Adrian Kaether
, Stefan Loibl
· 16.02.2022
Das neue Cannondale Scalpel HT rollt mit extrem flachem Lenkwinkel an den Start. Ob die US-Amerikaner bei ihrem Race-Hardtail damit über das Ziel hinausgeschossen sind, klärt unser BIKE-Test.
2022 schickt Cannondale nicht nur sein Racehardtail F-Si in Rente, sondern zugleich auch die Modellbezeichnung selbst. Doch der Nachfolger steht bereits in den Startlöchern: Das neue Scalpel HT übernimmt den Namen von Cannondales Renn-Fully und soll mit einem Lenkwinkel von 66,5 Grad das flachste und damit laufruhigste Racehardtail aller Zeiten sein. Ein Wert, den bis vor wenigen Jahren gerade mal Trailfullys erreichten oder ein durchschnittliches Enduro von 2011. Die etwas längere Gabel mit 110 Millimetern Hub und somit auch die progressive Geometrie bleiben allerdings dem Top-Modell vorbehalten. Etwas weniger extrem: die günstigeren Modelle, die mit klassischer 100-Millimeter-Gabel beim Händler stehen. Hier liegt der Lenkwinkel dann immerhin noch bei flachen 67 Grad. Damit lässt Cannondale das alte Ideal von 71 Grad Lenkwinkel und 73 Grad Sitzwinkel auch bei den Hardtails endgültig hinter sich. Zurecht, wie man im Hinblick auf die immer technischeren Rennkurse sagen muss. Doch mit wachsender Laufruhe schwindet auch bei den Hardtails die Agilität. Ist nun ausgerechnet Cannondale mit dem Scalpel HT über das Ziel hinausgeschossen?
Natürlich ist das neue Cannondale nicht das erste Hardtail, das den Aufbruch in eine neue Welt der Rahmengeometrien wagt. Der Schweizer Hersteller BMC sorgte erst letztes Jahr für Aufsehen, als er dem flachen und langen Racefully Fourstroke ein ebenso modern ausgelegtes Hardtail mit dem Namen Twostroke folgen ließ. Maximaler Sitzkomfort für lange Marathons inklusive. Auch wenn man in engen Passagen etwas beherzter am Lenker ziehen musste: Uns gefiel’s, besonders in schnellen Sektionen bergab. Ähnlich erging es uns mit dem superleichten Mondraker Podium, das zwar im Lenkwinkel weniger extrem ausfällt, aber wegen des langen Rahmens mit viel Druck auf dem Lenker bewegt werden will. Eine Umstellung zwar für Fans klassischer Hardtail-Geometrien, die in schnellen Rumpelpassagen aber mit einer Extraportion Laufruhe belohnt wird.
Das neue Scalpel HT könnte nun den Bikes von BMC und Mondraker auch bergab gefährlich werden. Vor allem, weil die Amerikaner neben der flachen Front noch weitere Asse im Ärmel haben. Zusätzlich zum Reach passt Cannondale beim Scalpel HT nämlich auch die Kettenstrebenlänge für jede Rahmengröße einzeln an, damit der Schwerpunkt stets ausgewogen zwischen den Rädern verteilt wird.
Ein vergrößertes Gabel-Offset und somit kürzerer Nachlauf sollen hauptsächlich dafür verantwortlich sein, dass die Lenkung trotz des flachen Winkels nicht zu stark abkippt. In Verbindung mit dem längeren Radstand sollen sich so trotzdem schwierige und enge Uphill-Passagen gut meistern lassen. Auch in die Carbon-Struktur des neuen Rahmens ist viel Hirnschmalz geflossen. Wie beim Gravelbike Topstone gehen die Sitzstreben schon deutlich unterhalb des Oberrohrs in den Hauptrahmen über, was es dem Hinterbau ermöglichen soll, kleine Schläge zu dämpfen und so den Fahrkomfort zu erhöhen. Der Top-Rahmen in Größe M soll dank Hi-Mod-Fasern die 900-Gramm-Marke knacken. Vier Modelle in je vier Rahmengrößen von S bis XL soll es geben. Die Preise beginnen bei 2499 Euro für das Carbon 4. Das Top-Modell Hi-Mod 1 für 6999 Euro* kommt neben der längeren Gabel auch mit dem leichteren Rahmen. Die anderen Bikes müssen sich mit dem, je nach Größe, circa 150 Gramm schwereren Standardrahmen begnügen.
Moderne Marathon-Bikes wie das Scalpel HT sagen den konventionellen Werten den Kampf an. Maximaler Leichtbau und steile Winkel weichen mehr Federweg und flacheren Geometrien. Mit zwei Duellen – modern gegen klassisch – klären wir in BIKE 3/2022, welche Generation das perfekte Racebike stellt. Bei den Hardtails tritt das Scalpel HT gegen das Cube Elite C:68 X SL an, bei den Race-Fullys heißt das Duell: Scott Spark RC gegen KTM Scarp.
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