Warum eigentlich immer nur nach Finale Ligure? Klar, weil die Fahrt von Deutschland aus ohnehin schon lang ist, weil die Trails dort locker für eine ganze Urlaubswoche ausreichen und weil man da alles schon kennt und weiß, wo der Shuttle abfährt. Von den Trails in der benachbarten Provence hat man vielleicht schon viel Gutes gehört, aber – das ist ja schon noch ganz schön weit weg.
Zugegeben: Im Sommer, wenn sich auf den Küstenstraßen die Touristen stauen, Campingplätze und Restaurants rappelvoll sind und man für einen Platz im nächsten Shuttle-Bus die Ellbogen ausfahren muss, dann ist es sicher entspannter, wenn man an einem Bikespot bleibt. Doch das sind genau die Gründe, warum inzwischen einige Biker erst in den Wintermonaten in die Seealpen kommen. Sogar im Januar gibt es Tage, da cruist man hier bei zweistelligen Plusgraden von einem Superspot zum nächsten und hat die Trails fast für sich allein.
Ein Trend, den auch die Bikepark- und Shuttle-Betreiber erkannt haben. So bietet selbst der Evo Bikepark bei Digne-les-Bains in der Provence dieses Jahr erstmals durchgehend einen Shuttle-Service an. Freie Bahn auch in den spektakulären, schwarzen Sandhügeln der Terres Noires, den roten Felsschluchten des Esterel-Massivs oder auf den sonst so überlaufenen Pfaden von Finale und Pietra Ligure. Alles Spots, die man eigentlich schon immer besuchen wollte, und sie liegen nur ein paar Bergstraßen-Kurven voneinander entfernt!
Wir haben die besten Trail-Regionen für einen spontanen Resturlaubs-Winter-Trip herausgepickt und zu einer großen Roadtrip-Runde aufgefädelt. In welcher Richtung man diese Perlenschnur verfolgt, ist im Prinzip egal. Aber bevor Sie wieder in Finale hängen bleiben: Starten Sie lieber mit den farbintensiven Trails in der Provence!
Gut möglich, dass der Seealpen-Roadtrip für den ein oder anderen hier schon endet. Die Terres Noires, übersetzt: die „Schwarzen Erden“ bei Digne-les-Bains sind nämlich so außergewöhnlich und faszinierend, dass man gar nicht mehr weg möchte. Nackte schwarze Sandsteinbuckel drängen sich hier wie Elefantenrücken bis in den Horizont. Wie in einem gigantischen Pumptrack ziehen sich darüber die sandigen Lines. Manchmal balancieren diese schmalen Spuren sehr ausgesetzt über die Grate dahin, dann schleudern sie zwischen den Buckeln rechts und links im Wallride-Modus die Hänge hinauf. Trail-Runden von bis zu 20 Kilometern sind hier locker möglich – ohne, dass auch nur ein Zentimeter langweilig wird. Nicht mal die 150 Höhenmeter, die zum Einstieg von Digne-les-Bains aus fällig sind, denn auch die klettern bereits schmalspurig bergauf. Für einen Überblick über die besten Trails der Region händigt das Fremdenverkehrsamt eine Karte aus, unterwegs folgt man aber einfach der nahezu lückenlosen Beschilderung „piste cyclable“. Außerdem ist natürlich ein Besuch im benachbarten Evo Bikepark Pflicht: Hier shutteln das ganze Jahr über umgebaute LKWs zu den Einstiegen von sehr kreativ angelegten Trails.
Anreise: Digne-les-Bains liegt im französischen Département Alpes-de-Haute-Provence. Von Deutschland entweder über die Schweiz (Genfersee) oder über Turin erreichbar (ca. 900 km).
Touren: Trail-Übersichtskarten vor Ort beim Fremdernverkehrsamt. Geführte Touren in der gesamten Provence inkl. Shuttleservice: 1001sentiers.fr
Bikepark: Der EVO Bikepark hat dieses Jahr erstmalig den gesamten Winter über geöffnet! Info: evobikepark.com
Kompletter Farbwechsel: Keine 100 Kilometer südwestlich von Digne wartet das Grand-Lubéron-Massiv mit seinen feuerroten Schluchten und Canyons. Eine Region, in der die französischen Enduro-Profis im Winter gern trainieren, weil durch dieses landschaftliche Spektakel oft bis weit in den November hinein 20 Grad wehen. Ihre Lieblingsrunde mit viel Flow, fahrtechnischen Kniffelstellen, aber auch gemeinen, kurzen Gegenanstiegen (längster Anstieg 200 hm) dreht 22 Kilometer durch den Colorado Provencal, mit Startpunkt im kleinen Örtchen Rustrel. Dabei geht's nicht nur durch den knallroten Sand, sondern auch durch weite Lavendelfelder, für die diese Region so berühmt ist. Zeit sollte man sich hier auch für die besonders hübschen Dörfer nehmen. Morgens einen Café au Lait und ein Croissant auf dem Dorfplatz – unschlagbar.
Anreise: Von Digne- les-Bains sind es 87,8 km bis nach Rustrel im Lubéron-Massiv. Hier startet die schönste Tour in den Colorado Provencal.
Touren: Die Tour „Colorado Provencal" (22,3 km, 628 hm), zu unserem Revierguide mit den GPS-Daten zu den drei besten Trails geht’s hier.
Geführte Touren: Große Tour durchs Département: Grande Traversée VTT de Vaucluse mit 400 km/10.000 hm/9 Etappen. Info: gaetandupin.com
Übernachtungstipp: Direkt am Eingang der roten Sandschluchten kann man sein Wohnmobil auf einem chilligen Campingplatz parken. Info: camping-le-colorado.fr
Info: provenceguide.com
Einer meiner Favoriten in der Provence sind die Montagne de Lure. Hier gibt es einen ausgeschilderten Enduro-Trail: 11 km lang führt er durch pilzartige Felsformationen. - Holger Feist, Evoc Sports
Das kleine Gebirge zwischen Fréjus und Cannes sonnt sich bereits direkt an der Côte d'Azur. Auch wenn von dem einstigen Vulkan heute nur noch ein Gerippe steht, lassen sich hier weite Runden durch eine skurrile rote Felslandschaft drehen. Meist mit Fernblick übers Mittelmeer. Allerdings darf man den Untergrund nicht aus den Augen verlieren, denn die Wege sind oft mit kantigem Geröll übersät und in dornige Macchia gebettet. Auch der Mistral kann hier scharf von der Seite blasen. Gerade im Sommer kann es an solch stark windigen Tagen zu Wegsperrungen kommen, weil man in dieser Region große Angst vor Waldbränden hat. Da das Esterel-Gebirge generell zu großen Teilen als Naturschutzgebiet ausgerufen wurde, ist Mountainbiken zwar ohnehin nicht auf allen Wegen erlaubt, aber auch nicht grundsätzlich auf Trails verboten. So wartet zum Beispiel ein ausgeschilderter Enduro-Trail, der sich vom Mont Vinaigre (618 m), dem höchsten und aussichtsreichsten Gipfel des Gebirges, durch Canyons und über den Col du Mistral bis in die Vororte von St. Raphael hinunter windet. Am besten besorgt man sich auch hier eine Übersichtskarte beim Tourismusbüro und stellt sich seine Runde selbst zusammen.
Anreise: Von Rustrel am Lubéron bis nach St. Raphael an der Côte d'Azur sind es knapp 195 Kilometer, also 2,5 Stunden Autofahrt.
Touren: Das Esterel-Gebirge ist klein, das Wegenetz leicht zu überblicken. Die für Mountainbiker erlaubten Routen sind ausgeschildert, eine Karte gibt es beim Tourismusamt vor Ort.
Sehr empfehlen kann ich auch die Trans-Verdon-Route vom Col d'Allos bis in die verwinkelten Gassen von Manosque. Diese 300 Kilometer gehören zu meinen 10 Top-Enduro-Erlebnissen.
Mit einem Eis in der Hand über Nizzas Promenade flanieren, die Zehen ins Meer stecken und dann wieder ab in die Berge von Blausasc: Gleich hinter der Großstadt schaukeln sich diese ersten sanften Hügel der Seealpen auf. Einsame Bergstraßen kurven durch die runden, noch spärlich bewachsenen Kuppen, überwinden einzelne Kämme und schrauben sich Serpentine für Serpentine in die Gipfelregionen hinauf. Einen besonders lohnenswerten Trail-Berg hat uns Enduro-Ass Fabien Barel gezeigt, der hier zuhause ist: den Col du Savel. Die Abfahrt startet mit einer Kurvenfahrt durch dichten Blätterwald. Wie anspruchsvoll dieser Einstieg ist, wissen wir leider nicht, denn wir waren im Januar mit Fabien hier und da pflügten wir nur federleicht durch eine dicke Laubdecke. Im Sommer soll sich dieser Abschnitt aber geröllig und deutlich ruppiger geben. Aber nicht lang. Der Pfad schießt bald in offenes Gelände und weitet die Radien seiner sandigen Kurven. Ein paar Felsen dienen als Absprungrampen, dann quert man auf ausgesetztem Sims eine Hangkante, um am Ende noch in ein kleines Feld von schwarzen Sandhügeln zu münden. Eine Art Mini-Terres-Noires. Insgesamt dauert diese Super-Abfahrt 14,5 Kilometer und 1000 Tiefenmeter.
Anreise: Von St. Raphael zum Col du Savel, im Hinterland von Nizza, sind es 104 Kilometer mit dem Auto.
Der Trail: Um den Trail über den Col du Savel in seiner ganzen Pracht zu genießen, steigt man oberhalb am Cime de Rocaillon ein. Nach ca. 6 km Trail-Fahrt überquert man den Col du Savel, bis der Pfad schließlich in L'Escarène endet. Trail-Abfahrt gesamt:
14,5 Kilometer / 1006 Tiefenmeter. Die GPS-Daten zur Tour gibt es hier gratis zum Download.
Shuttle: Einen Fahrdienst für Biker gibt es leider nicht. Kreativität ist angesagt. Z. B. mit eig. Auto hoch und später kann es einer aus der Gruppe (evtl. mit dem Taxi?) holen.
Landschaftlich unterscheiden sich die beiden Bikespots Blausasc und Sospel natürlich kaum, aber Sospel und speziell sein Bikepark sind in der Szene deutlich bekannter. Auch hier legen Locals seit Jahren mit Schaufel, Säge und Spitzhacke so manch anspruchsvollen Trail-Kilometer frei. Die Lines selbst bleiben aber so naturbelassen wie möglich. Daher sollte man mit einer gewissen Grundlage an Fahrtechnik anreisen, wenn man auf diesen sandigen, stufigen und teils auch geröllhaltigen Pfaden Spaß haben will. Es sind nämlich Trails, die rund um den Ort ins einsame Bergland führen und zu Verlängerungszwecken auch mal ins nächste Bachtal hinüberklettern. Sprich: Mit Gegenanstiegen ist immer wieder zu rechnen, mit Anzeichen von Zivilisation dagegen eher nicht. Die Bezeichnung Bikepark ist allerdings etwas irreführend, denn in Sospel gibt es keinen Lift. Dafür aber inzwischen einen Shuttle, der an der Pension Villa Casoni startet. Diese Biker-Unterkunft ist mit ihrem großen Frühstücksbuffet und Pool im Garten sowieso ein guter Übernachtungs-Tipp. Den Shuttle-Service gibt es übrigens das ganze Jahr über und wenn man den Fahrer nett fragt, dann shuttelt er für einen Tagesausflug sicher auch mal rüber zum Supertrail am Col du Savel.
Anreise: Von Blausasc nach Sospel folgt man einer kurvigen Bergstraße gen Osten. Entfernung: 27 Kilometer
Touren: Man kann mit einem frisch runtergeladenen Track nach Sospel reisen und damit doch in einer Macchia-Sackgasse enden. Das Problem ist: Das Pfadnetz rund um den kleinen Ort ändert sich hier jedes Jahr, weil die Locals sehr eifrig am Werk sind. Daher bucht man sich in Sospel am besten in der Pension Villa Casoni ein. Hier gibt's einen Shuttle und aktuelle Trail-Info!
Der Bikepark Sospel gehört schon zu den Kult-Spots der Seealpen. Auch wenn sich die Trails jedes Jahr ein bisschen ändern, weil die Locals einfach Lust auf eine neue Line hatten. - Florentin Vesenbeckh, EMTB-Magazin
Eine lange und tiefe Talkerbe hat das Flüsschen Argentina östlich von Sanremo in die Ligurischen Seealpen gefräst. Folgt man der Talstraße von der Küste 20 Kilometer landeinwärts, erreicht man das Örtchen Triora, das dort oben auf seinem Felssporn thronend zu den allerhübschesten Dörfern Liguriens gehört. Auch wenn man sich die vielen Hexen-Souvenir-Shops in einigen verwinkelten Gassen wegdenken muss, um die Schönheit der „Hexen-Hauptstadt Liguriens“ zu erkennen. Blickt man von dort oben aber über die Talhänge rechts und links, wird schnell klar: Hier bekommt man es mit Wurzel-Trails zu tun! Das Valle Argentina ist dicht bewaldet. Nur die oberen Bergkämme ragen kahl in den Himmel. Wer also neben sehr spaßigen, aber anspruchsvollen Wald-Trails auch Aussicht möchte, der muss von Molini aus erstmal klettern. Eine der besten Trail-Runden hat uns Bike-Bergsteiger Harald Philipp gezeigt, der hier inzwischen sogar wohnt: den Monte Toraggio-Trail. Per Shuttle ging's zum Ristorante Melosa (1500 hm) hinauf. Die letzten 350 Höhenmeter zum Passo della Valletta kurbelten wir selbst, dann gings einspurig und abenteuerlich um die Felsflanken des Monte Toraggio herum. Mit Adlerblick über den Nationalpark Mercantour!
Mir war schon immer ein Rätsel, warum die meisten nur bis Finale Ligure fahren und dort bleiben. Die ganze Küste entlang warten Trails, die man auch für sich allein haben kann.
Anreise: 77 Kilometer liegen zwischen Sospel und Molini di Triora im Valle Argentina. Dabei überquert man die Grenze nach Italien.
Touren: Auch im Valle Argentina werden die Trails gehegt und gepflegt. Shuttle und Guides kann man bei molinimtb.com und riviera-bike.com buchen.
Infos und GPS-Daten zum Monte Toraggio-Trail gibt es hier.
Pauschal-Reisen: Inzwischen bieten auch deutsche Veranstalter Rundreisen entlang der Ligurischen Küste an, z. B. bei trailxperience.com und dierasenmaeher.de
Das große Finale zum Schluss: Seit Januar 2023 ist das Super-Revier noch mal um das gesamte Trail-Netz des Nachbarortes Pietra Ligure erweitert worden. Damit gibt es jetzt für Biker natürlich noch mehr zu tun. Schon deshalb empfehlen wir, diesen Roadtrip nicht in anderer Richtung zu unternehmen. Die Gefahr ist groß, dass man sich von Finale einfach nicht losreißen kann. Auch im Winter fahren die Shuttles, aber deutlich weniger. Ein Gedränge auf den Trails bleibt also aus – und das trotz zweistelliger Temperaturen, die hier im Januar möglich sind. Einziger Wermutstropfen: Von September bis Januar ist Jagdsaison. In den Wäldern der Gipfelregionen sind jetzt regelmäßig einzelne Trails bis mittags um 14 Uhr gesperrt. Welche Trails das jeweils betrifft, erfährt man von den Shuttle-Fahrern.
Übrigens: Im Winter ist es eine gute Idee, die 1000 Höhenmeter zur Nato Base auch mal selbst zu kurbeln. Das macht warm und bis man oben ist, haben die Jäger die Trails wieder freigegeben (ca. 14 Uhr).
Anreise: Von Westen kommend erreicht man entlang der Küste fahrend zuerst Pietra Ligure. Entfernung: 97 Kilometer. Nach Finale Ligure kommen noch 4 Kilometer hinzu.
Touren: Auf den Klassiker-Trails der Region kann man sich eigentlich nicht mehr verfahren. Dreh- und Angelpunkt für alle Shuttle-, Karten- und GPS-Track-Interessierten: Finale Outdoor Base, Via Per Gorra, 10 in Finale Ligure. Infos gibt es hier: finaleoutdoor.com