Davids Transalp-Blog – Etappe 7Vollgas bleibt Vollgas!

David Voll

 · 09.07.2022

Davids Transalp-Blog – Etappe 7: Vollgas bleibt Vollgas!

BIKE Transalp 2022 – Mit der Ankunft am Gardasee geht ein physisches und psychisches Großereignis zu Ende, das für BIKE-Blogger David auch 20 Jahre nach seiner ersten Transalp nichts von seiner Faszination verloren hat.

Der letzte Tag BIKE Transalp, Abschlussetappe. Noch einmal klingelte der Wecker um 6 Uhr, um mit ausreichend Abstand vorm Start in Ruhe frühstücken zu können. Doch nach sechs Tagen wollte der Körper gar nicht mehr so richtig Nahrung aufnehmen. Jeder Bissen wurde gefühlt einmal mehr gekaut als der vorherige, und auch der Schluckreflex mochte nicht mehr so recht einsetzen. Nach jedem Tag musste ich mich mehr zwingen zu essen, obwohl ich als langjähriger Ausdauersportler sonst immer essen kann wie ein Scheunendrescher. Mein Körper war nach so vielen intensiven Belastungen hintereinander einfach am Limit.

Da kann ich ja grundsätzlich nur froh sein, dass die Transalp seit meiner ersten Teilnahme vor 20 Jahren die Biker „nur“ noch mit sieben statt acht Etappen fordert. Gesamtlänge und Höhenmeter sind mit rund 600 Kilometern und etwa 20.000 Höhenmetern jedoch bisher immer ähnlich geblieben. Von daher weiß ich dann doch nicht so genau, welche Version nun die weniger qualvolle war. Denn quälen musste dich mich damals wie heute, da spielte weder das Alter noch ein besserer Fitnesszustand eine Rolle. Denn Vollgas bleibt Vollgas.

Nach kurzer Neutralisationsphase bis zum Fuße des ersten Anstieges ging es dann auch direkt Vollgas los und ich unterzog mich meiner ersten Laktatdusche des Tages. Auf grobem und losem Geröll konnte sich das kleinste Ritzel einer erneuten Portion Patina auch heute nicht entziehen. Auf der letzten Etappe hauen erfahrungsgemäß alle Teilnehmer ihre letzten Körner raus und geben noch mal alles. Unglaublich, was da noch in so manchen steckt! Man könnte meinen, sie seien sechs Tage lang auf Sparflamme unterwegs gewesen und wollten nun die Bestzeit auf den Trail brennen.

Bei mir war das jedenfalls nicht so. Kaum eine Tempoverschärfung in der Gruppe, in der ich mich befand, konnte ich parieren. Immer wieder musste ich abreißen lassen. Doch der Streckenchef hatte sich für heute noch ein paar Trail-Schmankerl aufgehoben, die es in sich hatten! So konnte ich die Gruppe in den Abfahrten im Nu ein- und überholen und mir mit Torsten einen satten Vorsprung für die darauf folgenden Anstiege herausfahren. Ich finde es schon immer wieder sehr erstaunlich, wie schnell manch ein Biker bereits bei Schotterabfahrten oder einfachen Singletrails „überfordert“ ist, obwohl das doch die DNA unseres liebsten Hobbys ist! Dafür bringen diese Leute bergauf solch einen urgewaltigen Druck auf die Pedale, dass fast schon das Fett aus den Lagern gepresst wird.

Zeitfahren auf Stollenreifen

Pressen ist dann auch das Stichwort für das Mittelstück der heutigen Abschlussetappe. Auf zehn tellerflachen Kilometern hatte jeder die Gelegenheit, seine Zeitfahrqualitäten zu testen und seine Bestzeit in den Asphalt zu brennen. Die Lokomotive Torsten, der um einiges stärker ist als ich, leistete hervorragende Teamarbeit: Er spannte sich vor mein Vorderrad und lies die Lager heiß laufen. Ich fühlte mich wie ein Fähnchen im Wind und hatte selbst im Windschatten Mühe, sein Hinterrad zu halten. Nach knapp 15 Minuten hatten wir dann das Flachstück im Tiefflug hinter uns gelassen. Das macht nach Adam Riese eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 km/h – mit Stollenreifen! Unglaublich, was Torsten für Kräfte hat!

Dann galt es nochmal, für den letzten längeren Anstieg die Pobacken zusammenzukneifen. Auch wenn die Strecke auf Asphalt zum Gipfel führte, zwangen uns am Ende Rampen mit 20 Prozent Steigung zwar an unsere Grenzen. Und sogar darüber, aber – mit dem Ziel wenige Kilometer vor Augen – nicht in die Knie. Mit erbarmungslosem Biss kämpften wir uns bei sengender Hitze in Schrittgeschwindigkeit Meter um Meter voran. Mein Puls pochte in den Schläfen wie ein Presslufthammer auf der Straße!

Und plötzlich war es da: das Ziel der Träume

Eigentlich hätte ich an der letzten Verpflegungsstelle nach diesem brutalen Anstieg anhalten und mir stark zuckerhaltige Kaltgetränke einflößen sollen, um nicht vom Rad zu kippen. Doch der Wille, endlich das Ziel zu erreichen und die Strapazen der vergangenen Tage abzulegen, war einfach so viel stärker! Offensichtlich war mein Körper in so einer krassen Ausnahmesituation, dass er selbst zum Muskelkrampfen nicht mehr in der Lage schien. Die letzten sieben Kilometer waren aufgrund der abwechslungsreichen Streckenverhältnisse und Richtungsänderungen sehr kurzweilig. Und dann, plötzlich und wie aus dem Nichts, war sie da: die virtuelle Ziellinie in Form der rot gummierten Zeitmessmatte, mitten im Nirgendwo und doch am Ziel der Träume (zumindest für diese Woche).

Am Ziel: Davids Teampartner Torsten genießt den Blick auf den Gardasee.Foto: David Voll
Am Ziel: Davids Teampartner Torsten genießt den Blick auf den Gardasee.

Die BIKE Transalp war vorbei. Von jetzt auf gleich, als hätte jemand den Schalter gedrückt und das Licht ausgeknipst. Ohne jubelnde Zuschauer, ohne lautes Disko-Gewummer, ohne andere glückselige, sich in den Armen liegende Transalp-Bezwinger, ohne das ganze Drumherum – so wie vor 20 Jahren. Das war schon ein seltsames Gefühl. Sind doch vor allem die Emotionen am Ende der sieben Tage diejenigen, die sich auf die körpereigene Festplatte brennen und von denen man noch Jahre oder – in meinem Fall nach der ersten Teilnahme 2002 – Jahrzehnte zehrt!

Torsten und ich nahmen es sportlich und waren erst einmal glücklich, das Rennen unversehrt und sturzfrei überstanden zu haben. Zumindest hatten wir von dort oben eine tolle Sicht auf den Gardasee und nutzen die Chance für einige Erinnerungsfotos, bevor wir ohne Stoppuhr im Nacken den letzten Downhill hinunter cruisten und entkräftet bei typischem Bike-Festival-Riva-Gegenwind zum Gardasee eierten.

Und dann waren sie doch noch da: die jubelnden Zuschauer, das laute Disko-Gewummer, die sich glückselig in den Armen liegenden Transalp-Bezwinger und das ganze Drumherum! Nur meine Emotionen sind in diesem Jahr leider buchstäblich etwas auf der Strecke geblieben. Ich bin dennoch super zufrieden und froh, auch 20 Jahre später die Transalp bezwungen zu haben!

Nun brauche ich aber erst einmal einige Tage, um dieses Großereignis sowohl physisch als auch psychisch zu verdauen. Und dann bin ich mir sicher, dass ich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten – wie damals nach meiner ersten Teilnahme 2002 – auch von dieser Transalp zehren werde!

Das Bad im Gardasee gehört einfach dazu – David feiert das erfolgreiche Ende der BIKE Transalp 2022.Foto: David Voll
Das Bad im Gardasee gehört einfach dazu – David feiert das erfolgreiche Ende der BIKE Transalp 2022.

Zum 8. Mal über die Alpen: der BIKE Transalp-Blog 2022

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