testgruppe so vielfältig und exklusiv wie schon lange nicht mehr.
Die zwölf Traum-Bikes decken die gesamte Federwegsspanne von 120 bis 190 Millimeter ab. Die Rahmenkonstruktionen reichen vom ungefederten Diamantrahmen über handlaminierte Carbon-Fullys bis hin zum CNC-gefrästen Aluminium-Bike. Bei den Produktionsstätten sind neben den Klassikern in Fernost auch Finnland, Deutschland und Großbritannien vertreten. Aber noch mal zurück zum Thema Vernunft und Konsumverhalten: Denn im Schnitt kosten die Traum-Bikes unserer Leser stolze 7500 Euro. Der teuerste Kandidat – das Last Tarvo – schlägt sogar mit sagenhaften 12922 Euro zu Buche. So viel nimmt Otto Normalverbraucher meist nicht einmal beim Gebrauchtwagenkauf in die Hand. Umso mehr drängt sich die Frage auf: Was ist so faszinierend an diesen Traum-Bikes, dass Biker bereit sind, derart hohe Summen für einen Gebrauchsgegenstand auszugeben?
Überfliegt man die sechs Bikes in unserem Test, wird schnell klar: Wer so viel Geld für ein Mountainbike ausgibt, interessiert sich meist nicht für Massenware. Daher verwundert es kaum, dass mit Raaw, Last, Pole und Deviate vier der sechs Marken unter die Kategorie der „Boutique-Hersteller“ fallen. Auffällig nachhaltige oder besonders aufwändige Fertigungsmethoden ermöglichen oft nur limitierte Stückzahlen sowie überschaubare Modellpaletten. Das garantiert Exklusivität.
Last zum Beispiel backt sein Enduro Tarvo im Autoklaven des Leichtbau-Spezialisten Bike Ahead Composites in Würzburg – DIE Adresse für hochwertige Carbon- Produktionen. Dass dabei der leichteste Enduro-Rahmen der Welt entsteht, ist für viele Biker schon Grund genug, das Konto zu räumen. Für Andere steckt das Alleinstellungsmerkmal der Dortmunder im Qualitätssiegel “Made in Germany”.
Auch die Finnen von Pole Bicycle fallen in mehrerlei Hinsicht aus der Norm. Einerseits durch die außergewöhnlichen Geometrien ihrer Enduro- Bikes. Andererseits durch die CNC-gefrästen Alu-Rahmen. Obendrein entstehen die Edel-Chassis ebenfalls in einer hauseigenen Fertigung. Dass nachhaltige Bikes aber nicht nur lokalen Produktionsstätten entspringen, beweist die junge Firma Raaw. Die Allgäuer lassen ihre Rahmen zwar in Taiwan schweißen, verbessern die CO2-Bilanz ihrer Produkte aber durch vorbildliche Haltbarkeit. Dass man bei der schottischen Marke Deviate – zu Deutsch „abweichen“ – ebenfalls keine Massenware bekommt, verrät bereits der Name. Durch die konsequente Umsetzung sogenannter High-Pivot-Hinterbauten erfreut sich die Marke aus den Highlands besonders bei Enduro-Racern immer größerer Beliebtheit. Neben den exklusiven Boutique-Marken stehen aber auch Entwicklungen prestigeträchtigerer Marken auf dem Wunschzettel vieler Biker. So ist auch Trek, quasi der Mercedes unter den Mountainbikes, mit seinem Down-Country-Modell Top Fuel im Test vertreten. Das Merida One-Forty 10k verkörpert dagegen eher den Volkswagen in dieser Testgruppe – dafür natürlich mit allem, was die Sonderausstattungsliste so hergibt.
Dass wir es in diesem Test fast ausschließlich mit Exoten zu tun haben, verrät auch ein Blick auf die Geometrie-Daten. Ein Lenkwinkel von weniger als 64 Grad wie beim Pole ist selbst für Enduro-Verhältnisse eine Seltenheit. Noch auffälliger sind aber die Sitzwinkel der einzelnen Bikes. In unseren bisherigen Vergleichstests galten schon Geometrien mit 77 Grad steilen Sitzrohren als extrem. Mit Deviate, Merida und Pole übertreffen gleich drei Bikes im Test diesen Wert.
Doch egal, ob mit technologischen Highlights, besonderen Fertigungstechniken oder nachhaltigen Firmenphilosophien – auf dem Papier besitzen die Wunschkandidaten der Leser allesamt das Potenzial zum Traum-Bike. Nach den ausgiebigen Tests im Labor und auf den Trails rund um Finale Ligure kann unsere Test-Crew aber auch bestätigen: Über ihren ideellen Wert hinaus glänzen die Testbikes zudem mit ausgezeichneten Fahreigenschaften. Vor diesem Hintergrund klingt ein 7500-Euro-Mountainbike fast schon wieder nach einer vernünftigen Investition – zumindest im Vergleich zu einer vergoldeten Fernbedienung.
Ein Bike muss für mich kein Spezialist in einem bestimmten Einsatzbereich sein. Vielmehr ist es die Breite des Einsatzbereichs, die ein Modell wirklich spannend macht. Vor diesem Hintergrund liefert in meinen Augen das Merida das beste Gesamtpaket. Das anständige Gewicht und die sportliche Geometrie erlauben einen großen Aktionsradius. Der Federweg reicht aus, um mir selbst auf den kniffligsten Trails genügend Sicherheit zu geben.
Unter hochpreisigen Mountainbikes findet man kaum noch Modelle, die wirklich negativ durch ihre Fahreigenschaften auffallen. Im Umkehrschluss müssen sich Hersteller neue Wege suchen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Für mich sticht zum Beispiel Last durch seine lokale Produktion heraus. Auch die Wertschöpfung der meisten Komponenten liegt zumindest in Europa. So was findet man nur selten.
Von kleinen Firmen wie Kavenz bis hin zu großen Herstellern wie GT oder Cannondale habe ich schon auf vielen High-Pivot-Bikes gesessen. Beim Deviate Claymore kommen die Vorteile dieser Rahmenkonstruktion jedoch so positiv zum Vorschein wie bei keinem anderen Hersteller. Obendrein bieten die Schotten ihr Wunder-Enduro sogar zum attraktiven Preis an. 3600 Euro für das Rahmen-Kit – da gibt es nichts zu meckern.
Ich suche einen Allrounder mit viel Bergabpotenzial – die Eckdaten des Raaw Jibb scheinen mir dafür perfekt. Es wäre spannend zu wissen, ob sich das Konzept der jungen Marke eurer Meinung nach auch in der Praxis bewährt.
Ich habe mir letzten Winter ein Trek Top Fuel mit Carbon-Rahmen selbst aufgebaut. Bis jetzt bin ich super zufrieden damit, würde aber trotzdem gern auch eure fachliche Meinung dazu lesen.
Ich schwanke derzeit noch zwischen dem Pole Vikkelä und dem Deviate Claymore. Mir gefällt, wie beide Firmen in Sachen Design und Funktion ihr eigenes Ding durchziehen. Die Kaufentscheidung hängt aber noch von den Fahreigenschaften ab.