Florentin Vesenbeckh
· 12.07.2022
Natürliches Fahrgefühl, besonders leise Kraftentfaltung und ein starkes Leistungs-Gewichts-Verhältnis: Mit diesem Versprechen will TQ-Systems die Klasse der Light-E-MTBs revolutionieren. Wir konnten den neuen, leichten E-Bike-Motor TQ HPR50 bereits ausführlich testen.
Vor über zehn Jahren überraschte der bayerische Elektronikspezialist TQ-Systems die Rad-Branche mit einem eigenen E-Bike-Motor. Mit 120 Newtonmetern Drehmoment lieferte der HPR120 Rekordwerte. Doch das wirklich Besondere an diesem E-Antrieb war eine gänzlich eigene, patentierte Getriebetechnik. Die Harmonic Pinring Technologie, dafür steht das Kürzel HPR. Jetzt haben die Oberbayern ihren HPR-Antrieb weiterentwickelt - und geschrumpft. Das Familienunternehmen will mit der besonderen Technologie die Benchmark in der boomenden Kategorie der leichten und kompakten E-Bike-Motoren setzen.
Auffällig ist das geringe Baumaß des Neulings. Der kleine Motor verschwindet komplett hinter dem Kettenblatt und ist damit von der Antriebsseite nicht zu sehen. 1,85 Kilo soll das Aggregat wiegen – einen leichteren E-MTB-Antrieb hatten wir bisher nicht in den Händen. Zum Vergleich: Specializeds SL 1.1-Motor liegt mit 1,9 Kilo sehr nahe dran, ebenso der neue Fazua Ride 60 mit 1,96 Kilo. Der EP8 RS im beliebten Rise von Orbea liegt mit 2,65 Kilo klar über diesen Werten.
Blickt man auf das Gewicht, muss man auch auf die Leistung schauen, denn diese beiden Parameter sind eng miteinander verschmolzen. 50 Newtonmeter maximales Drehmoment und maximal 300 Watt Leistung gibt TQ für den HPR50 an. Damit rangiert der E-Bike-Motor eher im unteren Bereich der Light-Klasse. Das Drehmoment liegt allerdings noch deutlich über den 35 Nm des Specialized SL 1.1. Der Fazua Ride 60, der zweite brandneue Light-Antrieb, soll mit 60 Newtonmetern und 450 Watt Spitzenleistung eine ganze Ecke darüber landen. Ähnlich ist der Shimano EP8 RS (60 Nm) im Orbea Rise angesiedelt.
Wir konnten den HPR50 schon im direkten Vergleich zu einigen dieser Mitbewerber testen und haben dabei nicht nur unser Gefühl, sondern auch moderne Messtechnik richten lassen. Alle Testdaten und Fakten gibt´s im EMTB Magazin 4/2022 - ab 16. August im Handel!
Die Stromversorgung für den neuen Antrieb übernimmt in Treks neuem Fuel EXe ein schlanker Akku mit 360 Wattstunden. Im Carbon-Trailbike der Amerikaner ist dieser entnehmbar eingebaut. Mit 1880 Gramm fällt der Energieträger leicht aus. Wenn die 360 Wh nicht ausreichen, kann mit einem zusätzlichen Range-Extender nachgeholfen werden. Diese 160-Wh-Batterie passt, nach Vorbild Specialized und Orbea, in den Flaschenhalter. Eine Besonderheit ist, dass der Zusatz-Akku den Motor eigenständig und ohne Einschränkungen mit Strom versorgen kann. Man kann das Bike also auch ohne den Haupt-Akku fahren. Weiterer Effekt: Der Range Extender liefert bis zum letzten Prozent volle Power. Ist der Zusatz-Akku alle, übernimmt die Hauptbatterie die Versorgung. Beim Laden läuft der Prozess umgekehrt. Es wird erst der 360er-Akku, dann die Zusatzbatterie gefüllt. Auch außerhalb des E-Bikes können beide Batterien in Reihe, also mit einem Ladegerät geladen werden. Ob dieses Akku-System genau so künftig auch in anderen Bikes mit dem TQ-Antrieb zum Einsatz kommen wird, ist unklar. TQ hat jedoch signalisiert, dass sie auch für andere Batteriegrößen und Konzepte offen sind.
Auch die Bedienelemente des neuen TQ-Antriebs überzeugen am Trek Fuel EXe absolut. Für die Wechsel der Unterstützungsstufen ist eine sehr schlanke und simple Bedieneinheit verantwortlich, die direkt neben den Griff passt. Zwei gummierte, sehr griffige Knöpfe reichen für die Bedienung aus. Das Feedback bei der Bedienung ist knackig. Die Fahrdaten werden auf einem schick ins Oberrohr eingelassenen Screen angezeigt, der verschiedene Anzeigeoptionen zulässt.
Selbstverständlich soll es für den neuen E-Bike-Antrieb von TQ auch eine App geben, mit der unter anderem die Unterstützungsstufen auf persönliche Vorlieben angepasst werden können. Im Falle des Trek Fuel EXe übernimmt diese Funktion eine neue Trek-App. Diese war bis zum Produktlaunch noch in Arbeit, weshalb wir die Details leider nicht ausprobieren konnten.
TQ Systems sitzt in Bayern und betreibt dort mehrere Produktionsstätten für Elektronikteile. Selbst kleinste Arbeiten wie das Bestücken von Platinen und das Wickeln der Kupferspulen werden bei der Produktion des leichten E-Bike Antriebs HPR50 in Bayern getätigt. Auch bei den Werkstoffen bemüht sich TQ, auf Anbieter aus der Region zurückzugreifen. Bei der Vorstellung des neuen Light-Antriebs konnten wir einen Blick auf die Motorproduktion in Inning am Ammersee werfen.
In unserer Bilderstrecke nehmen wir Euch mit in die Fertigung des neuen Light-Motors TQ HPR50:
Klein und unauffällig steckt der Neuling im Tretlagerbereich. Doch wie fühlt sich der HPR50 an? Auffällig unauffällig ist die Geräuschkulisse. Und das war auch eines der wichtigsten Entwicklungsziele von TQ und Trek. Die Antriebsgeräusche sind so leise, wie bei kaum einem anderen E-Bike-Antrieb, den wir je gefahren sind. Am nächsten liegen die Antriebe Ride60 von Fazua und Bikedrive Air von Maxon. Doch gefühlt ordnet sich der TQ-Motor HPR50 noch eine Stufe darunter ein. Im direkten Vergleich konnten wir die drei Flüsterer noch nicht fahren – das steht natürlich ganz oben auf unserer Liste.
Unhörbar ist jedoch auch der HPR50 nicht. Ruft man bei langsamer Fahrt viel Power ab, ist das Antriebsgeräusch klar wahrnehmbar. Insbesondere, wenn die Trittfrequenz kurzzeitig über die 100er-Marke schießt. In den allermeisten Fahrsituationen geht das Motorengeräusch jedoch in den Umgebungsgeräuschen wie Fahrtwind und knirschenden Reifen unter. Extrem angenehm! Ebenfalls ein Ohrenschmaus ist das Abfahren mit dem HPR50. Das bekannte Getriebeklappern der herkömmlich konstruierten E-Bike-Antriebe, insbesondere Bosch und Shimano, entfällt komplett. Der Motor steht bei diesem Antrieb einem leisen Bike also in keiner Weise entgegen.
Weg von den Ohren, hin zu den Beinen. Ebenfalls angenehm unauffällig ist das direkte, geräuschlose Einsetzen des Getriebes und des Motorschubs. Bei manch anderem Antrieb fällt der erste Antritt metallisch klackernd ins Getriebe. Beim HPR50 fällt kaum Leerweg an und das Einsetzen ist satt und unhörbar. Ähnlich würden wir die Kraftentfaltung beschreiben. Kein plakatives, aufdringliches zur Schau stellen der Power, mehr ein gediegenes Anschieben. Das liegt im Vergleich zu den Klassikern Bosch und Shimano natürlich auch schlicht an der geringeren Kraft. Mit maximal 300 Watt hat der kleine Motor nur rund die halbe Leistung der dickeren Normalos. Das klassische Uphill-Flow-Gefühl kommt damit nicht auf. Zumindest nicht, wenn es etwas steiler bergauf geht.
Aber wo ordnet sich der HPR50 in der Klasse der Light-Antriebe ein? Mit seiner dezenten Kraftentfaltung sehen wir den Neuling eher im unteren Power-Bereich der neuen E-Bike-Antriebsklasse. Zwar schiebt er stärker als ein Specialized SL (max. 240 Watt), doch beide Antriebe liegen gefühlt auf einem ähnlichen Niveau. Motoren wie den neuen Fazua Ride 60, einen Shimano EP8 RS, oder auch die Light-Antriebe von BH Bikes und Forestal würden wir als spürbar stärker einstufen.
Ausführliche Daten und Tests zum Neuling gibt´s in der EMTB Ausgabe 4/2022, ab 16. August im Handel. Am besten lesen Sie EMTB im Abo. Natürlich auch digital als App für iOS und Android erhältlich!