Harald Philipp
· 13.07.2017
Da steht dieser Berg, keine 20 Kilometer vom Mittelmeer entfernt – und doch gehört er eigentlich in die Dolomiten: der Monte Toraggio. Hier windet sich der Toraggio-Trail über die Hänge im Valle Nervia, unser BIKE Supertrail Nr. 67.
Senkrechte Felswände, brüchiges Gestein und ein waghalsig angelegter Weg aus Kriegszeiten. Der Monte Toraggio ist in Ligurien zu Hause. Aber nicht im bekannten Finale Ligure, sondern im weiter westlich gelegenen Valle Nervia.
Meine große Liebe sind nun mal die Alpi Ligure, der letzte Teil des Alpenbogens, der ziemlich schroff zum Meer hinbröselt, bevor er einen Schlenker gen Osten macht und im Apennin zu Hügeln ausläuft. Zwischen Steilwänden und Strandblick, Edelweiß und Olivenhain, Steinböcken und Ziegenkäse habe ich mein Herz verloren. Eine Welt voller Kontraste, die irgendwie aus der Zeit gefallen scheint. Seit es Menschen in Europa gibt, ist diese Region besiedelt. Doch dann rauschte die Industrialisierung übers Land, und seither ziehen alle weg. 90 Prozent Bevölkerungsrückgang, verlassene Dörfer – und einsame Supertrails überall.
Doch Adrian stemmt sich dagegen. Der Engländer ist vor 20 Jahren ins Valle Argentina gezogen und bietet mit seiner Firma Rivierabike Shuttle-Touren an. Dafür spürt er alte Wege auf und legt sie mit Sense und Säge wieder frei. Rund 40 Biketrails führen inzwischen von der Alta Via hinab ins Valle Argentina. Ähnlich aktiv war Adrian in den angrenzenden Tälern Roya, Nervia und Richtung Colle di Nava. Und genau dort verläuft mein Lieblingspfad. Um zum Einstieg des Toraggio-Trails im Valle Nervia zu gelangen, mietet man sich am besten in Adis Shuttle-Bus ein. So kann man auf dem Rückweg nach Molini di Triora noch einen weiteren Supertrail mitnehmen. Wer lieber selbst hochkurbelt, startet in Pigna, ist dann mit der Auffahrt aber einen halben Tag beschäftigt.
Angelegt wurde der Sentiero degli Alpini im Zweiten Weltkrieg. Wie eine Acht durchschneidet er das Gebirgsmassiv des Toraggios. Ich wähle für den Aufstieg immer die aussichtsreichere Route über die Westflanke. Hier ist die Steigung moderat und unterhaltsam mit Blick aufs Meer und die Provence. Abenteuer-Biker ohne Höhenangst können alternativ auch auf der Ostseite hochkurbeln. Hier taucht man in eine hochalpine Welt ein, Adler segeln an den Steilwänden entlang, und alles erinnert ein wenig ans berühmte Val d’Uina. Am Passo del Incese treffen beide Varianten wieder zusammen. Für sportliche Fahrer ist dann das nächste Wegstück noch tretbar, alle anderen werden schieben – haben dafür aber auch mehr von der Aussicht: Der Blick reicht vom Mont Viso bis nach Korsika. Wenige Meter unterm Gipfel ist es schließlich so weit: Der Blick heftet sich auf den Trail, der jetzt ganze 1700 Höhenmeter Abfahrt bringt! Zuerst blockig mit ein paar witzigen Spitzkehren. Dann geht’s immer schneller über einen verspielten Gratweg, durch einen erdigen Rollercoaster und zuletzt über historische Eselspfade nach Pigna hinunter. Diese Abfahrt hat alles, was man sich als Biker wünschen kann, und: Sie hört einfach nicht auf!
Unten in Pigna rollt man durch eine wunderschöne Altstadt oder sucht im Fluss nach den heißen Quellen, die darin angeblich sprudeln. Ich habe bisher nur die Kalten erwischt, aber ich werde weitersuchen.
Autor Harald Philipp (33): Der Bike-Bergsteiger hat im Valle Argentina im Hinterland der Ligurischen Küste eine neue Zweitheimat gefunden und sich gegen den Trend dort ein Haus gekauft. Die Trails sind ja Gott sei Dank schon da.
Bestes Basislager für diese Region ist der nette Ort Molini di Triora. Hier starten die meisten Touren, es gibt eine gute Unterkunft (Hotel Santo Spirito), und der Shuttle startet von hier.
Den Einstieg des Toraggio-Trails erreicht man am besten per Shuttle bis zum Colle Melosa. Den restlichen Anstieg per Bike.
Infos: www.riviera-bike.com
Wer den Anstieg komplett per Bike machen will, startet am besten in Pigna im Valle Nervia.