David Voll
· 08.07.2022
BIKE Transalp 2022 – Die 116 Kilometer lange Königsetappe von San Martino nach Lavarone konnte BIKE-Blogger David Voll nicht in die Knie zwingen – im Gegenteil. Die Strecke zauberte ihm trotz 3000 Höhenmetern ein breites Grinsen ins Gesicht.
Zum zweiten Mal bei der diesjährigen Transalp startete die Etappe bereits um 8 Uhr. Bei noch zapfigen 11 Grad Celsius, aber blauem Himmel, zitterten Torsten und ich dem Start der längsten Strecke in diesem Jahr entgegen: Auf 116 Kilometer galt es heute noch einmal über 3000 Höhenmeter zu bezwingen. Doch das grandiose Panorama mit den in warmes Sonnenaufgangslicht getauchten schroffen Felsgiganten in San Martino lenkte uns etwas von unserer Nervosität ab. Schön, dass uns der Ort, nach dem gestrigen Hagelschauer, mit einem Sonnengruß verabschiedete!
Zu Beginn sorgte das wellige Profil für ein sehr hohes Tempo an den verhältnismäßig kurzen Anstiegen, die jedoch nie extrem steil waren, so dass wir eine Zeit lang in einer größeren Gruppe mitfahren konnten. Meine Beine fühlten sich heute erstaunlich gut und frisch an. Aber eher so „frisch“, wie eine alte Scheibe Brot, nachdem man sie ironischerweise vor dem Verzehr nochmal in den Toaster gehauen hat, um sie aufzupäppeln. Doch das genügte offensichtlich, um heute etwas weiter vorne mitzufahren.
Die ersten 15 Kilometer hatten jedoch alle Teilnehmer das Messer zwischen den Zähnen, jeder wollte scheinbar eine gute Ausgangsposition für die erste lange Abfahrt ergattern. Zu Recht, denn die Abfahrt entpuppte sich als handtuchbreiter Trail mit vielen Querwurzeln und teilweise handballgroßen Steinen, der sich geschmeidig am erdigen Waldhang gut 400 Tiefenmeter hinunter windete. Heute schien mein Tag, denn kurz vorm Trail konnte ich noch drei Masters-Fahrer überholen, die zwar bergauf mehr Druck hatten als ich, aber in den Downhills deutlich langsamer waren. So hatten wir freie Fahrt, bretterten wie junge Götter durch den Wald und gönnten unseren Körpern eine gute Dosis Glückshormone. Im weiteren Verlauf schaffen wir es sogar, auf die im Gesamtklassement vor uns liegenden Teams aufzufahren und mit ihnen die 1200-Höhenmeter-Wand zum Passo Cinque Croci regelrecht hinaufzufliegen.
Die heutige Etappe war landschaftlich ein echtes Highlight, mit tollen Panoramen, schroffen Felsformationen und satt-grünen Berghängen. Einfach traumhaft! Nach dem Pass folgte eine 25 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsabfahrt auf Asphalt von 2000 m ü.NN auf 350 m ü.NN, die wir mit teilweise über 90 Stundenkilometer hinunterpreschten. Auch wenn das keine Abfahrten nach meinem Gusto sind – ich mag lieber solche wie zu Beginn der Etappe, wenn es technisch und ruppig wird –, so war es dennoch ein Adrenalin-Kick, so schnell auf dem Bike unterwegs zu sein und vor jeder Kurve die Bremsscheiben zum Glühen zu bringen.
Da fällt mir auch direkt eine Anekdote zu meiner ersten Transalp-Teilnahme ein. Damals waren Scheibenbremsen ebenso etabliert wie Fullys – nämlich noch gar nicht. „Braucht doch kein Mensch!“ lautete damals noch das Urteil im Kreise der Kumpels. Doch die Highspeed-Abfahrten hielten für die Felgenbremsen ihre Tücken bereit. Nämlich dann, wenn sie die Felgenflanken in die Zange nahmen und aufgrund der Reibung so viel Hitze erzeugten, dass sie den Schlauch zum Platzen brachten! Das konnte uns heute zum Glück nicht passieren.
Dafür platzen uns fast die Beine, als wir die folgenden 25 Kilometer bei Gegenwind und kaum sichtbarer Steigung mit 300 Watt auf der Kurbelwelle den Radweg entlang pressten, und der Tacho dennoch nur deprimierende 24 km/h anzeigte (bei neutralen Bedingungen fährt man locker über 30 Sachen!). So langweilig die Strecke in der Ebene war, so abwechslungsreich und spaßig verliefen die letzten Kilometer: wilde Richtungsänderungen, ständig wechselnder Untergrund und ein permanentes Auf und Ab sollte uns zum Abschluss nochmal ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern – eine spaßige Achterbahnfahrt auf Stollenreifen! Das ist Mountainbiken!