Jan Timmermann
· 20.06.2023
Zornig? Nein, Wut habe Albert nicht verspürt, als schwere Unwetter ihn zum Abbruch des großen Finales seiner BIKE Mission 3000 zwangen. “Da könnte ich mich jeden Tag ärgern, dass der Zug nicht fährt und wäre innerhalb eines Jahres nervlich tot.” Den Umgang mit Risiko hat der 39-Jährige bei der Freiwilligen Feuerwehr gelernt: “Egal, wie viel Bock man hat, eine Sache durchzuziehen. Die eigene Sicherheit kommt vor allem anderen.” Enttäuschung? Ja, denn der Sieg über 3000 Höhenmeter schien sich für den Mountainbike-Wiedereinsteiger nach drei Monaten Trainings in von Hagel erfüllte Luft aufgelöst zu haben. Zu diesem Zeitpunkt war für Albert noch völlig offen, ob er diese Herausforderung je abschließen könnte. Zu allem Übel befand ein Fachmann den Carbon-Rahmen seines Bikes als unfahrbar, nachdem ihn bei der Gewitter-Tour ein aufgewirbelter Stein getroffen hatte. Ein voller Job und ein noch vollerer Familienkalender holten Albert nach dem Rückschlag mit voller Wucht zurück in die Alltagsrealität. Der Traum BIKE Mission 3000 schien ausgeträumt.
Doch dann: ein offenes Zeitfenster! Zwar direkt nach der lange geplanten Rennradtour mit den Kumpels und nur wenige Tage vor dem Familienurlaub, doch mit bester Wettervorhersage. Direkt war die unvollendete Challenge wieder im Kopf. Albert packte seinen Bike-Rucksack sofort, nachdem er von 450 Kilometern und 4000 Höhenmetern auf der Straße zurück war. Drei Tage hatte sich die Männergruppe dafür Zeit genommen. “Ich war zwar gut im Training, hatte aber null Zeit für Erholung.” Für die Mountainbike-Tour mit 3000 Höhenmetern blieben nur knapp 16 Stunden Tageslicht. Freunde und Kollegen konnten bei seinen Plänen nur den Kopf schütteln.
Bereits online sind unsere Berichte zur großen BIKE Mission 3000:
Nun also Plan C. Als Albert frühmorgens bar jeder Regeneration auf einem Leihbike aus der Garage rollt, fühlt er sich alles andere als gut vorbereitet und schon gar nicht frisch. “Ich hatte große Bedenken, ob das gutgehen würde.” Nicht nur der Termindruck macht ihm Sorgen. Am Renner waren die Pedalplatten wohl einen Millimeter aus der Idealposition montiert. Nun zwickt das linke Knie bei jedem Tritt. Ein erneuter Abbruch scheint jederzeit möglich. Andererseits ist die knapp 90 Kilometer lange Tour von Freilassing bis Übersee bereits geplant und das Zugticket gelöst. Lieber also auf eine am Montagmorgen menschenleere Bergkulisse freuen. “Ich hatte mir keinen Exit-Plan zurechtgelegt, sondern wollte die Sache mit positiven Gedanken durchziehen – selbst, wenn jeder Knochen im Körper sagt: jetzt ist Feierabend!”
Leichter gesagt, als getan. Schon der zweite Anstieg verlangt von Albert eine große Anzahl Körner. Als die Rampe zu viel für den Optimisten wird, steigt er aus dem Sattel. Normalerweise hat er Spaß an solchen Herausforderungen, doch die Gedanken schweifen zu Frau und Kindern: “So kurz vor dem Urlaub lieber defensiv fahren und auch mal Schieben. Da breche ich mir keinen Zacken aus der Krone.” Auf dem Gipfel helfen Albert die Aussicht und die warmen Sonnenstrahlen dabei, die Bedenken wieder zur Seite zu schieben. Beflügelt rollt der BIKE-Leser in die Abfahrt und selbst, als ihn im anschließenden Aufstieg zur Stoißer Alm ein Bergläufer überholt, bleibt die Moral erhalten.
Dann ist er doch da: der große Einbruch. Kraft und Ausdauer scheinen dem Steilstück bei Kilometer 50 nicht mehr gewachsen zu sein. Alberts mentale Stärke beginnt zu bröckeln: “Irgendwie geht’s mir beschissen. Ich muss mich hinsetzen.” War die körperliche Vorbelastung doch zu hoch? Hatten die “Normalsterblichen, die mit dem Rad zum Bäcker rollen” und ihm einen “Vollknall” unterstellt hatten, doch Recht gehabt? Voller Zweifel sinkt Albert auf eine Bank am Waldrand und schiebt sich eine Hand voll Gummibärchen in den Mund. “Im Nachhinein betrachtet, war das meine Rettung. Dass ich mich ins Defizit gefahren hatte, war mir da aber nicht klar.”
Ganz langsam kehren die Lebensgeister zurück und nach 15 Minuten steigt Albert wieder aufs Bike. “Ich kann es schaffen!” Dieser Gedanke ist zurück in Alberts Kopf. In der Vergangenheit konnte der IT-Fachmann seiner Selbsteinschätzung meist gut vertrauen und auch, dass BIKE-Trainingsexperte David Voll ihm den erfolgreichen Abschluss der BIKE Mission 3000 zugetraut hatte, ist ein gutes Gefühl. Aus dem Gedanken wird schließlich Wissen, als Albert auf dem letzten Berg steht. Der Bike-Computer hat die magische 3000er-Marke geknackt aber viel weiter geht an diesem Tag nicht – keine Chance. “Jetzt nur nichts überstürzen. Finish ist erst nach der Ziellinie”.
Ganz alleine, körperlich angeschlagen, mit fremdem Bike und engem Zeitplan hat Albert die Challenge im zweiten Anlauf doch noch gemeistert. Von null auf 3000 in drei Monaten – das kann nicht jeder schaffen, dessen ist sich der BIKE-Leser sicher. Albert aber hat es geschafft. Für ihn waren die vielen kleinen und großen Rückschläge seiner Mission handfeste Prüfungen des Willens. Am Ende machen sie das Erfolgsgefühl der ersten gefahrenen 3000-Höhenmeter-Tour seines Lebens noch viel süßer.
Das Gefühl, 3000 Höhenmeter an einem Tag zu fahren, überlagert jede Erschöpfung. Wer sich ein Ziel setzt und einen Plan verfolgt, der kann viel erreichen - auch als Anfänger. Am Ende zählen Vorbereitungszeit und Willen. Meine Teilnahme an der BIKE Mission 3000 war eine einzigartige sportliche Grenzerfahrung. Ich würde es aber jederzeit wieder tun. – Albert Miethaner
Das war eine sehr starke Leistung von Albert! Er hat tatsächlich bewiesen: Der Kopf ist stärker als der Rest darunter. Denn nach solch einer Vorbelastung, Knieproblemen und fremden Material entscheidet die mentale Stärke über Erfolg und Misserfolg. Dass er im Saft steht und konditionell die BIKE Mission 3000 packt, stand für mich - trotz des Abbruchs beim ersten Versuch - außer Frage. Erfolg ist also weitestgehend Kopfsache! Ich denke, dass auch das Bogenschießen einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, weil hier die Konzentration ein entscheidendes Leistungsmerkmal ist. Da Albert von Grund auf ein Optimist ist, konnte er seine Selbstzweifel offensichtlich schnell ausblenden und sich auf das wesentliche konzentrieren. Starker Typ! – David Voll, BIKE-Trainingsexperte