Ein Mountainbike muss nicht nur gut funktionieren, sondern auch gut aussehen. Deshalb verstecken die meisten Bike-Hersteller die Leitungen und Züge inzwischen im Innern des Rahmens. Die cleane Optik hat aber ihren Preis. Kaum eine Entwicklung dürfte Schrauber weltweit mehr Geduld gekostet haben als der Siegeszug der Systemintegration. Früher oder später muss an fast jedem Bike die Hinterradbremse getauscht oder ein Schaltzug erneuert werden. Zum Beispiel, wenn Schmutz ins System eingedrungen ist und die Schaltqualität darunter leidet. Spätestens dann ist System und Kreativität gefragt, um sich nicht an winzigen Öffnungen abzuarbeiten.
Ein Trend, der sich immer mehr durchsetzt, ist die Zugverlegung durch den Steuersatz. Dabei werden alle Leitungen von Bremse, Schaltung und Dropper-Post durch das eigentliche Steuersatzlager ins Rahmeninnere geführt. Das ist Fluch und Segen zugleich. Rahmenhersteller müssen keine zusätzlichen Löcher in den Rahmen konstruieren und können ohne Mehraufwand gleichzeitig leicht und steif bauen. Doch Schrauber haben mit dem Nadelöhr nicht nur mehr Arbeit, sondern müssen zum Tausch der Lager auch alle Leitungen öffnen, ins Ersatzteil einfädeln und neu einstellen, beziehungsweise entlüften.
Damit der Wechsel von Zügen nicht zur Geduldsprobe wird, sollten sich Biker darüber klarwerden, wo und wie die Teile überhaupt verlegt sind. Manchmal werden sie punktuell durch Kabelbinder oder Schellen geklemmt. Merke: Kleinteile keinesfalls im Rahmen verlieren! Biker, die sich Stress beim Schrauben ersparen wollen, achten bereits beim Rahmenkauf auf eine durchgehend einlaminierte Zugführung.
Bevor du die alten Leitungen einfach aus dem Rahmen zupfst, solltest du dir überlegen, ob sie dir nicht dabei helfen können die neuen zu führen. Willst du beispielsweise nur den Innenzug deiner mechanischen Schaltung tauschen, kann der Außenzug - vorausgesetzt er ist noch in Ordnung – im Rahmen verbleiben und der Seilzug einfach durchgeschoben werden. Das Prinzip funktioniert in vielen Fällen aber auch anders herum. So lässt sich ein alter Innenzug nutzen um einen neuen Außenzug überzuschieben und kann anschließend seinerseits leicht ausgetauscht werden. Je nach Zugführung kann auch eine Bremsleitung die "Führungsrolle" übernehmen. Dann nämlich, wenn sich die neue Leitung mittels eines speziellen Verbinders oder in Einzelfällen auch mit einem Stück stabilem Klebeband an der alten fixieren lässt. In der Regel ist Ziehen dann leichter als Schieben.
Besonders, wenn es keine bestehende Leitung als Hilfestellung gibt, vereinfachen große Öffnungen im Chassis die Zugverlegung. Bei den meisten Rahmen lassen sich die Abdeckungen der Zugausgänge entnehmen, um mehr Platz für das Durchfädeln der Leitungen zu haben. Nur nicht vergessen sie wieder einzusetzen! Manche Bikes verfügen über spezielle Serviceklappen oder Zugänge durchs Unterrohr-Staufach, beziehungsweise Akku-Fach. Oft müssen zwecks Zugänglichkeit jedoch Kurbel und Tretlager demontiert werden.
Bei manchen Fullys ist es zielführend, den Dämpfer an einer Seite auszuhängen, um Platz für den Übergang zwischen Hauptrahmen und Hinterbau zu gewinnen. Entscheidend kann auch die Richtung sein. Oft ist die Führung von vorne nach hinten etwas einfacher. Wenn es beim Durchfädeln hakt, die Ursache aber nicht klar ist, hilft das Gegenlicht einer Taschenlampe und die Bewegung des Zuges, dessen Ende durch eine Öffnung zu erspähen. In Härtefällen kann sich die Anschaffung einer kleinen Handy-Endoskopkamera (ab 15 Euro) lohnen.
Die Länge der Züge sollte so gewählt werden, dass sich das Cockpit problemfrei in beide Richtungen drehen lässt. Markierungen lassen sich mit einem hellen Marker oder Klebeband setzen. Seilzüge sollten optimalerweise in großen Radien verlegt werden, um geschmeidig zu laufen. Zu große Radien steiger jedoch das Risiko von Klappern und Hängenbleiben. Vorsicht: Außenhüllen nur kürzen, wenn gerade kein Innenzug in ihnen steckt. Außerdem stets einen scharfen Leitungsschneider verwenden, um die Schnittstelle nicht zu quetschen. Zur Not lässt sich diese mit Handkraft und einem Zweier-Inbus wieder hinbiegen.
Geschafft? Super! Jetzt bloß die Züge nicht zurückschnalzen lassen und sie für weitere Arbeiten am Bike vorübergehend mit Klebeband sichern. Beim Zusammensetzen die Endkappen nicht vergessen und Seilzüge mit einer Quetschhülse vor dem Aufzwirbeln schützen. Sortieren und zusammenlegen lassen sich Züge, Leitungen und Kabel durch spezielle Plastik-Klipps, kleine Kabelbinder oder mit schwarzem Isolierband. Besonders schick: ein Schrumpfschlauch, welcher sich mithilfe eines Heißluftföhns um mehrere Leitungen schmiegt.
Mit wenigen Handgriffen lässt sich ein Stück Draht oder eine alte Speiche zurechtbiegen, um damit Züge aus dem Rahmeninneren zu befördern. Tipp: Zugende bis kurz vor die Öffnung schieben, dann die Schlinge einführen und die Leitung damit "herausfischen". Als Hausmittel unschlagbar günstig.
Mit diesem Set lässt sich jede interne Zugverlegung knacken. Verschiedene Kabel mit Magnet-, Schraub-, Steck- und Klemmverbindungen geleiten die Züge durchs Chassis. Mit 103 Euro ( >> hier erhältlich) schmerzhaft teuer, aber lohnenswert für Härtefälle und Vielschrauber.
Durch dieses kleine, unscheinbare Teil können Hydraulikleitungen miteinander verbunden werden, um sie durch den Rahmen zu ziehen. Einfach an beiden Enden eine Leitung einschrauben, durchziehen, demontieren, fertig. z. B. Rockshox Reverb Stealth Barb Connector, 4 Euro >> hier erhältlich.
Leichte Innenzüge, Liner oder auch ein Wollfaden lassen sich manchmal mittels Unterdruck aus dem Chassis ziehen, sprich etwa mit einem Staubsauger ansaugen. Dazu muss die entsprechende Rahmenöffnung jedoch groß und das Gerät stark sein. Anschließend als Führungshilfe verwenden.
Um Scheuerstellen im Lack zu vermeiden – gerade, wenn Züge in engem Radius verlaufen oder sich bewegen – helfen Gummiteile, wie der Jagwire 5G (4 Stück für 7,50 Euro). Alternativ lässt sich auf den Rahmen eine Schutzfolie aufkleben.
Ohne integrierte Führungen neigen Züge im Rahmen zum Klappern. Abhilfe kann ein sogenannter "Liner" aus Schaumstoff schaffen (z. B. Capgo OL, 12 Euro), der über die Leitung gestülpt mit ins Rahmeninnere geht.