Max Fuchs
· 17.05.2023
Das Last Tarvo bietet in mehrfacher Hinsicht Traumbike-Potenzial: Federleicht, todschick und dazu noch Made in Germany. Doch wie schlägt sich das Enduro des Dortmunder Versenders Last im Gelände?
Die mühelose Beschleunigung eines leichten Mountainbikes begeistert immer wieder. Besonders im Enduro-Segment, wo sich Downhill-Kompetenzen und geringes Gewicht scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen, gerät das oft in Vergessenheit. Bikes mit bis zu 17 Kilo sind keine Seltenheit mehr und auch der Einsatzbereich von Enduros beschränkt sich häufig nur noch auf Bikeparks oder Touren mit Shuttle- oder Liftunterstützung.
Überfliegt man vor diesem Hintergrund die Eckdaten des Last Tarvo, wird schnell klar, warum es von unseren Lesern in die Reihen ihrer Lieblinge gewählt wurde. Denn mit einem Gesamtgewicht von nur 12,7 Kilo ohne Pedale erinnert unsere Testkonfiguration an die Zeiten, in denen man mit Enduros noch locker selber treten konnte. Zum Vergleich: Das Durchschnitts-Gewicht bei unserem letzten High-End-Enduro-Test lag bei 14,95 Kilo.
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Doch wie gelingt es Last, sich so deutlich von der Konkurrenz zu distanzieren? Denn auch ein genauerer Blick auf die Komponenten entlarvt keine faulen Tricks. 170 Millimeter Federweg an der Gabel, 160 Millimeter am Heck, 29-Zoll-Laufräder, breite Felgen und schwere Maxxis-Reifen für viel Pannenschutz – alles an Bord also, was ein waschechtes Enduro ausmacht. Da die Komponenten in der oberen Preisklasse ohnehin schon maximal gewichtsoptimiert sind, bleibt nur noch ein Bauteil mit Einsparpotenzial übrig. Richtig, der Rahmen. Dieser wiegt laut unserer Labormessung in Größe 185 (vergleichbar mit Rahmengröße L) nur 2217 Gramm. Mit diesem Wert darf sich das Tarvo seit seiner Vorstellung sogar den Titel „leichtestes Serien-Enduro“ ans Revers heften. Dieses Alleinstellungsmerkmal macht sich auch beim Preis bemerkbar. So liegen die Kosten für den Rahmen ohne Lackierung bei 4395 Euro. Komplett-Bikes starten im Online-Konfigurator des Versenders bei 6869 Euro. Dabei schlägt aber nicht nur das geringe Gewicht zu Buche, sondern auch das Qualitäts-Siegel „Made in Germany“. Als wäre das noch nicht exklusiv genug, stammt auch noch das Fahrwerk an unserem Testbike aus der Freiburger Federungs-Boutique Intend.
Nun zum Fahrverhalten: Geht es im Downhill schnell zur Sache, hält man mit der langen und sehr flachen Geometrie des Last Tarvo alle Trümpfe in der Hand. 63,7 Grad Lenkwinkel, 474 Millimeter Reach und ein üppiger Radstand – Laufruhe generiert die Geometrie jede Menge. Die Intend-Edge-Gabel begeistert dabei mit sensiblem Ansprechverhalten. Aber auch dicke Brocken oder harte Einschläge verdaut die Upside-down-Gabel, ohne zu murren. Um Gewicht zu sparen und im gleichen Zug die Steifigkeit zu erhöhen, arbeitet der Hinterbau mit flexenden Druckstreben anstelle von definierten Lagerpunkten. Auf dem Trail bietet das Heck viel Progression. Dazu das geringe Gewicht und das Last lässt sich ausgesprochen handlich durchs Gelände scheuchen. Die Maxxis-Reifen-Kombi mit super griffigem MaxxGrip-Gummi am Vorderrad gibt viel Selbstvertrauen. Das Ansprechverhalten des Hinterbaus konnte uns in Kombination mit dem Intend-Dämpfer allerdings nicht ganz überzeugen. Besonders bei schnellen Schlagabfolgen gibt das Heck mehr Feedback als gewünscht. Aus vergangen Tests mit dem Tarvo wissen wir aber: Mit Fox-X2-Dämpfer bekommt man zwar immer noch mit, was am Untergrund los ist, das Ansprechverhalten gefällt jedoch besser.
Bergauf pumpt das Heck im Wiegetritt spürbar, weshalb man auf langen Asphaltanstiegen gerne die Lockout-Funktion bemüht. Ansonsten gesellt sich das Bike mit seiner Geometrie und dem phänomenal leichtfüßigen Antritt zur sportlichen Sorte Enduros. Der Sitzwinkel liegt mit 76 Grad im modernen Mittelmaß. Gepaart mit dem 474er-Reach nimmt man angenehm gestreckt auf dem Bike Platz. Zieht man dem Tarvo noch leicht rollende Reifen auf, bringt es nicht nur Downhill-Kompetenzen und ein geringes Gesamtgewicht in Einklang, sondern bietet sogar Allround-Eigenschaften auf Trailbike-Niveau.
Das Last Tarvo hat viele Paradedisziplinen: Durch das geringe Gewicht fällt der Einsatzbereich so breit aus wie bei keinem anderen Enduro. Die erstklassige Verarbeitung sowie das Qualitätssiegel “Made in Germany” auf dem Rahmen sind einzigartig.
Dr.-Ing. Jochen Forstmann ist Professor für Maschinenbau. Seit der Jahrtausendwende entwickelt er Mountainbikes. Der Miteigentümer Jörg Heydt stieß 2002 dazu. Jahrelang sind Stahl-Hardtails und leichte Alu-Fullys das Markenzeichen der kleinen Schmiede aus dem Ruhrgebiet. 2020 feierten die Dortmunder mit dem Enduro Tarvo dann Carbon-Premiere. Mittlerweile befinden sich vier Carbon-Modelle im Last-Sortiment. Minimales Gewicht und maximale Qualität gewährleistet die Produktion beim Würzburger Leichtbau-Spezialisten All Ahead Composites.
Ausstattung
GESAMT BERGAUF: 58 VON 80
GESAMT BERGAB: 124,3 VON 140
*Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig.
BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–170 P.), gut (169,75–140 P.), befriedigend (139,75–100 P.), mit Schwächen, ungenügend.