Jan Timmermann
, Laurin Lehner
· 20.04.2023
Als Nachfolger eines der beliebtesten Enduro-Bikes der letzten Jahre tritt das neue Propain Tyee in große Fußstapfen. Für die Saison 2023 punktet das Propain Tyee mit neuer Geometrie sowie Kinematik, leichterem Rahmen und zahlreichen Detailverbesserungen. Wir haben nicht nur die Infos zum neuen Propain Tyee Enduro – wir sind es auch schon ausgiebig testgefahren.
Drei Jahre lang begeisterte das Propain Tyee viele Enduro-Biker. Auch in den Enduro-Tests von BIKE konnte das Fully des deutschen Versenders regelmäßig punkten. Für 2023 bringen die Oberschwaben - neben einer Reihe Kinder-MTBs - nun einen würdigen Nachfolger auf die Trails. Dieser soll dank eines neuen Rahmens nun noch leichter, potenter und schlichtweg besser sein , als das auslaufende Erfolgsmodell. Um Hobby-Enduristen und Worldcup-Racer gleichermaßen glücklich zu machen, steckten die Entwickler viel Arbeit in Fahrwerk und Geometrie des neuen Enduro-Flaggschiffs. Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern spielte für Propain auch im Enduro-Segment das Gewicht keine Nebenrolle. Im Gegenteil: Sowohl Carbon- als auch Aluminiumrahmen sind nun leichter. Zahlreiche kleine Verbesserungen sollen das Fahrerlebnis noch aufwerten. Wir haben alle Details zum neuen Enduro-Bike Propain Tyee 2023!
Im Folgenden finden Sie diese Themen:
Für Propain muss ein Enduro-Bike nicht nur in der Abfahrt brillieren, sondern auch auf dem Weg zu Gipfel den ganzen Tag lang Spaß machen. Als Entwicklungsziel stand deshalb eine Gewichtsreduktion beim Rahmen von Anfang an fest. Vor allem der Aluminium-Rahmen sollte abspecken, um dessen Fahrgefühl an das der Carbon-Version anzunähern. Durch die komplette Neuentwicklung des Rahmens konnten bei der Alu-Variante- je nach Rahmengröße - zwischen 200 und knapp 300 Gramm eingespart werden. Der Aluminiumrahmen in Größe M kommt laut Propain damit auf rund 3,4 Kilo. Derweil legt der nun steifere Carbonrahmen rund 100 Gramm zu und wiegt nun 2,9 Kilogramm (Größe M, Herstellerangabe) - ein, im Vergleich zur Konkurrenz, immer noch guter Wert.
Propain setzt dafür auf Blend-Carbon und Blend-Aluminium. Dabei kommen je nach Ansprüchen eines Rahmenteils unterschiedliche Mischungen des Materials zum Einsatz. Nicht alle Bereiche eines Rahmens müssen dieselben Voraussetzungen in Steifigkeit, Flex, Schlagschutz, Gewicht, Festigkeit und Belastungsrichtung erfüllen. Bei der Konstruktion des neuen Propain Tyee Rahmens wird deshalb ein Mix aus unterschiedlichen Carbon-, beziehungsweise Aluminium-Varianten verwendet. Der Rahmen des Tyee AL besteht so aus mindestens drei verschiedenen Aluminiumarten, welche auch für den Rumpf und die Flügel von Flugzeugen verwendet wird. In dieser Form gibt es das so nur bei Propain.
Propain bleibt dem Pro10-Hinterbausystem treu, passt die Kinematik aber zugunsten der Federungsperformance an. Der neue Hinterbau des Tyee hat nun eine neues Übersetzungsverhältnis sowie eine geänderte Raderhebungskurve und bietet weniger Pedalrückschlag. Wie gehabt, stellt er 160 Millimeter Federweg zur Verfügung. Ein reduzierter Anti-Squat (113 Prozent im SAG) und eine etwas geringere Endprogression sollen dem Hinterbau mehr Reserven entlocken sowie das Bike trotzdem agil und effizient halten. Propain verspricht sich von der Überarbeitung ein sensibleres Ansprechverhalten sowie optimalen Grip und Gegenhalt bei der Verwendung von Luft- und Stahlfederdämpfern gleichermaßen.
An der Front kann das Tyee wahlweise mit 160 oder 170 Millimetern Federweg gefahren werden. Ganz neu für 2023 ist die Rahmengröße XS, welche auch Enduro-Fahrer mit geringer Körpergröße glücklich machen soll. In den Größen XS und S kommt das Tyee ausschließlich mit 27,5 Zoll großen Laufrädern. Bei Rahmengröße M können Kunden zwischen 27,5 und 29 Zoll wählen. Die Größen L und XL kommen ab Werk mit 29 Zoll Laufrädern. Durch einen Flip-Chip in der Dämpferwippe ist für die Größen M bis XL auch ein Mullet-Setup (MX Bereifung) möglich. Dabei wird die Geometrie nicht verändert.
Im Vergleich zum Vorgänger steht der Lenkwinkel des neuen Propain Tyee nun 0,5 Grad flacher bei 64,5 Grad. Bei allen Rahmengrößen wurde der Reach um fünf Millimeter verlängert, sodass dieser in Größe L nun bei 480 Millimetern steht. Gleichzeitig wurde das Sitzrohr um einen Centimeter verkürzt (jetzt 450 Millimeter in Größe L). Die Kettenstreben messen in Größe XS und S 430 Millimeter. Bei den Größen M bis XL sind es 445 Millimeter. Mit 77,5 Grad fällt der Sitzwinkel steil aus.
Der neue Hinterbau des Propain Tyee platziert Postmount-Bremssättel tiefer im Rahmen. Neben der ästhetischen Verbesserung leitet dieser Aufbau entstehende Bremskräfte auch besser an den Rahmen weiter. Für Bremsscheiben mit 180 und 200 Millimeter Durchmesser braucht es nun keinen zusätzlichen Adapter mehr. Insgesamt gibt Propain für beide Materialtypen eine um zehn Prozent verbesserte Steifigkeit des Hinterbaus an. Dieser bietet außerdem mehr Rahmenfreiheit und ein Sram UDH-Schaltauge. Somit ist das Propain Tyee 2023 auch mit der neuen Sram Eagle AXS Transmission Schaltung kompatibel.
Alle Leitungen am neuen Tyee Mountainbike laufen nun durch den Steuersatz in den Rahmen. Propain investierte gemeinsam mit Komponentenhersteller Sixpack viel Entwicklungszeit in dieses Detail. So schließt der oberste Spacer inklusive Kabeleingängen formschön mit dem in Deutschland CNC-gefrästen Vorbau ab. Zur Höhenverstellung des Cockpits muss der Vorbau nicht vollständig entfernt werden. Stattdessen können die zweiteiligen Spacer einfach eingeclippt werden. Das Ergebnis soll eine optimierte Leitungsführung mit weniger Geräuschentwicklung sein. Sowohl die neuen Aluminium-, als auch die Carbon-Rahmen bieten eine Flaschenhalteraufnahme auf dem Unterrohr sowie einen Tool-Mount unter dem Oberrohr. Natürlich kommt das neue Bike auch in frischen Farben.
Um das neue Tyee auch im harten Enduro-Einsatz möglichst langlebig zu machen, setzt Propain durchgehend auf rostfreie Lager von Acros. Diese sind dank der Propain Dirt Shield Technologie doppelt abgedichtet und sollen lange Freude bereiten. Oft erwähnter Kritikpunkt an der Leitungsführung durch den Steuersatz ist die Anfälligkeit für das Eindringen von Feuchtigkeit an dieser sensiblen Stelle. Zudem ist der Wechsel der Steuersatzlager bei diesem System mit der Auftrennung aller Leitungen verbunden. Um Bikern diesen Prozess zu ersparen, vertraut Propain auch am Steuersatz auf rostfreie Edelstahllager von Acros. Eine gedichtete Sattelklemme von Sixpack soll das Eindringen von Wasser ins Sattelrohr verhindern.
Neue Protektoren an Sitzstreben und Unterrohr sollen den Rahmen nun noch besser schützen. Gegen Geräuschentwicklung durch Kettenschlag verbaut Propain einen weicheren Kettenstrebenschutz. Um eine hohe Stabilität des Enduro-Rahmens zu garantieren testen die Schwaben diesen auf den hauseigenen Prüfmaschinen der Firmenzentrale im baden-württembergischen Vogt. Dabei überstand das Tyee über 500.000 Belastungszyklen problemlos. Propain gewährt eine uneingeschränkte Bikeparkfreigabe und klassifiziert das Tyee Enduro-MTB nach Stufe 5.
Wie von Propain gewohnt, ist auch beim neuen Tyee der Online-Konfigurator das Herzstück des Direktversenders. Sowohl vom Tyee AL, als auch vom Tyee CF bietet Propain je vier vorkonfigurierte Ausstattungsvarianten in verschiedenen Preisklassen an, welche im Konfigurator jedoch noch angepasst werden können. Die Individualisierung umfasst nicht nur Rahmenfarbe und Decals, sondern sämtliche Teile vom Fahrwerk über das Cockpit, die Bremsen und die Schaltung bis hin zum Laufradsatz. Damit können Enduro-Biker ihr persönliches Tyee an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen und zum Beispiel zwischen einer Gabel mit 160 oder 170 Millimetern Federweg wählen. Beim Federgabel und Dämpfer stehen Modelle von Fox, Rockshox und Formula zur Auswahl. Auch Stahlfederdämpfer sind konfigurierbar.
Die Preise starten bei 2999 Euro für das Propain Tyee AL und bei 3599 Euro für das Tyee AL. Die vorkonfigurierten Build-Kits sind Empfehlungen der Propain-Belegschaft:
Propain hat sein Enduro Tyee ordentlich aufgehübscht: länger, flacher, leichter. Und auch besser? Wir haben das Enduro bereits ausführlich getestet und verraten, wie sich das Propain Tyee fährt. In unserem Enduro-Spezial musste sich das Tyee in einem großen Enduro-Vergleichstest mit den Modellen anderer Hersteller messen. Mit dabei unter anderem Prime Thunderflash, Cube Stereo One77, Bold Unplugged und Giant Reign.
Auf dem Trail bleibt das Tyee seinem bisherigen Charakter treu und präsentiert sich eher als klassisches Enduro-Bike statt als EWS-Bolide. Es fährt sich sehr agil und macht es dem Biker maximal einfach, aktiv durchs Gelände zu kurven. Die Geometrie ist gelungen und benötigt keine Eingewöhnung. Mit seinem eher steilen Lenkwinkel steuert sich das Tyee direkt und schneidet wie ein Teppichmesser durch Kurven, trotz der langen Kettenstreben. Das Cockpit gefiel nicht allen Testern; ein kürzerer Vorbau verschaffte Abhilfe. Kippt der Trail ab und beginnt, Schläge auszuteilen, verträgt das Propain weniger Tempo. Wir stimmten das Bike zwar schrittweise weicher ab und kitzelten so mehr Komfort aus dem Fahrwerk, dennoch wirkte die Testkonkurrenz (Siehe Enduro-Spezial in FREERIDE 2/23) großkalibriger als das Propain. “Das Tyee fährt sich wie ein potentes All Mountain Bike”, urteilte ein Tester. Auf Touren pedaliert das Propain MTB angenehm den Berg hoch. Der Hinterbau wippt nur minimal und lässt sich zusätzlich per Druckstufenhebel beruhigen – leider ist der während der Fahrt schlecht erreichbar.
Das neue Propain Tyee ist kein auf Vollgas getrimmtes Ballergerät. Ist das schlimm? Ich finde nicht. Schließlich will ich mich nicht mit Vmax die EWS-Tracks runterstürzen, sondern ein quirliges Handling und einen möglichst breiten Einsatzbereich. Mir war das Propain ausreichend schnell. Die Kettenstreben dürften allerdings kürzer ausfallen. - Dimitri Lehner, Chefredakteur FREERIDE
Robert Krauss ist CEO bei Propain Bicycles GmbH und leitet das Unternehmen seit 2012. Als Chefentwickler verantwortet der Diplomingenieur auch die Neuaufstellung des Propain Tyee 2023.
BIKE: Was waren die Hauptziele bei der Neuentwicklung des Propain Tyee?
ROBERT KRAUSS: Wir wollten nicht nur die Geometrie und das Fahrwerk überarbeiten, sondern das Bike auch insgesamt leichter konstruieren – insbesondere die Alu-Version. Außerdem wollten wir viele wichtige Details in die Neuentwicklung einfließen lassen, wie etwa ein leiserer Kettenstrebenschutz oder eine optimierte Kabelführung. Der Vorgänger gewann auch in 2023 noch viele Tests, wurde zum Enduro-Bike des Jahres 2022 gewählt und gewann die EWS in der U21-Wertung, war also kein schlechtes Rad. Über die drei Jahre seit Einführung haben wir aber Details gesammelt, welche wir verbessern wollten.
War der Entwicklungsaufwand bei der Carbon- oder der Alu-Version größer?
In beide Rahmen haben wir ähnlich viel Arbeit reingesteckt. Weil uns der alte Alu-Rahmen zu schwer war, hatten wir bei diesem aber ein höher gestecktes Ziel, was die Gewichtsreduktion angeht. Vorher war uns der Gewichtsunterschied zwischen Alu und Carbon zu groß, da wir bei letzterem einfach schon sehr gut dabei waren. Dem Alu-Rahmen merkt man das nun 200 bis 250 Gramm leichtere Gewicht beim Fahren deutlich an. Über den leichteren Carbon-Rahmen sind wir aber natürlich auch glücklich, denn Gewichtsersparnis ist immer gut. Beide Rahmen haben nun ein ähnliches Fahrgefühl.
Wieso kommt das neue Propain Enduro zwar mit integrierter Leitungsführung, nicht aber mit einem Staufach oder einer integrierten Werkzeuglösung?
Generell sind solche Gimmicks eine gute Idee, bei der Neuentwicklung des Tyee haben wir es aber nicht in Betracht gezogen. Es gibt viele einfache Aftermarke-Lösungen für die Integration eines Werkzeugs. Für ein Staufach braucht es ein großes Unterrohr, wir haben uns aber für ein schlankeres und sportlicheres Design entschieden.
Warum setzt ihr bei der Ausstattung des Tyee überwiegend auf Federgabeln mit 36 oder 35 Millimeter breite Standrohre?
Wir haben mit Hugene, Tyee und Spindrift drei verschiedene Produkte im abfahrtsstarken Bereich. Wer sich eine Gabel mit 38 Millimeter Standrohren wünscht kann natürlich zum Spindrift greifen. Auch das Tyee gibt es optional mit einer 170 Millimeter Rockshox ZEB. Ansonsten setzen wir aber auf Fox 36 und Rockshox Lyrik, da wir diese für die passenden Gabeln im Enduro-Segment sehen. Dieses wird in letzter Zeit ziemlich ausgeweitet in Richtung Downhill. Viele Bikes sind quasi Mini-Downhiller. Für uns bedeutet Enduro aber Up- und Downhill gleichermaßen. Mit dem Tyee kommen Enduro-Biker den ganzen Tag lang gut den Berg hoch und haben in der Abfahrt trotzdem ein potentes Bike.
Für wen ist das Propain Tyee das richtige Bike?
Sowohl für Hobby-Enduristen, als auch für Racer. Wir wollen mit dem Bike auf jeden Fall den durchschnittlichen Kunden glücklich machen, legen es aber auch so aus, dass es dem Profi einen Sieg bei der EWS ermöglicht. Man könnte natürlich immer noch etwas kompromissloser in die eine oder andere Richtung entwickeln. Uns war es aber wichtig breit aufgestellt zu sein und beide Zielgruppen anzusprechen. Ich denke mit dem neuen Tyee ist uns das gut gelungen. Mithilfe des Konfigurators kann das Bike zusätzlich an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Von morgens bis abends im Sattel – dafür ist das Tyee das richtige Bike. Es wird ähnlich gut nachgefragt, wie das Hugene. Auch das Spindrift ist nach wie vor ein Bestseller, da es im Freeride-Bereich deutlich weniger Konkurrenz gibt. Wir verkaufen aber natürlich mehr Tyees, da wir dieses in Alu und in Carbon anbieten.