Stefan Schlie
· 25.10.2021
Anfahren bergauf, richtige Gangwahl und steile Rampen! Die neuen Möglichkeiten der E-Mountainbikes erfordern eine spezielle Fahrtechnik. E-Bike-Experte Stefan Schlie verrät seine 15 hilfreichsten Kniffe und Tipps.
Wer Mountainbike-Erfahrung hat, ist klar im Vorteil. Trotzdem gibt es auch für erfahrene Piloten beim E-Biken viel zu lernen. Vor allem in steilen Uphills. Das sind die Top-15-Tricks von Profi-Trialer und EMTB-Fahrtechnikexperte Stefan Schlie:
Für möglichst große Reichhöhe verlangen die meisten E-Bike-Motoren eher hohe Trittfrequenzen. Im technischen Gelände lohnt es sich aber oft, mal einen oder zwei Gänge höher zu schalten. Gerade auf Schotter, wo das Hinterrad gerne mal Traktion verliert, wühlt man sich mit einem dickeren Gang besser durch.
Wer bergauf im steilen Gelände stecken bleibt, hat schlechte Karten. Oder er hat die richtige Anfahrtechnik. Schritt eins: Nie in der Falllinie losfahren, sonst dreht das Hinterrad gnadenlos durch. Immer schräg zur Fahrtrichtung losfahren. Punkt zwei: Bremse ziehen, zweiten Fuß aufs Pedal und dann erst starten. Das erfordert zwar etwas Balance, aber nur so lässt sich der volle Druck aufs Hinterrad bringen. Die richtige E-MTB-Technik fürs Anfahren am Berg zeigen wir hier im Video.
Sieht spektakulärer aus, als es ist: das E-Mountainbike auf dem Hinterrad bergab schieben. Diese Technik eignet sich an steilen Engpässen bergab, die zu schmal sind, um das Bike neben sich herzuschieben. Einfach Hinterradbremse ziehen, und das Gerät beherzt aufs Hinterrad lupfen. Dosiert wird die Kletterei mit der Bremse, und das E-Bike wirkt sogar noch wie eine zusätzliche Stütze.
Irgendwann trifft es jeden, und das E-Mountainbike muss auf den Rücken. Nicht zuletzt, da die meisten E-MTBs deutlich über 20 Kilo wiegen, ist die richtige Tragetechnik entscheidend. Aber mit dieser Technik wird die Plackerei erträglich: tiefgehen, Bike an Kurbel und Gabel packen und über die Schulter hieven. Der E-Bike-Motor sollte am Rucksack aufliegen.
Egal, ob langsam oder schnell, die Drücktechnik kommt zum Einsatz, sobald man die befestigte Straße verlässt. Man drückt das E-MTB unter sich ins Kurveninnere, der Körperschwerpunkt bleibt außen. Die Position passt, wenn man den (tief eingestellten) Sattel am kurveninneren Oberschenkel spürt.
Das Szenario des Schreckens spielt sich in den Alpen ab, seit mit E-MTBs lange Berg-Touren möglich sind. Man hat für alles gesorgt, der Reserve-Akku wartet vollgeladen im Rucksack. Doch leider liegt der Akku-Schlüssel tief unten im Tal im Auto. Dieser kleine Schlüssel entscheidet leider oft über einen guten oder einen schlechten Bike-Tag. Also: Schlüssel am besten am E-Bike in der Satteltasche aufbewahren. Auch das Akku-Handling auf Tour ist ein heikles Thema. Die Reserve-Akkus sind schwer, ungesichert im Rucksack können sie bei Stürzen zu ernsten Verletzungen führen. Am besten man transportiert sie in speziell gesicherten E-MTB-Rucksäcken. In klassischen Bike-Rucksäcken sollte man die Batterien ganz unten lagern und gut mit Klamotten polstern. Das bringt den Schwerpunkt nach unten und schützt den Rücken bei Stürzen.
Die neuen Schiebehilfen an E-Mountainbikes, die mittlerweile jedes Motorenmodell anbietet, machen einem das Leben leicht. Aber was, wenn das unbelastete Hinterrad unkontrolliert durchdreht? Ganz einfach, man lehnt sich während des Schiebens einfach mit vollem Gewicht auf den Sattel.
Ein kleines Hindernis liegt in einem Uphill-Trail quer. Hier heißt es: leicht machen! Dazu kurz aus dem Sattel gehen, um das E-MTB über die Wurzel zu lupfen. Am besten man beschleunigt vorher etwas, um genügend Schwung zu haben.
Hindernisse, die sich einem bergauf in den Weg stellen, begegnet man am besten mit der Tippeltechnik: an der kritischen Stelle ein paar Mal vor und zurück mit den Kurbeln. Das erhält den Vortrieb und vermeidet Aufsetzer. Hier finden Sie ein detailliertes Video, wie man Pedalaufsetzer mit der richtigen Technik vermeidet.
So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Weniger Druck im Reifen verbessert die Traktion und den Fahrkomfort. Je breiter der Reifen, desto weniger Druck verträgt er. Faustregel im Gelände: Mehr als zwei Bar braucht niemand. Hier gibt’s mehr Tipps und Ratschläge, welcher Reifendruck beim (E-)MTB optimal ist.
Gilt eigentlich für alle Fahrsituationen, egal ob bergauf oder bergab: Möglichst weit nach vorne blicken und die Linie scannen. Für alles, was sich direkt vor dem Vorderrad abspielt, ist es ohnehin schon zu spät.
Gilt beim E-MTB auch bergauf: Mit der Bremse dosiert man die Motor-Power. Das E-Bike lässt sich damit viel besser kontrollieren. Also: Ein Finger liegt immer bremsbereit am Hebel.
Keine Angst vor Serpentinen – das Hinterrad kann man mit dem schweren E-MTB genauso gut versetzen wie mit dem klassischen Bike. Man braucht nur etwas mehr Nachdruck und genügend Schwung.
Mit dem E-MTB bewältigt man steilste Anstiege. Grenzen setzt die Traktion. Vor allem auf Schotter muss man das Hinterrad so weit belasten, bis das Vorderrad fast in die Luft steigt. Dazu die Sattelstütze ein bis drei Zentimeter versenken.
Kurze, steile Anstiege wie hier am Gardasee sind das Salz in der Suppe auf dem E-MTB. Auf harten Untergründen, auf denen man genügend Traktion hat, kann man schier unglaubliche Steigungen bewältigen. Das A und O ist die Gewichtsverlagerung nach vorne, damit das Vorderrad nicht steigt. Also ganz nach vorne rutschen und gegebenenfalls sogar etwas aus dem Sattel gehen. Ein ausführliches Video-Tutorial, wie man mit dem E-MTB steile Anstiege bezwingt, sehen Sie hier.
EMTB: Wo liegen fahrtechnisch die wesentlichen Unterschiede zwischen normalem Biken und E-Mountainbiken?
Stefan Schlie: Zwei Aspekte: Die üppig vorhandene Motor-Power und das deutliche Mehrgewicht. Manche Geländesituationen sind mit unmotorisierten Bikes schlichtweg unfahrbar, weil die Kraft in den Beinen fehlt. Aber die Motorkraft will eben auch gebändigt werden, damit sie überhaupt als Traktion am Boden ankommt. So ist fürs E-MTB eine ganz neue Fahrtechnik entstanden.
Was ist für Dich die Faszination beim Uphill Flow?
Uphill Flow bedeutet auch in schier unglaublichen Uphill-Fahrsituationen das Grinsen zu behalten. Allein die Motorkraft macht dies möglich. Es ist das Spielen mit dem Gelände, nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel. Und das alles spielt sich jetzt nicht mehr in gefährlichen Geschwindigkeitsbereichen bergab ab, sondern bei relativ gemächlichem Tempo bergauf. Wenn mal ein Trick danebengeht, dann sind die Folgen weit weniger schlimm als beim Downhill.
Wie hat man am schnellsten Erfolgserlebnisse?
In der Ruhe liegt die Kraft. Kontrolliert langsam fahren, das ist das Thema. Deswegen sind Balanceübungen das A und O. Zum einen Balancieren auf der Stelle, aber auch einfach mal seinen Lieblings-Trail so langsam es geht hochzufahren. Sucht Euch beim Balancieren auf der Stelle einen Anreiz, um lange stehen zu müssen. Zum Beispiel einen ganzen Film balancierend schauen. Oder wenigstens die Tagesschau. Ein effektiver Zeitvertreib nicht nur für die Wintermonate. Fahrtechniktraining so ganz nebenbei sozusagen.