Peter Nilges
· 07.12.2022
Mit der neuesten Version des Saturn 11 setzt die Kultschmiede Nicolai viele Detailverbesserungen um. So entsteht trotz Alu-Rahmen ein absolut konkurrenzfähiges Down-Country-Bike.
Es war so etwas wie eine kleine Sensation. Beim großen Vergleichstest der Down-Country-Bikes in BIKE 7/20 schnappte sich das damalige Saturn 11 den Testsieg und deklassierte die versammelte Carbon-Konkurrenz. Aufgrund einer strengen Anbauteile-Diät wog das Nicolai trotz seines Alu-Rahmens gerade mal 10,6 Kilo ohne Pedale und begeisterte mit seinem ungestümen Vortrieb und seinem tadellosen Handling.
Ein paar kleinere Kritikpunkte hatten wir dennoch am flinken Nicolai Saturn 11. So war die Reifenfreiheit am Hinterbau auf eine Breite von 2,2 Zoll beschränkt, und in den Rahmen passten nur Dämpfer mit dem alten, zölligen Einbaumaß. Bei der neuesten Version des Saturn 11 hat Nicolai nachgebessert. Im Hinterbau finden nun auch voluminöse 2,4er-Reifen sowie Dämpfer mit aktuellem metrischen Einbaumaß Platz.
Durch eine größere Stützbreite der Lager am Umlenkhebel legt der neue Rahmen auch bei der Steifigkeit zu. Unsere Messungen im Labor bestätigen einen Zuwachs von immerhin 7,5 Prozent. Damit verbessert sich auch der STW-Wert minimal, obwohl der Rahmen um 120 Gramm an Gewicht zugelegt hat und nun 2764 Gramm ohne Dämpfer auf die Waage bringt. Auch bei den Rahmendetails gibt es Neues zu entdecken. Die beim Nicolai Saturn 11 typische Zugstange, die den Rahmen bei harten Durchschlägen entlastet, sucht man an der neuen, verstärkten Ausbaustufe vergebens.
Bei der Geometrie und dem Federweg hält Nicolai hingegen an den bisherigen Werten fest und meidet Extreme beim aktuellen Saturn. So liegt der Lenkwinkel bei 67 Grad, der Sitzwinkel bei 74 Grad und der Reach bei 468 Millimetern in Größe L. Recht klassische Werte also für ein Fully mit Down-Country-Ambitionen und rund 120 Millimetern Federweg. Anders als das Superleichtgeschoss aus dem vergangenen Test wiegt das aktuelle Saturn 11 zwar 1,2 Kilo mehr, bleibt aber immer noch deutlich unter der 12-Kilo-Marke. Zusätzlich verfügt es über potentere Reifen und eine Teleskopstütze, wenn auch nur mit einem überschaubaren Hub von 80 Millimetern. Bei einem Gesamtpreis von knapp 8000 Euro finden sich überwiegend hochwertige Teile am handwerklich sauber verarbeiteten Alu-Rahmen.
Ein absolutes Highlight sind die extrem leichten Pi Rope-Laufräder mit Textilspeichen. Bei der Sram GX AXS-Schaltung bleibt noch minimal Luft nach oben. Trotz der breiten und griffigen Wolfpack-Reifen hängt das Nicolai Saturn 11 exzellent am Gas und giert nach harten Antritten. Ideal für zehrende Runden mit hoher Trail-Dichte. Dabei bleibt der sensible Hinterbau allerdings nicht komplett wippfrei und pumpt leicht im Wiegetritt. Die schnell erreichbare Plattform am Dämpfer sorgt aber effizient für Ruhe. Die Kombination aus 468er-Reach und 74er-Sitzwinkel garantiert eine angenehm sportliche Sitzposition und trifft den Einsatzzweck perfekt. Zusätzlich zahlen die langen Kettenstreben auf die Kletterqualitäten des niedersächsischen Down-Country-Bikes ein, ohne dass die Front zu schnell steigt.
Weniger gut gefiel den Testern die gewöhnungsbedürftige Kröpfung des Level-Nine-Carbon-Lenkers. Auch die dicken SQlab-Griffe passten nicht zu allen Testerhänden. Per Konfigurator lässt sich bei Nicolai aber ohnehin alles nach den eigenen Vorlieben anpassen, wobei das Rahmen-Kit ab 2799 Euro und das günstigste Komplett-Bike ab 5999 Euro zu haben sind. Zusätzlich können die Farbdekore, das Rahmen-Finish und die Eloxalteile, wie Lagerdeckel, für den Custom-Aufbau angepasst werden. Für Getriebefreunde gibt es das Saturn 11 mit Zusatz GPI selbstverständlich auch mit Pinion-Antrieb und Gates-Zahnriemen (ab 4549 Euro für das Rahmen-Kit).
Im Trail-Einsatz kann auch das neue Saturn 11 überzeugen. Durch den 67er-Lenkwinkel und die langen Kettenstreben besitzt das Nicolai ausreichend Laufruhe, ohne zu sperrig in engen Kurven zu werden. Das DT-Swiss-Fahrwerk arbeitet sensibel und generiert viel Traktion. Nur in besonders steilen Passagen macht sich der knappe Hub der Teleskopstütze bemerkbar und limitiert. Da die Zugführung zweckmäßig außen auf dem Unterrohr verläuft, wird die Wartung zum Kinderspiel. Die oberste Leitungsführung könnte jedoch noch etwas dichter am Steuerrohr sitzen, damit die Züge nicht an der Gabelkrone klappern. Für eine kraftvolle Verzögerung sorgen die leichten Magura-MT8-Bremsen. Ebenfalls erfreulich: Nicolai bietet sein schnellstes Fully in der Modellpalette in fünf verschiedenen Größen an. Damit werden Fahrer von 1,64 bis 2,10 Metern glücklich.
Das neue Nicolai Saturn 11 kann als waschechtes Down-Country-Bike mit exzellentem Vortrieb und sensiblem Fahrwerk überzeugen. Auch wenn der tadellos verarbeitete Alu-Rahmen nicht der leichteste ist, sind absolut konkurrenzfähige Aufbauten möglich. Zudem bietet das Custom-Programm eine Fülle an Auswahlmöglichkeiten.
¹Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig.
BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–170 P.), gut (169,75–140 P.), befriedigend (139,75–100 P.), mit Schwächen, ungenügend. ²Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.