Traum-Bikes 2023Robustes Trailbike Raaw Jibb im Test

Max Fuchs

 · 23.05.2023

Hier tollt das kurzhubige Raaw vor dem sportlichen Merida über den Balcone-West-Trail. Vorne weg  Testfahrer Thomas Weschta und dahinter Testleiter Peter Nilges.
Foto: Max Fuchs

Trailbike Raaw Jibb: Mit ihrer eigenständigen Optik, der sorglosen Technik und vielversprechenden Fahreigenschaften erfreuen sich Raaw-Bikes immer größerer Beliebtheit. Ob sich das beim Test des Jibbs bewahrheitet?

Wir alle kennen die Vorteile von Carbonfasern: Sie sind extrem leicht, steif und nahezu beliebig formbar. Diesen Eigenschaften haben wir nicht zuletzt die leistungsfähigsten Sportgeräte der Mountain­bike-Geschichte zu verdanken. Doch wer sein Bike so richtig in die Mangel nimmt, sehnt sich nicht immer nach maximalem Leichtbau oder ausgefallenem Design. Ein robuster Begleiter mit einfacher Technik scheint für den Alltag im Gelände oft besser geeignet – einer wie das Raaw Jibb zum Beispiel.

Ein Raubein mit Nehmerqualitäten: Raaw JibbFoto: Max Fuchs
Ein Raubein mit Nehmerqualitäten: Raaw Jibb


Raaw Jibb mit der Lizenz zum Shredden

Die junge Firma Raaw aus dem Allgäu betrat 2017 zum ersten Mal die Bildfläche. Seitdem stehen die vier Buchstaben für langlebige und unkomplizierte Mountainbikes mit der Lizenz zum Shredden. Die Modellpalette ist übersichtlich: Ein Enduro Namens Madonna, der Downhiller Yalla und das kurzhubigere Jibb – das war’s. Um der Firmenphilosophie gerecht zu werden, setzt Raaw selbstverständlich nicht auf ein edles Carbon-Chassis, sondern auf eine massive Alu-Konstruktion. Unser Prüfstand attestiert dem Jibb 130 Millimeter Federweg am Heck. Die Knautschzone an der Front beträgt dagegen stolze 150 Millimeter. Laufradgröße: 29 Zoll. So weit so gut.

Mit verschiedenen Achs-Kits kann man die Kettenstreben nachträglich um fünf Millimeter kürzen oder längen.Foto: Max Fuchs
Mit verschiedenen Achs-Kits kann man die Kettenstreben nachträglich um fünf Millimeter kürzen oder längen.

Trotz hohem Gewicht: Rundum-Sorglos-Bike Raaw Jibb

Diskussionsstoff bietet das Jibb erst beim Gewicht. Denn mit über 16 Kilo inklusive Pedalen wiegt unser Testbike sogar mehr als so manches Enduro dieser Preisklasse. Ein Großteil des Gewichts fällt dabei auf den 4094 Gramm schweren Rahmen zurück. Zur Einordnung: Tourenfahrer rollen für gewöhnlich schon ab der Drei-Kilo-Marke mit den Augen. Wer dagegen das Übergewicht verkraften kann, bekommt dafür das Raaw-typische Rundum-sorglos-Paket. So findet man an allen Drehpunkten des Viergelenk-Hinterbaus ausschließlich doppelt gedichtete Industrielager. Besonders auffällig sind dabei die überdimensionierten Lagerungen am Hauptdrehpunkt. Das verspricht lange Wartungsintervalle und maximalen Schutz gegen Staub und Feuchtigkeit. Die uneingeschränkte Bikepark-Freigabe sowie fünf Jahre Garantie – gilt auch für Zweitbesitzer – unterstreichen die Nehmerqualitäten des Jibb.

Wartungsfreundlich: Alle Züge und Leitungen verlaufen beim auf dem konkav geformten Unterrohr.Foto: Max Fuchs
Wartungsfreundlich: Alle Züge und Leitungen verlaufen beim auf dem konkav geformten Unterrohr.

Bergab überraschend handlich

Aber jetzt ab ins Gelände. Angesichts des kolossartigen Auftretens fährt sich das Raaw Jibb bergab überraschend handlich. Das liegt zum einen am kurzhubigen Hinterbau. Der bietet trotz Stahlfeder-Dämpfer viel Gegenhalt und unterstützt Piloten mit aktivem Fahrstil. Außerdem fällt der Lenkwinkel (65,8 Grad), gemessen am Federweg eher steil aus. Das ermöglicht präzise und schnelle Richtungs­wechsel. Der sehr steife Rahmen trägt ebenfalls zum direkten Fahrverhalten bei. Will man das Jibb allerdings in den Flugmodus ziehen, macht sich der Gewichtsnachteil gegenüber leichteren Modellen klar bemerkbar.

Die Standard-Lagerbuchsen der Dämpfer ersetzt Raaw durch leichtgängigere Industrielager.Foto: Max Fuchs
Die Standard-Lagerbuchsen der Dämpfer ersetzt Raaw durch leichtgängigere Industrielager.

Im steilen und technischen Gelände blüht das Jibb dann so richtig auf. Durch die sehr hohe Front steht man stets sicher hinter dem Bike. Seine moderate Geometrie erleichtert zudem die Kontrolle bei langsamer Fahrt. Auch gut: Der weiche MaxxGripp-Reifen am Vorderrad leistet im Grenzbereich super Führungsarbeit. Wagt man sich allerdings auf ruppige Highspeed-Passagen, erreicht das Raaw schnell seinen Grenzbereich. Zwar verarbeitet der Hinterbau auch schnelle Schläge ohne Probleme, in Sachen Schluckver­mögen kann er mit der potenteren Gabel aber nicht mithalten. Auch der steile Lenkwinkel vermittelt in Kombination mit dem kurzen Reach nur begrenzt Laufruhe.

Selten waren abfahrts­lastige Bikes so konse­quent bereift wie die Modelle in diesem Test. An den Bikes von Raaw und Last drehen sich an der Front Maxxis-Reifen mit super griffiger Maxxgrip-Gummi­mischung.Foto: Max Fuchs
Selten waren abfahrts­lastige Bikes so konse­quent bereift wie die Modelle in diesem Test. An den Bikes von Raaw und Last drehen sich an der Front Maxxis-Reifen mit super griffiger Maxxgrip-Gummi­mischung.

Kein Energieverlust bergauf

Bergauf profitiert das Jibb wiederum von seinem kurzen Federweg. Denn selbst im Wiegetritt geht kaum Energie durch Wippbewegungen im Hinterbau verloren. Technische Kletterpassagen meistert das Jibb dank der kompakten Sitzposition und den langen Kettenstreben auch ohne Probleme. So bleibt stets Raum für Ausgleichsbewegungen und auch das Vorderrad hält ohne aktive Gewichtsverlagerung den Kontakt zum Boden. Einziges Manko: Das träge Beschleunigungsverhalten. Wer seinen Fokus darauf legt, sollte sein Geld in dieser Preisklasse dann doch lieber in die Vorteile von leichten Carbonfasern investieren.

Schön vielseitig: Die Bikes von Trek, Meri­da und Raaw bieten die Möglichkeit, via Flipchip die Geometrie zu verändern.Foto: Max Fuchs
Schön vielseitig: Die Bikes von Trek, Meri­da und Raaw bieten die Möglichkeit, via Flipchip die Geometrie zu verändern.

Fazit zum Raaw Jibb von Max Fuchs, BIKE-Testredakteur:

Das Raaw Jibb zeichnet sich nicht zuletzt durch seine soliden Fahrleistungen aus. Doch in erster Linie sind es der raubeinige Charakter, die einfach gehaltene Technik und die Langlebigkeit, die das Allgäuer Trailbike besonders für hartgesottene Shredder interessant machen. Durch die Nehmerqualitäten und den kurzen Federweg eignet es sich auch perfekt als Zweit-Bike für Enduristen.
Max Fuchs, BIKE-TestredakteurFoto: Thomas Weschta
Max Fuchs, BIKE-Testredakteur

Das ist Raaw

Ihren Ursprung fand die Allgäuer Radmarke Raaw 2017 in Kempten. Der Gründer Ruben Torenbeek und sein Team fokussieren sich seitdem auf abfahrtslastige und langlebige Mountainbikes. Produziert wird in Taiwan. Komplett-Bikes sind bei dem Versender nicht erhältlich. Die Bikes sind entweder als Rahmen-Kits oder als “Rolling-Chassis” erhältlich. Bei letzterem handelt es sich im Grunde genommen um ein Komplett-Bike ohne Antriebsgruppe und Bremsanlage. Die übrigen Komponenten können via Online-Konfigurator angepasst werden.

Der Raaw-Gründer Ruben Torenbeek (2. von links) und sein Team.Foto: Hersteller
Der Raaw-Gründer Ruben Torenbeek (2. von links) und sein Team.

Technische Daten und Noten zum Raaw Jibb

Herstellerangaben

  • Preis: 5445 Euro (Rolling Chassis )
  • Erhältlich über den Versender
  • Rahmenmaterial: Alu
  • Rahmengröße: S / M / L / XL (getestete Größe L, 44 cm)

Messwerte

  • Gewicht o. Pedale: 15,84 kg
  • Rahmengewicht: 4094 g
  • Gewicht Laufräder: 5185 g
  • Beschleunigung Laufräder: 4297 kg x cm²
  • Lenkerbreite: 790 mm
  • Rahmensteifigkeit (absolut): 66 N/mm

Ausstattung

  • Laufräder: Newmen Evolution SL A.30
  • Reifen: Maxxis Assegai/Minion DHR II; Maxxgrip/Maxxterra Exo+ Protection 29 x 2,50/2,40
  • Gabel: Öhlins RXF36 m.2 Air
  • Dämpfer: Öhlins TTX 22 M
  • Federweg vorne/hinten: 150/131 mm
  • Bremsen: Shimano XT BR-M 8120 / 203/203
  • Schaltung: Shimano XT 1x12
  • Übersetzung/Bandbreite: 32; 10-51 / 510 %
  • Teleskopstütze / Hub / Ø: One Dropper Post V2 / 180 mm / 31,6 mm

Bewertung

  • Fahrverhalten bergauf: 21,25 von 25
  • Effizienz Fahrwerk: 17 von 20
  • Rollwiderstand: 6,5 von 10
  • Gewicht:: 1,5 von 15
  • Trägheit Laufräder: 4 von 10
  • Flaschenhalter: 3 von 10
  • Fahrverhalten bergab: 29,75 von 35
  • Federung vorne: 18 von 20
  • Federung hinten:: 20 von 25
  • Versenkbarkeit Sattel: 10 von 10
  • Bremsen: 14,25 von 15
  • Reifen-Grip: 14,25 von 15
  • Fahrstabilität: 4 von 10

GESAMT BERGAUF: 53,25 VON 90

GESAMT BERGAB: 110,3 VON 130

  • Sonstiges: 22,75 von 30
  • Wartungsfreundlichkeit: mittel

BIKE-Testurteil*: sehr gut - 186,3 von 250 Punkte

Raaw Jibb - GeometriedatenFoto: BIKE-Testabteilung
Raaw Jibb - Geometriedaten
Raaw Jibb - CharakteristikFoto: BIKE-Testabteilung
Raaw Jibb - Charakteristik
Raaw Jibb - Federkennlinien:  Der kürzere 
Federweg des Hinterbaus ist auch 
in der Praxis deutlich spürbar.Foto: BIKE-Testabteilung
Raaw Jibb - Federkennlinien: Der kürzere Federweg des Hinterbaus ist auch in der Praxis deutlich spürbar.

*Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig.

BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–170 P.), gut (169,75–140 P.), befriedigend (139,75–100 P.), mit Schwächen, ungenügend.