Das Gravelbike-Fully von Niner , die kurzhubige Lefty-Gabel fürs Cannondale Topstone oder die GRX-Schaltgruppe von Shimano waren nur die Vorboten. Nun legt Sram mit einer der großen Gravel-Offensive nach und bringt mit einer ganzen Komponenten-Serie neuen Schwung in die Ausstattungslisten der Schotter- und Abenteuer-Räder mit Rennlenker.
Die neuen Gravelbike-Komponenten von Sram und Rockshox für 2022 in der Videovorstellung.
Doch ein Trend wird durch die minimalistische Rockshox-Federgabel, die schlanke Reverb AXS-Variostütze und die Sram XPLR eTap AXS-Schaltgruppen auch befeuert: Klassische Mountainbikes und hippe Gravelbikes der neuesten Generation wachsen im Jahr 2022 immer näher zusammen. Das ist auch der Grund, warum wir die neuen Gravelbike-Komponenten von Sram, Rockshox und Zipp ausführlich vorstellen.

Stefan Loibl An einem Testbike ( Canyon Grizl ) konnten wir die neuen XPLR-Gravelbike-Komponenten bereits vorab testen – von der Rockshox Rudy-Gabel bis zur Sram Red XPLR eTap AXS-Schaltgruppe. Als Teststrecke diente uns der Orbit-360-Kurs „Terra Trail“ . Gewicht: 8,92 Kilo.
Rockshox Rudy: Federgabel mit 30-40 mm Hub
Mit 30 Millimeter dünnen Standrohren und der Charger Race Day-Dämpfungskartusche – kommt auch in der SID zum Einsatz – mit vollem Lockout ebnet Rockshox den Weg für Federgabeln am Gravelbike. Die Rudy gibt's mit 30-40 Millimeter Federweg, sie schluckt Reifen bis 50 Millimeter Breite und kann mit speziellen Mudguards kombiniert werden. Als Gewicht haben wir im BIKE-Testlabor für die Rudy Ultimate XPLR * 1276 Gramm gemessen. Ab der zweiten Hälfte des Federweges kommt ein Elastomer zum Einsatz, das sensibles Ansprechen mit einem guten Durchschlagschutz vereint. Das Elastomer muss etwa alle 200 Stunden beim großen Service gecheckt und evtl. getauscht werden. Durch die kleine Luftkammer und das Elastomer könnte die Gabel kälteempfindlich sein. Die Steckachse misst 12x100 mm und orientiert sich damit eher an Rennrad-Dimensionen. Scheibenbremsen lassen sich per Flatmount-Aufnahme (160 mm ohne Adapter) dranschrauben.

Stefan Loibl 1220 Gramm wiegt die neue Rockshox Rudy-Gravelgabel mit 12x100 mm Steckachse.
Die Rockshox Rudy Ultimate XPLR ist ab August 2021 in begrenzter Stückzahl und ab September 2021 in größerer Stückzahl erhältlich. Preis: 869 Euro >> z.B. hier erhältlich *.
Rockshox Reverb XPLR AXS: 50 und 75 Millimeter Hub, ohne Öl im Inneren
Die neue elektronische, absenkbare Sattelstütze für Gravelbikes (und MTB-Hardtails) hört auf den Namen Reverb XPLR AXS *. Es gibt zwei Längen (350 mm und 400 mm) und zwei Hub-Varianten (50 und 75 Millimeter). Der Durchmesser bei beiden Modellen beträgt 27,2 mm Millimeter und damit passt die Variostütze in die meisten Gravelbikes und Race-Hardtails. Neu ist auch das Innenleben: Es befindet sich kein Öl mehr im Inneren, nur noch Luft. Zudem gibt es eine Arretierung im komplett ausgefahrenen Zustand. Zusätzlich hat Rockshox der Reverb XPLR eine neue Funktion spendiert, die sich „Active Ride“ nennt: Sobald die Stütze nicht mehr komplett ausgefahren ist, federt sie minimal. Dadurch soll die Stütze mehr Fahrkomfort bieten und Vibrationen abfangen. Vorher muss man die Stütze aber aufs Fahrergewicht mit dem passenden Luftdruck anpassen. Dabei arbeitet die Reverb XPLR AXS mit hohem Druck: bei einem 70-Kilo-Fahrer sind 300 PSI nötig. Freigegeben ist die Stütze bis zu einem Fahrergewicht von 125 kg. Der Stützenkopf sowie die Klemmung (für runde und ovale Sattelgestelle) sind zur aktuellen Reverb AXS identisch. 600 Euro kostet elektronische Variostütze im 27,2er-Maß samt Ladegerät und Akku. Gewicht für die Stütze: 591 Gramm inklusive Akku (BIKE-Messung).

Stefan Loibl Die neue Reverb AXS * stellte an unserem Testbike 50 Millimeter Absenkung bereit. Am Stützenkopf ist der AXS-Akku dem Dreckbeschuss des Hinterrads ausgesetzt. Doch das dürfte der Elektronik nichts anhaben, denn die Teile sind wasser- und staubdicht (IP69K).

Stefan Loibl Bedienen lässt sich die Reverb XPLR mit allen AXS-Hebeln von Sram – ob Rennrad-Shifter oder MTB-Controller. An unserem Testbike musste man beide eTap AXS-Schalthebel gleichzeitig betätigen, um sie abzusenken bzw. auszufahren.
Sram XPLR eTap AXS-Schaltung: neues Einfach-Schaltwerk und 10-44er Kassette
Passend zur Federgabel und der Variostütze von Rockshox bringt Sram auch drei neue Schaltgruppen für Gravelbikes. Wirklich neu an den XPLR-Gruppen sind allerdings nur die Schaltwerke, Kassetten und Kurbeln. Erhältlich sind die neuen Gravel-Schaltungen in den drei vom Rennrad bekannten Qualitäts- und Preisstufen Red, Force und Rival. Die XPLR-Schaltwerke sind für den 1x12-Einsatz optimiert, basieren auf den klassischen Straßen-AXS-Schaltwerken und eine hydraulische Käfig-Dämpfung hält die Kette auch auf Rumpelpisten an Ort und Stelle. Größere Schaltwerksröllchen ermöglichen es, dass man die neuen XPLR-Kassetten mit 10-44 bzw. 10-36 Zähnen fahren kann. Die zwei Ritzelpakete, die es nur für die Force und die Rival gibt, besitzen maximal eine Übersetzungsbandbreite von 440 Prozent. Sie sind nur mit XDR-Freilaufkörper kompatibel, der 1,85 mm breiter baut als der bei Mountainbikes gängige XD-Freilauf.

Stefan Loibl 462 Gramm soll die neue Sram Red Carbon-Kurbel mit 40er Direct-Mount-Kettenblatt wiegen. Preis ohne Innenlager: 700 Euro *.

Stefan Loibl Die neue 12fach-Kassette der neuen XPLR-Kassette (XG-1271) kommt mit 44er-Ritzel und soll den passenden Klettergang bieten. Gewicht laut Sram: 373 Gramm.

Stefan Loibl Die Nickel-Chrom-Beschichtung der 225 Euro teuren Kassette soll besonders langlebig sein *.
Mit den neuen XPLR-Kurbeln halten auch Direct-Mount-Kettenblätter Einzug an den Sram-Schaltungen Red, Force und Rival. Die Kettenblätter gibt's in den Größen von 38-46 Zähnen, wobei 40 Zähne der Standard sein werden. Zusätzlich bringt Sram eine Wide-Version der Force und Rival-Kurbeln, die mehr Platz für breitere Reifen schafft. Durch eine längere DUB-Kurbelachse passt diese Kurbel sowohl für Rennrad- als auch für 73 Millimeter breite MTB-Innenlager. Mit der Wide-Kurbel wird die Kettenlinie 2,5 mm breiter als bei den Rennrad-Versionen und man hat einen fünf Millimeter breiteren Q-Faktor. Die Force Wide-Kurbel soll 604 Gramm wiegen (435 Euro), die Rival-Option 100 Gramm mehr.

Stefan Loibl Alle neuen XPLR-AXS-Komponenten von Sram und Rockshox lassen sich mit den AXS-Schalthebeln – ob Rennrad-Shifter oder MTB-Controller – bedienen.
Zipp: Gravel-Laufradsatz und G40-Reifen
Mit dem 101 XPLR bietet die Sram-Schwestermarke Zipp gleichzeitig einen neuen, speziell für Gravelbikes entwickelten Laufradsatz. Die Moto Carbon-Felgen ohne Hohlkammer kennt man bereits aus den 3Zero MTB-Laufrädern der US-Amerikaner. Erhältlich sind die Gravel-Laufräder von Zipp in 700C oder 27,5 Zoll. Die Innenbreite der Carbon-Felge beträgt 27 Millimeter. Gewicht: 1665 Gramm bzw. 1590 Gramm.

Stefan Loibl Die passenden Gravel-Reifen liefert Zipp mit dem G40 XPLR gleich mit. 72 Euro kostet der 480 Gramm schwere, nur in 40 Millimeter Breite erhältliche Allround-Reifen, der mit einem Pannenschutz-Streifen ausgestattet ist und den man tubeless fahren kann.
Gewichte und Preise im Überblick
XPLR Komponente | Preis (ohne Akku) | Gewicht in Gramm |
Red XPLR-Schaltwerk | 685 Euro | 293 |
Force XPLR-Schaltwerk | 465 Euro | 308 |
Rival XPLR-Schaltwerk | 265 Euro | 327 |
Red Direct-Mount-Kurbel | 700 Euro | 462 |
Force Direct-Mount-Kurbel | 435 Euro | 598 |
Rival Direct-Mount-Kurbel | 135 Euro | 706 |
Force Kassette | 225 Euro | 373 |
Rival Kassette | 160 Euro | 412 |
Fahreindruck zu den neuen Sram XPLR Gravelbike-Komponenten für 2022
Die Rudy-Gabel funktioniert trotz ihres geringen Federwegs gut, entschärft Schlaglöcher und Rumpelpisten souverän und entlastet Handgelenke, Hände, Unterarme auf Langstrecken-Abenteuern mit dem Gravelbike. Ein deutlicher Unterschied zu klassischen, komfortablen Carbon-Gabeln ist bereits auf leichten Schotterwegen spürbar. Bei harten Impacts schlägt die Gravel-Gabel durch das verbaute Elastomer nicht durch. Nur die Zugstufeneinstellung mittels kleinem Innensechskantschlüssel ist etwas fummelig. Die Elektroschaltung wechselt ähnlich zuverlässig und reibungslos die Gänge wie gängige MTB-Schaltungen aus der Sram AXS-Serie. Auch über die großen Ritzel läuft die Kette leise. Die Übersetzung mit 40er-Blatt und der 10-44er Kassette stellt ein überraschend breites Übersetzungsspektrum zur Verfügung, das für die Orbit-Strecke Terra Trail ausreichte – sowohl der Klettergang für die steilen Altmühltal-Rampen als auch das untere Ende der 12 Gänge bei schnellen Asphalt-Abfahrten. An der Funktion der Reverb-Variostütze gab es auf unserer Testfahrt ebenfalls nichts auszusetzen, lediglich leichtes seitliches Spiel hatte der Sattel von Beginn an. Doch wirklich benötigt hätten wir sie nicht. Eine Komfort-Stütze aus Carbon (z. B. Syntace P6 Hiflex oder Canyon VCLS) ist in den allermeisten Bikes und Anwendungsfällen ausreichend, so zumindest unsere Meinung. Denn um die Federfunktion zu aktivieren, muss man den Sattel erst minimal absenken. Allerdings ist der Rennradlenker nach wie vor der limitierende Faktor an Gravelbikes, bevor Teleskop-Stütze und Federgabel zum Tragen kommen. Durch die Schalt-/Bremsgriffe klemmt man sich die Finger beim Bremsen ein und für den breiteren Griff am Unterlenker muss man eine ganze Etage tiefer zupacken. Beides ist nicht optimal. Mit einem Flatbar wie beim Mountainbike lässt sich ein Bike einfach wesentlich besser kontrollieren. Daran kommen Gravelbikes selbst mit Federgabel und abgesenktem Sattel nicht annähernd heran. Der Komfortgewinn durch die Rudy-Gabel ist aber deutlich spürbar.

Stefan Loibl An einem Testbike ( Canyon Grizl ) konnten wir die neuen XPLR-Gravelbike-Komponenten bereits vorab testen – von der Rockshox Rudy-Gabel bis zur Sram Red XPLR eTap AXS-Schaltgruppe. Als Teststrecke diente uns der Orbit-360-Kurs „Terra Trail“ . Gewicht: 8,92 Kilo.

Stefan Loibl Gerade auf ruppigen Passagen sind die 40 Millimeter Federweg ein deutlicher Komfortgewinn.

Delius Klasing Verlag 48 Seiten Gravel-Spezial mit Bikes, Zubehör und Ausrüstung gibt's als Extraheft in BIKE 9/2021 – aktuell im Handel.
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