Adrian Kaether
· 14.03.2023
Mit dem Stance E+ legt Giant sein E-MTB-Erfolgsmodell neu auf. Das Einsteigerfully bekommt entscheidende Updates bei Geometrie, Motor und Akku und macht damit fahrdynamisch einen Sprung nach vorne. Die Preise des E-Fullys bleiben moderat.
Knapp im Federweg, etwas unausgewogen in der Geometrie: Dass das Giant Stance E+ schon einige Jahre auf dem Buckel hatte, war dem Modell im letzten Touren-Fully-Test schon deutlich anzumerken. Dennoch blieb das Stance E+ auch 2022 der Kassenschlager in Giants Fully-Portfolio und verkaufte sich im deutschsprachigen Raum in fünfstelligen Stückzahlen – so viel verkaufte Giant bei den High-End-Modellen Trance E+ und Reign E+ nicht einmal zusammengenommen.
Höchste Zeit also, dem Erfolgsmodell ein länger überfälliges Update zu gönnen. Mit einer neuen Geometrie, frischer Optik und sogar neuen Motoren und Akkus macht Giant das elektrische Tourenfully Stance E+ fit für die Zukunft. Nur die Laufräder in 29 Zoll sind gleich geblieben, ebenso wie Zielsetzung des E-Bikes: Unkomplizierten Fahrspaß im Gelände zu einem fairen Kurs zu bieten.
Die auffälligste Neuerung ist der neue Rahmen. Erinnerte das alte Giant Stance E+ mit nach hinten geknicktem Sitzrohr und steilem Lenkwinkel noch an klassische All Mountain Bikes aus den Zeiten von Aufsetz-Akku und 26 Zoll, zeigt sich das neue E-Fully Stance wesentlich moderner. Das spiegelt sich auch in der Geometrie wieder. Ein steilerer Sitzwinkel sollte die Sitzposition bergauf deutlich verbessern, das tiefe Tretlager, der flache Lenkwinkel und der lange Radstand dürften für viel Fahrstabilität und Laufruhe bergab sorgen.
Wie der Vorgänger kommt auch das neue Stance E+ zugunsten der Alltagstauglichkeit mit Anschraubpunkten für Schutzblech und Gepäckträger. Ab Werk wird es auch Modelle mit entsprechender Ausstattung geben. Die Seitenständeraufnahme nach dem KS40-Standard soll im Vergleich zum Vorgänger eine bessere Langlebigkeit bringen und es erlauben, auch Seitenständer von Fremdherstellern zu montieren.
Im Unterrohr des Giant Stance E+ steckt nun mindestens ein Akku mit 625 Wattstunden, die günstigste Option mit 500er-Akku entfällt. Dafür spendiert Giant dem Stance E+ die Akku-Entnahme der Topmodelle mit werkzeuglos abnehmbarem Cover und Akku-Fixierung per Torx-Schraube. In den drei teureren Modellen steckt neben Giants Top-Motor Syncdrive-Pro-2 sogar Giants neuester 800-Wattstunden-Akku. Mit einem nur geringen Mehrgewicht gegenüber dem 625er Akku bietet dieser das beste Verhältnis aus Gewicht und Reichweite und liegt auf Augenhöhe mit Boschs 750-Wattstunden-Akku im Smart System. Wem das nicht ausreicht, der kann mit Giants Range Extender Energy Pak Plus (599,90 Euro) noch um 250 Wattstunden aufstocken
Dass das neue Giant Stance E+ im Tretlagerbereich deutlich schlanker geworden ist und nicht mehr den “Hängebauch” des alten Modells aufweist, ist dem neuen Motor zu verdanken. Setzte das alte Stance E noch auf Giants Syncdrive Pro oder Sport Modelle auf Basis von Yamahas PW-X2, kommen die neuen E-Bike Fullys mit Giants deutlich schlankeren und leichteren Syncdrive Pro-2 oder Sport-2-Motoren auf Basis des neuen Yamaha PW-X3. Der Top-Antrieb Pro-2 liefert dabei 85 Newtonmeter, der Sport-2 in den günstigeren Modellen muss sich mit 75 Newtonmetern, 100 Gramm mehr Gewicht und einem etwas höheren Leerweg beim Antreten begnügen.
Positiver Nebeneffekt neben dem geringeren Motorengewicht: Die schlankere Form des E-Bike-Motors verbessert die Bodenfreiheit und ermöglicht ein tieferes Tretlager ohne Aufsetzer zu provozieren. Das sorgt für einen guten Stand im Rad und eine satte Trail- und Kurvenlage.
Wie schon der Vorgänger von Giant kommt auch das neue Stance E+ mit Hinterbau im klassischen Viergelenker-Design, bei dem das hinterste Lager (Horst Link) durch flexende Sitzstreben ersetzt wird. Daher bezeichnet Giant die Konstruktion auch als Flexpoint-Hinterbau. Speziell bei Bikes mit etwas weniger Federweg soll diese Konstruktion gut funktionieren. Das aufwändigere Maestro-System mit schwimmendem Dämpfer bleibt den Topmodellen Trance und Reign vorbehalten.
Ab einem Einstiegspreis von 3999 Euro steht das günstigste Giant Stance E+ 2 beim Händler. Syncdrive Sport-2-Motor und der 625 Wattstunden-Akku bieten solide Performance. Ein Fahrwerk von SR Suntour und Bremsen von Tektro drücken den Preis beim Einstiegsmodell des E-Bikes. Das Stance E+ 1 kommt dann für 4499 Euro mit einer Rockshox-35-Gabel, aber identischem Motor und Akku.
800 Wattstunden im Akku und den Top-Motor Syncdrive-Pro-2 mit 85 Newtonmetern gibt’s in den E-Fully-Modellen E+1 Pro (4999 Euro) und E+ 0 Pro (5499 Euro). Das Topmodell E+ 0 Pro kommt außerdem mit vollständigem Rockshox-Fahrwerk und Bremsen sowie Schaltung aus Shimanos SLX- und XT-Regalen, das günstigere E+1 Pro muss mit SR Suntour Dämpfer und Tektro-Bremsen auskommen.
Die zwei SUV-Modelle Stance E+ EX (4299 Euro) und EX Pro (5499 Euro) kommen ab Werk mit Licht und Schutzblechen. Der Preis bei der günstigeren Modell-Variante wird durch den schwächeren Sport-2-Antrieb und den kleineren Akku mit 625 Wattstunden ermöglicht, während das EX Pro mit Pro-2-Motor und 800 Wattstunden in den Läden steht. Bis auf ein Modell, das auf eine klassische Shimano-12fach-Deore setzt, kommen alle Giant Stance-E+ Modelle mit Shimano-Schaltgruppen aus der Linkglide-Serie. Diese bieten weniger Gänge und sind schwerer, sollen aber deutlich haltbarer sein. An einem sorglos-Rad, dass auch mal im Alltag genutzt werden soll, eine gute Wahl.
Mit einem tieferen Einstieg und speziell angepasster Geometrie sowie Ausstattung ist das Embolden E+ von Liv das Frauen-Modell von Giants Stance E+. Wie beim Giant bekommt man hier 140/125-Millimeter Federweg, Laufräder in 29 Zoll und eine moderne Geometrie sowie die aktuellste Motorengeneration. Die Preise beginnen bei 3999 Euro, das Topmodell Embolden E+ Pro schlägt mit 4999 Euro zu Buche.
Wir konnten das Giant Stance E+ sowohl beim Launch des Bikes im Raum Düsseldorf als auch auf unseren Hometrails ausgiebig fahren. Schon beim Aufsitzen gefällt das neue Stance E+. Die hecklastige Sitzposition des Vorgängers ist dank eines steileren Sitzwinkels Geschichte. Man sitzt ausgewogen auf dem Rad, wenn auch nicht so kompakt wie bei manchem Konkurrenten. Bergauf schiebt der Syncdrive-Pro-2-Motor kräftig, setzt seine volle Leistung aber erst frei, wenn der Fahrer selbst kräftig tritt. Das ist typisch für den Syncdrive Pro 2 E-Bike-Motor und gefällt sportlichen Piloten. Die Traktion des Stance E+ ist erstklassig, der Hinterbau bügelt trotz nominell nur 125 Millimetern selbst gröbere Wurzeln souverän glatt und begeistert mit hohem Federungskomfort, auch im Sitzen. Shimanos schwere und auf Haltbarkeit getrimmte XT-Linkglide-Schaltung konnte auch mit nur elf Gängen überzeugen. Die Bandbreite reicht am E-MTB völlig aus, die Schaltvorgänge sind flüssig und die verbesserte Haltbarkeit dürfte eine gute Wahl sein, wenn das Bike im Alltag genutzt wird.
Steile Anstiege erklettert das Giant E-MTB dank langer Kettenstreben (467 Millimeter) und gelungener Geometrie souverän. Der Motor des Stance E+, der bei Pedaldruck im Stand schon leicht ruckelt, gefällt hier mit dem typischen superkurzen Leerweg und erleichtert das Anfahren bergauf, sollte man doch mal steckenbleiben. Das 2-in-1-Display konnte leider weniger gefallen. Der Tastendruck ist undefiniert, die Ablesbarkeit bei hellem Licht ausbaufähig. Die U-Stufe zu wechseln, erforderte immer einen kurzen Blick an den Lenker, um auch die richtige Taste zu erwischen. Zwar lassen sich andere Displays bei Giant recht unkompliziert verbauen, das gelungene Oberrohr-Display Ride-Control-Go mit der ergonomischen Remote ist jedoch nicht mit dem Stance E+ kompatibel.
Bergab zieht das Giant E-Bike laufruhig seine Bahnen. Der lange Radstand, der modern-flache Lenkwinkel und die langen Kettenstreben vermitteln gemeinsam mit dem souveränen Fahrwerk und tiefem Tretlager gemessen am Federweg viel Sicherheit. Bedenkenlos kann man sich mit dem Giant auch in schweres Gelände wagen, der moderate Federweg begrenzt das Potential des Stance E+ erst spät. Das E-Fully wirkt gut ausbalanciert, priorisiert aber klar Fahrsicherheit und Laufruhe vor einem agilen Fahrverhalten. Kritik gibt’s für ein deutliches Klappern bei unseren beiden Testbikes. Manuals und Bunny-Hops kosten – typische für lange Geometrien – viel Einsatz.
Mit dem neuen Stance E+ hebt Giant sein günstiges Fully auf die Höhe der Zeit. Dank dicken Akkus gibt’s satte Reichweite. SUV-Modelle und Shimanos Linkglide-Schaltung setzen Akzente bei der Alltagstauglichkeit. Trotzdem sind die Trail-Eigenschaften top: Fahrstabil und sicher zieht das Stance E+ bergab seine Bahnen, lässt sich unkompliziert steuern und klettert erstklassig. Trotz kleinerer Kritikpunkte bei Display und Geräuschkulisse: Das neue Giant Stance E+ ist ein richtig gelungenes Bike und noch dazu recht bezahlbar.
Wie sich das Stance E+ im Vergleich mit der direkten Konkurrenz unter 5000 Euro schlägt, lest ihr dann ausführlich in EMTB 2/2023 – ab 18. April am Kiosk.