Adrian Kaether
· 13.12.2021
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Shimanos EP8-Motor mit großem 720er-Akku und ein fluffiges Fahrwerk sind die Komponenten, mit denen das neue Focus Jam² überzeugen will. Wir haben es getestet.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Leicht ist das Focus Jam² der 7er-Serie nicht gerade. Alles andere am neuen Shimano-Bike aus Stuttgart ist aber ein klarer Fortschritt gegenüber dem bisherigen Bosch-Bike der 6er-Serie.
Das neue Focus E-Mountainbike Jam² in der Video-Vorstellung
Die Geometrie ist stimmiger, das maximal zulässige Systemgewicht liegt jetzt bei starken 150 Kilogramm und der bislang etwas weiche Hinterbau hat im neuen Bike richtig Popp, ohne Traktion vermissen zu lassen. Damit ist das neue All Mountain von Focus ein unkompliziertes und starkes Bike, solange die Trails nicht zu verwinkelt werden.
Shimano? Richtig gehört. Denn während das bisherige Bosch-Bike weiter im Portfolio bleibt, bieten die Stuttgarter mit dem neuen Jam² nun auch Shimano-Fans den passenden Antrieb. Damit profitiert das neue Jam² vom geringen Gewicht des japanischen Motors und der individuellen Abstimmung der Unterstützungsstufen via App.
Für eine starke Reichweite sorgt ein spezieller Akku mit 720 Wattstunden und modernen 21700er-Zellen. Und auf diesem Akku steht nicht nur viel drauf, steckt auch viel Energie drin. Soviel können wir aus unserem umfangreichen Labor- und Praxistest schon mal verraten. Mit 4200 Gramm gehört der Energieträger allerdings auch zu den schwereren Vertretern.
Kurios: Wie das Unterrohr ist der Akku leicht gebogen, um auch bei kompakten Geometrien und 150 Millimetern Federweg genug Platz für das Vorderrad zum Einfedern zu lassen. Ähnlich wie bei Specialized oder Norco lässt sich die Batterie nach dem Lösen eines Sicherungsbolzens mit dem passenden Inbus nach unten aus dem Bike entnehmen. Laden kann man den Akku aber natürlich auch in eingebautem Zustand.
Neben dem neuen Shimano-Antrieb fällt beim Erstkontakt mit dem neuen Jam² auch gleich der Dämpfer ins Auge. Der liegt jetzt wie beim unmotorisierten Jam unter dem Unterrohr, statt wie bisher vor dem Sitzrohr zu stehen. Das neue Jam² erbt damit die überarbeitete Fold-Kinematik der Bio-Bikes, die für das E-MTB speziell angepasst wurde.
Auch eine Geometrieverstellung in der Dämpferanlenkung ist jetzt mit an Bord. Im Vergleich zum Hinterbau mit stehendem Dämpfer soll sich der neue Hinterbau lebendiger anfühlen, bergauf weniger tief im Federweg stehen und bergab mehr Reserven bieten. Der liegende Dämpfer ermöglicht außerdem eine geringere Überstandshöhe (796 Millimeter in Größe L) und lässt mehr Platz für die Trinkflasche.
Ein reiner Sportler soll das neue Jam² aber auch mit der überarbeiteten Hinterbau-Kinematik nicht sein. Zugänglich und komfortabel will sich das Stuttgarter E-MTB präsentieren. Dazu passt auch die Geometrie, die mit flacherem Lenk- und steilerem Sitzwinkel auf der Höhe der Zeit ist, aber noch nicht ins Extreme geht.
Ganz so moderat wie angegeben steht das Jam² jedoch nicht im Trail. Zumindest unsere Labor-Messungen ergaben einen Lenkwinkel von 64 Grad (Werksangabe 65 Grad) und einen Sitzwinkel von 77 Grad (Werksangabe 76 Grad). Beide Werte stehen dem Jam² jedoch gut zu Gesicht und passen zur laufruhigen Natur des Jam², auch wenn enge und flache Kurven definitiv einen gewissen Einsatz brauchen.
Mit dem zulässigen Gesamtgewicht haben die Entwickler beim neuen Jam² eine weitere Schwachstelle der bisherigen E-MTB-Palette beseitigt. War bisher bei den meisten Modellen bei 120 Kilogramm Schluss, darf das neue Focus All Mountain nun inklusive Fahrer und Ausrüstung bis zu 150 Kilogramm wiegen. Eine Freigabe, die die allerwenigsten E-MTBs erreichen.
Das passt perfekt ins robuste und vertrauenserweckende Gesamtbild des Neulings. Dafür setzt das Jam² auf einen massiven Steuersatz mit einer Breite von bis zu 1,8 Zoll, eine Variostütze mit einem Durchmesser von 34,9 Millimetern und auf stabile Laufräder, die ebenfalls bis 150 Kilogramm freigegeben sind.
Nachteil der robusten Auslegung: Das neue Jam² ist kein Leichtgewicht. Das Top-Modell 7.0* in Größe L haben wir mit 25,68 Kilo gewogen – ohne integriertes Werkzeug, ohne Pedale.
Weitere schicke Details sind der USB-Port auf dem Oberrohr, die doppelt gedichteten Lager im Hinterbau für maximale Langlebigkeit, die saubere Zugverlegung durch den Steuersatz und das serienmäßige Pannenkit, das mit Schlauch, Pumpe, Tool und Reifenhebern in einer kleinen per Inbus fixierten Tasche auf dem Unterrohr mitfährt.
Drei Modelle des Shimano-Jam² stehen zur Wahl. Das Top-Modell 7.0 kommt für 7999 Euro wie gezeigt mit elektronischer GX-AXS-Schaltung, DT-Swiss-Laufrädern, stabilen Schwalbe-Reifen und einem Fox-/Rockshox-Fahrwerk und soll laut Hersteller nur in einer limitierten Stückzahl verkauft werden. Das beste Preis-Leistungsverhältnis bietet wohl das 7.9 für 6299 Euro* mit Fox-Performance-Fahrwerk, Bremsen und Schaltung aus Shimanos XT-Regal und Raceface-Laufrädern.
Das Einstiegsmodell Jam² 7.8 steht mit SLX-Gruppe, gruppenlosen Shimano-Vierkolben-Bremsen und günstigem Rockshox-Fahrwerk beim Händler. Immerhin: Auch hier gibt's Shimanos EP8-Antrieb inklusive des hochwertigen, Bluetooth-fähigen EM800-Farb-Displays und demselben 720 Wattstunden Akku wie im Topmodell.
Wir konnten das Focus Jam² bereits bei der Neuvorstellung im schwäbischen Baiersbronn ausgiebig fahren. Sind Sitzhöhe und Fahrwerk richtig eingestellt, pedaliert man in komfortabler und unaufgeregter Sitzposition bergauf. Das Jam² integriert den Fahrer gut zwischen die Räder.
Auch anspruchsvolle und steile Trail-Passagen voller Stufen und Wurzeln gelingen trotz der recht kurzen Kettenstreben (446 Millimeter - EMTB Messwert) mühelos. Hier spielt das überarbeitete Fahrwerk seine Stärken aus und steht deutlich höher im Federweg als beim Vorgänger, ohne unter Last zu verhärten. Trotz der hohen Front eine sehr gelungene Kletter-Vorstellung, an der auch der steile Sitzwinkel seinen Anteil hat.
Geht es in die Abfahrt, kann das neue Jam² an die starke Performance im Uphill anknüpfen. Das Bike vermittelt viel Sicherheit und lässt sich trotz des hohen Gewichts an kleinen Wurzelkanten erstaunlich leicht in die Luft befördern. Dank des tollen Fahrwerks flubbert das Focus auch über raue Wurzelteppiche und kleinere Steinfelder komfortabel hinweg.
Auch die Geräuschkulisse gefällt, denn Akku-Klappern oder Kettenschlagen ist beim Focus nicht zu hören. Der wesentliche Schwachpunkt: In engen Kurven und bei langsamerer Fahrt macht sich das Gewicht dann doch bemerkbar. Hier fordert das Focus einen erfahrenen Piloten, der das Bike aktiv und kraftvoll dirigiert.