Tobias Ziganek
· 31.01.2023
Den Dämpfer im Rahmen zu integrieren ist Bolds Spezialität. Nun präsentieren die Schweizer eine Neuauflage ihres Enduro-Bikes. Das Bold Unplugged 2023 bekommt eine neue Dämpferposition und viele interessante Features. Was sonst noch neu ist und wie sich das Unplugged fährt, lest ihr hier.
Die Schweizer Edelschmiede Bold betrat 2015 zum ersten Mal das Rampenlicht. Damals überraschten sie die Bikewelt mit dem Bold Linkin Trail - dem ersten Mountainbike mit integriertem Dämpfer. Drei Jahre später kam das erste Bold-Enduro, das Unplugged. Vor einem Jahr bekam schließlich das Linkin ein weitreichendes Update. Für das Jahr 2023 werden dem Bold Unplugged die neuesten Innovationen und Geometriedaten verliehen.
Beim alten Unplugged war der Dämpfer senkrecht im Sitzrohr verbaut. Außerdem setzte man damals auf einen Viergelenker-Hinterbau. Das neue Enduro bekommt nun einen modernen VP-Hinterbau. Dieser erlaubt einen horizontal verbauten Dämpfer, knapp über dem Tretlager. Somit wird ein tiefer Schwerpunkt generiert und gibt die Möglichkeit lange Sattelstützen zu verbauen. Anders als am vorherigen Modell spendiert Bold dem Unplugged einen Dämpfer mit Ausgleichskammer. Am Hinterbau ist ebenfalls ein Flip-Chip verbaut. Durch diesen lassen sich Geometrie und Laufradgröße verändern.
Durch den Flip-Chip lässt sich das Unplugged in zwei Geometrie-Einstellungen fahren. Dieser lässt sich in High oder Low verstellen. Dadurch flacht sich der Lenkwinkel ab und der Radstand wächst um 10 Millimeter. Außerdem besteht die Möglichkeit, den Lenkwinkel zusätzlich über den bereits integrierten Winkelsteuersatz um 1 Grad zu ändern. Der Reach beträgt in Größe L 490 Millimeter. Und alle Bikes verfügen über eine 437 Millimeter Kettenstrebe. Der Sitzwinkel liegt in Größe S bei 78,6 Grad und M-XL bei 77,8 Grad. Zusätzlich gibt es zweiten Flip-Chip, der die Möglichkeit bietet ein 29 Zoll oder 27,5 Zoll Hinterrad zu fahren.
Im Gegensatz zum vorherigen Modell wird beim neuen Bold Unplugged auf einen VP-Hinterbau (Virtueller Drehpunkt), anstatt auf einen Viergelenker gesetzt. Dieser soll eine bessere Anti-Squat-Balance und eine optimierte Federkennlinie generieren. Auch der integrierte Dämpfer bietet mehrere Vorteile. Der Dämpfer ist so von äußeren Einwirkungen, wie Staub und Schlamm, geschützt. Die niedrige Position des Dämpfers bewirkt einen sehr tiefen Schwerpunkt des Unplugged. Dadurch soll sich das Enduro trotz langer Reach-Maße einfach manövrieren lassen.
Für das Unplugged wurde der Fox Float X-Dämpfer mit der Scott Nude Technologie gepaart. Das Ergebnis ist der Fox Float X Nude. Dieser wird, mit einem anderen Tune, auch im neuen Scott Genius ST verbaut. Die Ingenieure haben den Dämpfer mit mehr Luftvolumen und höherer Kompression entwickelt. Diese Konfiguration soll ein lebendigeres Fahrgefühl generieren.
Wie von Scott vor ein paar Monaten schon vorgestellt, wird auch hier das Tracloc-System verbaut. Man kann den Dämpfer vom Lenker aus in drei Stufen einstellen: Descend-Mode, Ramp Control-Mode und Climb-Mode. Im Descend-Mode ist der Dämpfer in der offensten Stellung und gibt die volle Abfahrts-Performance. Beim Ramp Control-Modus stellt der Dämpfer nur noch 60 % seines Federwegs zur Verfügung. Es soll die passende Stellung für technische Uphills bieten. Auch bei flowigen Trails ist der Ramp-Control-Modus eine gute Wahl, da man somit weniger in den Federweg pushen muss und mehr Gegenhalt bekommt. Für lange und flache Anstiege steht der Climb-Mode zur Wahl. Bei diesem schaltet man den Dämpfer eine Plattform hinzu. Dies generiert maximale Effizienz beim treten.
Wie viele wissen: Bold steht für Innovation. Sie sind als einer der ersten Hersteller den Schritt gegangen und haben die mechanische Schaltung aus dem Bike gebannt. Richtig gehört: Man kann das neue Unplugged nur mit elektrischer Schaltung fahren. Das Einstiegsmodell “Pro” geht für 8999 Euro an den Kunden. An der Front arbeitet eine Fox 38 Performance und im Heck ein Fox Float X Nude Dämpfer. Gestoppt wird die Kiste von einer Shimano SLX 4-Kolben Bremse. Bei der Schaltung wird auf die Sram AXS GX gesetzt. Im “Ultimate”-Modell für 10.999 Euro steckt eine Öhlins RXF38 M2 Gabel. Hier kommt eine Shimano XTR 4-Kolben Bremse und Sram AXS X01 Schaltung an den Rahmen. Das Rahmenset für 5999 Euro beinhaltet Sattelstütze, Syncros-Carbon-Cockpit, Dämpfer mit Tracloc und Save-The-Day-Kit mit Tubeless-Salamis.
Durch das neue Rahmen-Design ist es möglich, in allen Größen eine 200-Millimeter-Sattelstütze zu fahren. Die S- und M-Modelle werden ausschließlich im Mullet-Setup (29/27,5 Zoll) ausgeliefert. Zusätzlich verfügt das Bold Unplugged über einen Kofferraum, in diesem das “Save the Day Kit” steckt. Das Kit beinhaltet eine Pumpe, Schlauch und Reifenheber. Zusätzlich ist an der Abdeckkappe ein Multitool montiert. Auch an die Tubeless-Fahrer wurde gedacht, hier sind in den Lenkerenden Tubeless-Reifenstopfen verbaut.
Wir konnten das neue Bold Unplugged schon auf den Trails von Santa Coloma de Farners in der Nähe Barcelonas testen. Unser erster Eindruck: Trotz des üppigen 490er-Reachs in Größe L platzierte uns der steile Sitzwinkel sehr aufrecht im Bike. So erklettert das neue Unplugged auch steile Anstiege, ohne dass man aktiv gegen ein steigendes Vorderrad ankämpfen muss. Egal ob es technisch oder flach bergauf geht, das Bold Enduro lässt sich nahezu wippfrei hochkurbeln. Dieses Merkmal unterstreicht das Tracloc-System mit seinen Einstellmöglichkeiten. Wenn man den Climb-Modus aktiviert, lässt sich das Bike schnell und effizient hochtreten.
Bergab entpuppen sich die wahren Fertigkeiten des Unplugged. Trotz der langen Reach-Werte fährt sich das Unplugged überraschend verspielt und ist leicht zu handeln. Dies ist zum größten Teil dem extrem tiefen Schwerpunkt geschuldet. Wenn der Trail schneller und anspruchsvoller wird, schluckt der VP-Hinterbau jegliche Schläge souverän weg. Das bietet dem Fahrer ein sicheres Fahrgefühl bei höheren Geschwindigkeiten. Auch in den steilen Felsabfahrten, der Santa Coloma-Trails bleibt das Bike ruhig und stabil. Gleichzeitig befeuert das progressive Heck eine aktive Fahrweise und kommt einem beim Pushen in Anliegern oder beim Abdrücken an Sprüngen zugute. Dank der kurzen Kettenstreben ist es ein Kinderspiel, das Bold aufs Hinterrad zu ziehen.
Das neue Bold Unplugged steckt voller technischer Innovationen. Dank des Tracloc-Systems zählt es zu einer der effizientesten Enduros auf dem Markt und macht den Anstieg zu einem angenehmen Erlebnis. Bergab verleiht der tiefe Schwerpunkt dem Bike ein verspieltes Handling. Der potente Hinterbau arbeitet sich souverän durch Steinfelder und verleiht dem Fahrer viel Vertrauen in das Bike. Gleichzeitig lässt sich das Unplugged schnell durch Kurven pushen und unterstützt den Fahrer bei Sprüngen mit überraschend viel Popp. Für mich gilt das Unplugged als bereites Race-Enduro direkt aus dem Regal.
BIKE: Das neue Unplugged besitzt einen Dämpfer mit Ausgleichskammer. Welche Schwierigkeiten gab es, den Rahmen passend dafür zu konstruieren?
Vincenz Droux: Nachdem wir das Unplugged auf der Basis des aktuellen Linkin konstruiert haben, mussten wir nur wenig Änderungen vornehmen. Die Hinterbau-Umlenkung musste angepasst werden, dass der größere Dämpfer Platz hat. Die Position sollte trotzdem so tief wie möglich sein, um einen tiefen Schwerpunkt zu generieren und um Platz für eine langhübige Sattelstütze zu bieten. Außerdem veränderten wir die Position des Multitools. Zuvor war es am Rahmen fixiert und ist nun an das Cover gewandert.
Die Bikes besitzen alle den neu entwickelten Fox Float X Nude-Dämpfer. Ist der Rahmnen in Zukunft auch mit anderen Dämpfern kompatibel?
Das kommt ganz auf die Dämpfer-Hersteller an. Sie müssten erst einen passenden Dämpfer konstruieren. Dieser muss mit dem Tracloc-System kompatibel sein und das Ventil stirnseitig verbaut haben. Deswegen haben wir zusammen mit Fox diesen Dämpfer entwickelt, der optimal zu den gewünschten Anforderungen und Fahreigenschaften passt.
Mit dem Bold Unplugged setzt Ihr jetzt 100 % auf rein elektrische Schaltwerke. Was hat Euch zu diesem Schritt bewegt?
Grundsätzlich ist es immer ein Abwägen zwischen Reifenfreiheit, Stabilität, Kettenlinie und dem Platz für eine interne Kabelführung. Die Konstruktion hat gezeigt, dass es technisch sinnvoller ist, auf ein Schaltkabel und die dafür benötigten Bohrungen durch die Carbon-Sitzstreben zu verzichten. Somit erreicht man am Hinterbau mehr Reifenfreiheit und Stabilität, was einem Enduro und den harten Belastungen nur zugute kommt. Nachdem die Technologie der elektronischen Schaltung existiert und erprobt ist, war die Entscheidung schnell gefallen, auf diese Komponenten zu setzen.