Stefan Loibl
· 07.08.2021
Minimalistische Federungen, Vario-Stützen und breite Reifen: Glaubt man der Industrie, sollen Gravelbikes den klassischen Hardtails den Rang ablaufen. Dabei wachsen beide Radtypen immer mehr zusammen.
Ob Klickschuhe, Helme oder Klamotten: Gravel, wohin man schaut. Nahezu jeder Hersteller versucht, auf den Gravelbike-Zug aufzuspringen und die passenden Produkte für abenteuerlustige Offroad-Radler ins Sortiment zu nehmen. Erfahrene Langstrecken-Mountainbiker können darüber nur schmunzeln. Denn ohne Federung, mit Taschen am Rad und auf schmalen Reifen durchs Gelände zu kurbeln, zelebrieren sie seit mehr als zwei Jahrzehnten. Mit leichten, sportlichen Hardtails eben, auf denen man komfortabler unterwegs ist und auch deutlich technische Trails in Angriff nehmen kann. Doch die sind nicht mehr hip genug. Die schnellen Schotter-Rennräder für leichtes Gelände dagegen schon. Steckachsen und Scheibenbremsen wie beim Mountainbike sind bei den neuesten Gravelbikes von Canyon, Scott oder Rose die Regel. Für mehr Fahrspaß und Komfort im Gelände sorgen breit abgestützte Rennlenker, teils sogar absenkbare Sattelstützen, minimalistische Federungen (wie die Lefty-Oliver-Gabel von Cannondale) und Reifenbreiten bis zu 2,0 Zoll. Dazu kommen jede Menge Befestigungsmöglichkeiten an Rahmen und Gabel, um Bikepacking-Ausrüstung zu fixieren. Da fehlt eigentlich nur noch ein Flatbar, damit aus dem Gravelbike wieder ein ungefedertes Hardtail wird.
Nach unserem ausführlichen Test und Systemvergleich Gravelbike vs. MTB im Vorjahr stehen für 2022 viele neue Modelle und Komponenten in den Startlöchern. Trotz dieses Gravel-Hypes hat man als Mountainbiker irgendwie das Gefühl, als hätte jemand die Zeit um 30 Jahre zurückgedreht. In vielen Punkten machen Gravelbikes gerade das durch, was auch den Mountainbikes in den Anfangsjahren blühte. Für eine bessere Geländegängigkeit wurden alle Teile nach und nach optimiert. Doch wie nah kommt der aktuelle Gravelbike-Jahrgang dem klassischen Mountainbiken mit starrem Heck wirklich? Oder ist die junge Radgattung für kilometerwillige Hardtailbiker gar unnötig? Wir haben uns zwei spannende Bikes genauer angeschaut, die in diese Lücke zwischen Gravelbike und Hardtail mit Federgabel drängen. Scrollt man sich durch die Fotogalerien von Ultra-Langstreckenrennen wie dem Atlas Mountain Race in Marokko oder dem US-Klassiker Tour Divide, tragen viele der gefahrenen Räder die Schriftzüge von Salsa und Bombtrack am Unterrohr. Deshalb haben wir uns auch diese zwei Bikes ausgesucht:
Das Cutthroat hat Salsa speziell für lange Bikepacking-Trips „auf gemischten Untergründen“ entwickelt und gilt als Abenteuer-Gravelbike. Gewicht: 11,1 Kilo ohne Pedale. Preis: 3599 Euro.
Das Cale AL der Kölner Marke Bombtrack haben wir kurzerhand mit Carbon-Starrgabel und anderen Reifen zum Schotterflitzer umgerüstet. Gewicht nach unseren Umbauten: 12,2 Kilo ohne Pedale. Preis Serien-Bike: 2250 Euro. Die Carbon-Starrgabel von Bombtrack kostet 350 Euro.
Wie sich die beiden Bikes auf dem bayerischen Orbit-360-Rundkurs „Terra Trail“ geschlagen haben, lesen Sie demnächst in BIKE. Mehr Gravelbikes, Zubehör und Ausrüstung finden Sie im Gravel-Spezial, das BIKE 9/21 als Extraheft beiliegt.