Max Fuchs
· 08.05.2023
Racefullys mit nur 100 Millimetern Federweg und ohne Vario-Stütze findet man im Weltcup nur noch selten. Das Canyon Lux hält weiterhin an klassischen Werten fest. Zu Recht?
Misst man die Bikes in diesem Vergleich anhand ihrer Weltcuperfolge, geht das Canyon Lux als klarer Sieger hervor. Denn Profis wie Pauline Ferrand-Prévot, Mathieu van der Poel oder Luca Schwarzbauer mischten mit dem Racefully aus Koblenz in den letzten Jahren die Weltspitze auf. Dabei landete das Lux nicht selten ganz oben auf dem Siegerpodest.
Sein letztes Update erhielt der Kandidat vergangenen Sommer. Doch entgegen dem Trend, Racefullys für technische Abfahrten zu rüsten, hält Canyon an den Werten klassischer Rennfeilen fest. Ganz nach dem Motto “Leichtbau ist Trumpf, und Vortrieb schlägt Abfahrtsspaß“ kommt das Lux nur mit 100 Millimetern Federweg an Heck und Front, baut auf eine moderate Geometrie und verzichtet auf eine Teleskop-Sattelstütze.
Der nackte Vollcarbonrahmen schafft es mit 1675 Gramm nur auf Platz zwei des Vergleichs. Aus vergangenen Tests wissen wir aber: Die Koblenzer gehören mit diesem Wert zu den Besten am Markt. Nino Schurters Arbeitsgerät zum Beispiel, das Scott Spark RC, schafft es bei der Rahmenmessung nur auf 1780 Gramm. Auch beim Chassis des Trek Supercaliber stoppt unsere Laborwaage erst bei 1764 Gramm in Größe L.
Als Komplett-Bike unterschreitet das Canyon die 10-Kilo-Marke dann allerdings doch nur hauchzart – und das, obwohl im Rahmen das leichteste Fahrwerk verbaut wurde. Zudem verschafft sich das Bike mit seiner fixen Carbon-Sattelstütze einen weiteren Gewichtsvorteil gegenüber der Konkurrenz mit Teleskopstützen. Bleiben also nur noch die 3953 Gramm schweren Laufräder, die einen Spitzenwert an der Waage verhindern. Und tatsächlich: Die Laufräder von Simplon und Arc8 wiegen 163 beziehungsweise 606 Gramm weniger.
Ansonsten leistet sich der Versender bei der Ausstattung aber keine Schwächen. Ganz im Gegenteil. Der elektronische XX1-Eagle-Antrieb wechselte unter Last am souveränsten die Gänge. Dazu bietet er noch die größte Bandbreite. Ein weiteres Highlight sind die Ceramicspeed-Kugellager an allen Drehpunkten sowie im Steuersatz.
Aber genug der faden Theorie. Wie schlägt sich das klassische Racefully in der Praxis? Leicht, direkt und vortriebsstark. Das bringt die Kernkompetenzen des Lux auf den Punkt. Der Hinterbau arbeitet Canyon-typisch ausgesprochen antriebsneutral, wenn auch nicht ganz so ruhig wie der des Arc8. Das Ansprechverhalten überzeugte alle Testfahrer.
Heck und Front machen sich im Vergleich zwar in erster Linie durch den geringsten Federweg bemerkbar, harmonieren dafür aber sehr gut. Wurzelfelder und etwas rauere Tretpassagen meistert man so effizient und komfortabel. Reserven für Sprünge oder dickere Brocken bietet das Fahrwerk aber nicht. Blockiert man für den Antritt via Remote-Hebel die Federelemente, muss sich das Lux nur der etwas leichteren Konkurrenz aus der Schweiz geschlagen geben.
Der moderate Sitzwinkel gepaart mit dem langen Vorbau und dem niedrigen Stack-Wert spannt den Fahrer sportlich über das Rahmendreieck. Das reduziert die Last auf den Oberkörper und kommt einem vor allem auf der Langstrecke zugute. Diese Art Sitzposition wissen besonders versierte Marathon-Racer zu schätzen. Im Gelände verlangt das Lux dafür viel Fahrkönnen vom Piloten. Denn der geringe Federweg und die frontlastige Sitzposition mit ordentlicher Sattelüberhöhung verzeihen keine Fehler. Schwere Fahrer spüren zudem die geringere Steifigkeit der zierlichen Standrohre der SID-SL-Gabel.
In steilen Abfahrten verliert das klassische Racefully ohne Vario-Stütze endgültig den Anschluss und muss seine Widersacher mangels Bewegungsfreiheit und Fahrsicherheit ziehen lassen. Auch die Geometrie mit steilem Lenkwinkel, kurzen Kettenstreben und knappem Radstand verleiht dem Lux nur mäßige Laufruhe. Dafür glänzt das Bike, sobald der Kurvenradius schrumpft und sich das Tempo verlangsamt. Denn hier lässt sich das Bike extrem handlich und präzise durchs Gelände steuern. Auch gut: Die 2,35 Zoll breiten Maxxis-Reifen bieten auf den 30 Millimeter breiten Felgen viel Volumen. Das ermöglicht geringe Luftdrücke und steigert den Komfort.
Aber zurück zum Weltcup: Unter dem Diktat trainierter Profi-Waden besitzt das Lux definitiv das Rüstzeug, um Siege zu sammeln. Reduziert man das Bike aber rein auf seine Fahreigenschaften, haben modernere Fullys die Nase vorn.
Mutig, sagen die einen, altbacken, die anderen – der klassische Entwicklungsansatz polarisiert. Fest steht aber: Wer an einem Racefully Eigenschaften wie maximalen Vortrieb, Langstreckentauglichkeit oder möglichst hohe Agilität für verwinkelte Kurse schätzt, findet im Lux CFR LTD das perfekte Bike –und das auch noch mit attraktivem Preis-
Leistungs-Verhältnis. – Max Fuchs, BIKE-Testredakteur
GESAMT BERGAUF: 106,5 VON 120
GESAMT BERGAB:: 75,5 VON 100
¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.
²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig.BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–170 P.), gut (169,75–140 P.), befriedigend (139,75–100 P.), mit Schwächen, ungenügend.