Florentin Vesenbeckh
· 22.10.2020
Ein Köder für klassische Biker: Das Orbea Rise ist mehr als nur der nächste Kandidat einer neuen E-MTB-Generation. Es ist das vermutlich leichteste Serien-Trail-E-MTB überhaupt.
Man könnte meinen, die Orbea-Ingenieure hätten ganz genau in unseren Printausgaben geblättert! Vor rund zwei Jahren bilanzierte EMTB-Autor Christian Schleker in Heft 1/2018 zum ersten Minimal-Assist-E-MTB, dem 15-Kilo-Hardtail Raven2 von Focus:
„...ein Schritt in die richtige Richtung: mehr klassisches Fahrgefühl, weniger Über-Power, die einen langfristig nur faul werden lässt. (...) Eine wirkliche Revolution wäre eine vollgefederte Version des Raven2 um die 16 Kilo, doch das scheint aktuell (noch) nicht möglich.“
Genau diesen Wunsch erfüllt Orbea unserem rasenden Reporter und der gesamten Bike-Community nun mit dem neuen Rise. 16,2Kilo soll das Trailbike in seiner leichtesten Ausbaustufe für 9900 Euro wiegen. Mit robusterer und etwas günstigerer Ausstattung, die auch auf Enduro-Abfahrten besteht, haben wir das Rise M-Team mit 17,96 Kilo in Größe L gewogen.
Damit reiht sich der Neuling in die wachsende Riege an Light-E-MTBs ein. Nach den Fazua-Modellen Lapierre E-Zesty und Nox Helium sowie dem Specialized Levo SL, kommt für 2021 nach dem Rotwild R.X 375 also ein weiteres leichtes E-Trailbike hinzu. Die Idee: Weniger E, mehr Bike! Das Orbea Rise soll sowohl E-Mountainbiker, als auch klassische (bisher motorlose) Trail-Biker ansprechen. Das Konzept der leichten, sportlichen E-MTBs ist nicht neu, aber es nimmt 2021 richtig Fahrt auf.
Wie schafft es das Rise auf diese schlanken Maße? Wie alle Kontrahenten dieser Kategorie spart eine begrenzte Akkukapazität Pfunde. Genau wie Specialized setzt Orbea auf einen fest integrierten Akku mit 360 Wattstunden im Unterrohr. Gegenüber einer Konstruktion mit Wechsel-Akku soll das über ein Kilo Gewicht sparen. Für längere Touren steht ein Zusatzakku im Trinkflaschenformat bereit, auch das erinnert ans Levo SL. Allerdings hat die Orbea-Variante mit 252 Wh mehr Energie parat.
Nächster Punkt auf der Gewichtsspar-Agenda ist der leichte Carbonrahmen. Nicht nur das vordere Rahmendreieck, auch der Hinterbau ist aus Kohlefaser. Bei dem superleichten 16-Kilo-Topmodell setzt Orbea zudem auf Komponenten, die eher an klassischen Trail-Bikes, denn an schweren E-MTBs zu Hause sind: 34er-Fox-Gabel, Carbon-Komponenten, Maxxis-Rekon-Reifen.
Schlüsselkomponente eines Minimal-Assist-Bikes ist der Motor. Dessen war sich auch Orbea bewusst. Die Spanier sorgen mit dem EP8 RS für ein absolutes Novum: In Kooperation mit dem Komponentenriesen Shimano wurde eine abgewandelte Version des neuen EP8 entwickelt – exklusiv für Orbea.
Was genau am Antrieb verändert wurde, wollten die Spanier bei der Präsentation nicht verraten. Fest steht: Die Mechanik und das Gehäuse sind identisch. Somit bleibt auch das Gewicht von 2,5 Kilo (EMTB-Messwert der ersten Serie) gleich. Der Unterschied soll in der Elektronik und der Software liegen.
Maximal 60 Newtonmeter erlaubt Orbea seinem EP8 RS, der klassische EP8 liefert 85. Die reduzierte Kraft soll zum einen die nötige Reichweite sichern und zum anderen das Fahrgefühl noch natürlicher machen. Volle Power gibt's nur bei sportlich hoher Trittfrequenz. Auch beim EP8 RS stehen zwei Fahrprofile zur Verfügung. Profil 1 ist dabei der sanfte, sportliche Modus, im Profil 2 fällt die Unterstützung kräftiger aus. Alle Unterstützungsstufen sind auch bei der Orbea-Variante via App einstellbar.
Oberstes Ziel der Spanier bei der Entwicklung des Rise war ein Handling, das sich positiv vom klassischen E-MTB-Fahrgefühl absetzt. Getreu dem Leitspruch: Weniger E, mehr Bike. Bei der Geometrie orientiert sich Orbea aus diesem Grund an seinem unmotorisierten Trailbike Occam. Nach eigenen Angaben ist die Geometrie des Rise bis auf einen Wert identisch. Lediglich die Kettenstreben fallen 5 Millimeter länger aus. 445 statt 440 Millimeter. Die Werte sind modern, aber nicht extrem.
Wie bei Orbea üblich, kann auch die Ausstattung des Rise online individuell angepasst werden. Andere Gabel, andere Reifen, doch lieber keine Carbonlaufräder? Diese Feinheiten kann jeder Rise-Käufer wählen. Als Basis stehen vier Grundausstattungen bereit. Los geht´s beim Rise M-20 für 5999 Euro, das Topmodell Rise M-LTD kostet 9899 Euro (jeweils bei 19 Prozent Mehrwertsteuer).
Orbea ist optimistisch, die Verfügbarkeit des Rise schon bald sicherzustellen. Zwar ist auch der spanische Hersteller von der Lieferproblematik der Serienmotoren des neuen Shimano EP8 betroffen. Die Auslieferung der Räder soll aber definitiv noch 2020 stattfinden. Aktuell plant Orbea mit Ende November.
Wuseliger Trailflitzer oder wilder Enduro-Bolide? Kletterkünstler oder Flachlandfanatiker? Wir konnten das Orbea Rise bereits einem ersten Praxistest unterziehen. Wie schlägt sich das Bike und liefert der angepasste EP8-Motor ein völlig neues Fahrgefühl? Den ausführlichen Fahrbericht gibt's in EMTB 6/20!