Max Fuchs
· 10.05.2023
Simplon vereint die Vorzüge einer klassischen Racefully-Geometrie mit mehr Federweg und einer versenkbaren Sattelstütze. Liefert das Cirex damit den perfekten Kompromiss für die Rennstrecke?
Simplon hatte seinem Racefully zuletzt für die Saison 2021 frischen Wind in die Segel geblasen. Damit ist das Cirex das älteste Modell in diesem Vergleich. Unser Test-Bike baut auf der Rahmenplattform des “normalen“ Cirex auf – ein klassisches Racefully mit nur 100 Millimetern Federweg am Heck. Dank etwas mehr Hub quetschen die Vorarlberger am 120er-Modell aber stolze 122 Millimeter aus dem Dämpfer. Passend dazu werkelt unter dem Steuerrohr eine DT-Swiss-Gabel mit 124 Millimetern Knautschzone. Die obligatorische Teleskopsattelstütze befindet sich ebenfalls an Bord – so wie es sich für ein Down-Country-Bike eben gehört. Der Hinterbau kommt, ähnlich wie beim Arc8, dank flexenden Sitzstreben ohne Horst-Link-Lager aus. Das spart Gewicht und erhöht die Stabilität. Unser Prüfstand bestätigt das und attestiert dem Cirex die beste Rahmensteifigkeit.
Mit 1880 Gramm in Größe L markiert das Simplon-Chassis allerdings das untere Ende der Fahnenstange. Auch die 1593 Gramm schwere Gabel und der zweitschwerste Laufradsatz sorgen dafür, dass insgesamt 1120 Gramm mehr an der Waage hängen als beim Arc8. Die XT-Schaltung von Shimano sortiert die Gänge zwar zuverlässig, wiegt aber ebenfalls etwas mehr als die XTR- und XX1-Schaltungen der Konkurrenz.
Ein Blick auf die Geometriedaten verdeutlicht den Entwicklungsansatz des Cirex 120. Im Gegensatz zum Arc8 versuchen die Entwickler, hier rein über die Spezifikationen ihr Racefully an die Anforderungen moderner Cross-Country-Kurse anzupassen. Das Grundgerüst basiert jedoch auf einem klassischen Racefully. So misst der Lenkwinkel trotz längerer Gabel nur steile 67,5 Grad – kaum flacher als bei der kurzhubigen Konkurrenz von Canyon. Beim Sitzwinkel zeigt sich das Bike ebenfalls verhalten: 75,5 Grad. Der Reach liegt mit 470 Millimetern in Größe L im modernen Mittelmaß.
Im Downhill kann das Cirex 120 seine klassische Abstammung aber sehr gut verschleiern. Das potente Fahrwerk leistet ganze Arbeit, nimmt Steinfeldern den Schrecken und bietet insgesamt den höchsten Komfort. Das sahnige Ansprechverhalten der DT-Swiss-Federelemente begeistert. Nur bei härteren Einschlägen wünscht man sich am Hinterbau etwas mehr Gegendruck. Auch der üppige Verstellbereich der Vario-Stütze (160 Millimeter) und die hohe Front verschaffen dem Simplon in Steilabfahrten sowie technischen Trails einen Vorteil.
Im Rennen würde Weltmeister Paul dennoch die kürzere Stütze des Arc8 bevorzugen. “Das spart Zeit beim Verstellen. Zudem kann man auch im abgesenkten Zustand noch einigermaßen rund treten und sich auf dem Sattel ausruhen, ohne zu weit in die Knie gehen zu müssen.”
Viel Lob erntet auch die Bremsanlage von Shimano: Die Kombi aus soliden XT-Stoppern mit Trail-Hebeln und 180er-Scheiben erzeugt mit Abstand die beste Bremsleistung.
Bis zu diesem Punkt liefert sich das Simplon im Downhill ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Arc8. Mit zunehmendem Tempo verliert das Cirex durch die verhaltene Geometrie allerdings früher an Laufruhe und verlangt vom Piloten maximale Konzentration und Aktionsbereitschaft. So lässt sich die Abfahrt weniger effektiv als Erholungspause nutzen. Unter Antriebseinflüssen bergauf verliert der sonst sensible Hinterbau leider sein erstklassiges Ansprechverhalten und geizt mit Traktion. Gleichzeitig wippt das Heck auch am stärksten in diesem Vergleich. Aktiviert man die Fahrwerksplattform, kehrt aber schnell Ruhe ein. Schade: In der härtesten Stellung des dreistufigen Remote-Hebels gibt der Dämpfer immer noch leicht nach. Auch das vergleichsweise hohe Gewicht drosselt den Vortrieb.
Auf der Langstrecke ist dieser Kritikpunkt aber schnell vergessen. “Draufsitzen und wohlfühlen“, beschreibt Thomas die sportlich-ausbalancierte Sitzposition. Nicht so aufrecht wie beim Arc8 Evolve und nicht so gestreckt wie beim Canyon Lux. Auch bei Paul hinterlässt die Fahrposition einen stimmigen Eindruck. Im Uphill steht der Hinterbau im offenen
Zustand allerdings zu tief im Federweg und sackt an Geländestufen weg. In Kombination mit der hohen Front und den kurzen Kettenstreben muss man so öfter gegen das steigende Vorderrad ankämpfen. In steilen Rampen und technischen Abschnitten ist deshalb mehr Einsatz gefragt.
Das Simplon fährt sich so agil wie ein klassisches Racefully und bleibt mit seinem Down-Country-Upgrade bergab dennoch konkurrenzfähig. Durch das vergleichsweise hohe Gewicht misslingt dem Cirex jedoch der Spagat zwischen dem klassischen Konzept von Canyon und dem extremen Ansatz von Arc8. Auf technischen Cross-Country-Kursen wäre das Bike die zweite Wahl unserer Tester. – Max Fuchs, BIKE-Testredakteur
GESAMT BERGAUF: 97,75 VON 120
GESAMT BERGAB: 84,5 VON 100
¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.
²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig.BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–170 P.), gut (169,75–140 P.), befriedigend (139,75–100 P.), mit Schwächen, ungenügend.