Baskischer CharakterkopfE-Enduro Orbea Wild 2023

Adrian Kaether

 · 17.11.2022

Das neue Orbea Wild kommt mit fest verbautem Akku. Dadurch wiegt selbst unser Testbike mit Alu-Laufrädern, Downhill-Reifen und 750er Akku nur knappe 23 Kilogramm.
Foto: Jérémie Reuiller
Das neue Orbea Wild 2023.

Orbea legt das E-Fully Wild neu auf. Das Bosch E-Bike ist jetzt konsequent auf Geschwindigkeit bergab getrimmt, das Topmodell wiegt nur 20,9 Kilogramm. Ein spannendes E-MTB für schnelle Fahrer. Für Fans entspannter Touren ist das neue Orbea Wild mit fest verbautem Akku eher nicht gemacht.

Wie kann man ein E-MTB moderner, länger, leiser und steifer machen und trotzdem über ein Kilogramm beim Rahmen einsparen? Die Antwort ist so einfach wie radikal: Man verzichtet auf das Loch im Unterrohr zur Entnahme des Akkus. Technisch gesehen leuchtet das ein, bei E-Mountainbikern dürfte die Entscheidung bei Orbeas neuem Wild aber für einigen Gegenwind sorgen.

Inhalt:

Klare Kante bei einem E-Bike, dessen Vorgänger nicht zuletzt für seine Qualitäten als abfahrtsstarker Allrounder geschätzt wurde. Das neue Orbea Wild ist da deutlich extremer unterwegs, obwohl die Eckdaten des neuen Modells dem Vorgänger noch recht ähnlich sind. Nach wie vor rollt das Wild auf Laufrädern in 29 Zoll, stellt am Heck nach wie vor 160 Millimeter Federweg bereit. Die Batterie – wahlweise Boschs 750er oder der neue und etwa 800 Gramm leichtere 625er Powertube – sitzt deswegen besonders tief und jetzt eben fest verbaut im neuen Rahmen. Immerhin: Der Rahmen ist bereits für einen Range-Extender vorbereitet. Bislang ist der für Boschs Smart System noch nicht vorgestellt, dürfte dem neuen Wild bei der Reichweite aber ein spürbares Plus bringen.

Die Qual der Wahl: Dicker 750er Akku, oder lieber 800 Gramm weniger und dafür nur 625 Wattstunden? Wenn der Range-Extender kommt, dürfte die kleinere Batterie attraktiver werden.Foto: Orbea
Die Qual der Wahl: Dicker 750er Akku, oder lieber 800 Gramm weniger und dafür nur 625 Wattstunden? Wenn der Range-Extender kommt, dürfte die kleinere Batterie attraktiver werden.

Das neue Orbea Wild: Die wichtigsten E-Bike-Fakten im Überblick

  • Motor: Bosch Performance CX Smart
  • Akku: Bosch Powertube 625 oder 750, fest verbaut
  • Material: Carbon oder Aluminium
  • Rahmen: 50 Prozent steifer, rund 1kg leichter als Vorgänger
  • Federweg: 160 Millimeter, optional 170er Gabel
  • Laufradgröße: 29 Zoll
  • Ab 20,9 Kilo (Topmodell, 625er Akku)
  • Drei Alu-Modelle ab 5699 und 6999 Euro
  • Vier Carbon-Modelle zwischen 7299 und 11999 Euro
  • Farbe bei Carbonmodellen über den MyO-Konfigurator nach Kundenwunsch
Orbea Wild M-LTD // 11999 Euro // 20,9 kg (Größe M) // 29 Zoll // 625 wh // 160 mm.Foto: Orbea
Orbea Wild M-LTD // 11999 Euro // 20,9 kg (Größe M) // 29 Zoll // 625 wh // 160 mm.

Konzept und Rahmen des neuen Orbea Wild

Das Chassis ist komplett aus Carbon, selbst die Dämpferwippe und die Abdeckung des Ladeports haben die Basken beim neuen Wild aus Kohlefaser machen lassen. Das bringt funktional kaum Vorteile, wirkt aber wertig. Nur 2,75 Kilogramm soll der Rahmen des E-MTB wiegen, ohne Motor und Akku versteht sich. Gewicht zu sparen ist ein Mittel zum Zweck, um das Fahrverhalten des Bikes positiv zu beeinflussen.

Ebenso soll die höhere Steifigkeit auf das Fahrverhalten einzahlen. Allein das fehlende Loch im Unterrohr für die Entnahme der Batterie macht den Rahmen bei gleicher Wandstärke wie beim Vorgänger um 70 Prozent steifer, sagen die Orbea-Entwickler. Das finale E-Bike geht etwas weicher in Serie. 50 Prozent mehr Steifigkeit als beim Vorgänger sollen der ideale Kompromiss zwischen neutralem Fahrverhalten bei Highspeed einerseits und genügend Nachgiebigkeit in rauem Gelände andererseits sein. Zum Vergleich: In absoluten Werten ist das neue Orbea Wild damit etwa so steif wie das Enduro Rallon ohne Motor.

Die Geometrie des neuen Orbea E-Bike: Modern und verspielt

Die Geometrie des neuen Wild im Überblick.Foto: Orbea
Die Geometrie des neuen Wild im Überblick.

Außerdem hat man beim neuen Wild Enduro für mehr Spieltrieb die Kettenstreben auf 448 Millimeter gekürzt und das Tretlager mit einem BB-Drop von 25 Millimetern in einer ähnlich tiefen Position wie beim Vorgänger belassen. Der längere Reach von 480 Millimetern in Größe L und ein flacherer Lenkwinkel von 64 Grad sind mittlerweile Standard für mehr Sicherheit bergab. Damit das neue Wild trotzdem gut klettert, hat Orbea den Sitzwinkel mit 77,5 Grad recht steil gestaltet. Das bringt im Uphill Gewicht nach vorne und verhindert, dass die Front all zu früh leicht wird. Positiver Nebeneffekt: Das Sitzrohr verläuft fast gerade und sorgt für maximale Einstecktiefe von langen Sattelstützen.

Lenkanschlag, Langlebigkeit und Fahrwerk: Rahmendetails zum neuen Orbea Wild

Damit der Rahmen möglichst lange lebt, setzt Orbea beim neuen Wild sowohl im Steuersatz wie auch im Hinterbau auf teure Lager von Enduro-Bearings, eine Gummi-Lippe an den Abdeckungen der Lager bildet eine zusätzliche Barriere gegen das Eindringen von Schmutz und Wasser. Spezialität der neuen Orbeas: Auch das Wild kommt wie das neue Cross-Country-Fully Oiz mit einem hauseigenen Lenkanschlag, der über eine Nut im Vorbau der Orbea Eigenmarke OC-Components in Kombination mit einer speziellen Lagerschale funktioniert. Die Züge können dadurch gefahrfrei am Steuersatz in den Rahmen laufen, Dichtungen verhindern auch hier das Eindringen von Wasser.

Über einen Spezial-Vorbau und passende Spacer und Lager begrenzt Orbea den Lenkeinschlag um den Rahmen zu schützen.
Foto: Orbea

Klassische Vorbauten bleiben weiterhin nutzbar, dann entfällt allerdings der Vorteil des ins Cockpit integrierten Lenkanschlags. Zusätzlich zum Vorbau hat Orbea außerdem eine eigene Reihe von Alu- und Carbonlenkern vorgestellt. Speziell die Carbonmodelle wurden, wie der Rahmen selbst, auf einen guten Kompromiss aus Steifigkeit und Komfort hin optimiert. Ein Entwicklungsziel, das Orbea auch für die neu vorgestellten Laufräder der Eigenmarke Oquo vorgibt. Neben dem Chassis auch Cockpit und Laufräder nach den eigenen Vorstellungen zu optimieren, klingt überzeugend und soll dem neuen Wild E-Fully die maximale Performance auf dem Trail sichern.

In Sachen Fahrwerk bleibt Orbea bei einem klassischen Viergelenker im Heck und optimiert die Kinematik nur in den Details. Dadurch steht der Dämpfer klassisch vor dem Unterrohr und lässt großzügig Platz für eine Trinkflasche oder den zukünftigen Range-Extender. Ungewöhnlich: Der neue Hinterbau ist weniger progressiv als beim Vorgänger. Damit entzieht sich Orbea an dieser Stelle einem modernen Trend. Das neue Wild soll sich so im ersten Federwegsdrittel lebendiger fahren, bei Bunny-Hops weniger am Boden kleben und in der Endprogression nicht ganz so straff werden.

Der stehende Dämpfer lässt viel Platz für eine Trinkflasche oder einen Range-Extender.Foto: Jérémie Reuiller
Der stehende Dämpfer lässt viel Platz für eine Trinkflasche oder einen Range-Extender.

Orbea Wild: Alu-Rahmen, Modelle und Preise 2023

Zusätzlich zum Modell mit Vollcarbon-Rahmen wird es das neue Orbea Wild E-Bike auch mit Alu-Chassis geben. Das von Orbea wegen der hydrogeformten Rohre “Hydro” getaufte Modell kommt mit polierten Schweißnähten der Optik des Carbon-Bikes sehr nahe. Auch hier ist der Akku fest verbaut, das bringt auch beim Alu-Modell einen deutlichen Gewichtsvorteil gegenüber dem Vorgänger. 1100 Gramm sollen hier beim Rahmen eingespart worden sein.

Der Alu-Rahmen liegt mit polierten Schweißnähten optisch sehr nah am Carbonmodell.
Foto: Adrian Kaether
Alu-Rahmen und Modellübersicht.

Insgesamt drei Modelle ab 5700 Euro wird es mit Alu-Rahmen geben, das Topmodell H10 soll für 7000 Euro mit der 750er Batterie und Enduro-Ausstattung 24,56 Kilogramm wiegen. Optional gibt’s hier sogar ein Fox-Factory-Fahrwerk und die leichten Alu-Laufräder der neu gegründeten Orbea-Eigenmarke Oquo. Das Wild E-MTB mit Carbon-Rahmen gibt’s in vier Modellen ab 7300 Euro, hier stecken die Alu- und Carbon-Versionen der Oquo-Laufräder ebenfalls nur in den drei teureren Versionen. Vor unseren Augen wird auf der Präsentation des neuen Wild das Topmodell an einer vorher genullten Parktool-Waage präsentiert – sie pendelt sich mit 625er Akku aber dicker Fox 38 und Downhilldämpfer sowie standesgemäßer Reifen bei 20,9 Kilogramm ein. In diese Region stoßen nur wenige Bikes mit Boschs gewichtigem Smart-System vor.

Lackierung bei Orbea nach Kundenwunsch über MyO-Konfigurator

Im MyO-Konfigurator kann man bei den Carbonmodellen die Farbe des Bikes selbst bestimmen. Uni oder Zweifarbig, mit auffälligen Logos oder ohne, hier hat der Kunde die Wahl.Foto: Jérémie Reuiller
Im MyO-Konfigurator kann man bei den Carbonmodellen die Farbe des Bikes selbst bestimmen. Uni oder Zweifarbig, mit auffälligen Logos oder ohne, hier hat der Kunde die Wahl.

Weitere Besonderheit der Carbon-Modelle: Hier lässt sich ohne Aufpreis auch die Lackierung sehr frei gestalten. Die Kunden können Hauptfarbe, Nebenfarbe und Decals des Rahmens aus vielen Optionen wählen und das Bike damit auf ihren Lieblings-Look abstimmen. Ist die passende Optik gefunden, wird das Bike nach diesen Vorstellungen extra produziert und im Hauptquartier von Orbea in Mallabia von Hand lackiert. Die Übergabe des Bikes erfolgt dann klassisch beim Fachhändler.

Steif, sportlich, reaktionsschnell: So fährt sich das neue Orbea Wild 2023

Auf dem Launch des Bikes im Baskenland konnten wir uns auf dem Topmodell M-LTD einen ersten Eindruck vom neuen Wild E-Enduro verschaffen. Abweichend von der Serie waren an unserem Bike eine längere Gabel mit 170 Millimetern und schwere Maxxis-Downhillreifen montiert, die man im Konfigurator zubuchen kann. So kommt das Bike mit 750er Akku aber Alu- statt der serienmäßigen Carbon-Laufräder auf ein Gewicht von rund 23 Kilogramm.

Recht kurze Kettenstreben, kräftiger Motor. Da lupft das neue Wild gerne mal das Vorderrad. Bergab macht sich das kürzere Heck aber bezahlt.Foto: Jérémie Reuiller
Recht kurze Kettenstreben, kräftiger Motor. Da lupft das neue Wild gerne mal das Vorderrad. Bergab macht sich das kürzere Heck aber bezahlt.

Im Uphill drückt der starke Bosch-Race-Motor, dem Orbea Wild M-LTD seinen Stempel auf. Dosierbarkeit und Fahrgefühl überzeugen bekanntermaßen, ein großes Lob gibt’s auch für die Ergonomie der neuen Mini-Remote, die nur noch per Bluetooth mit dem System-Controller auf dem Oberrohr verbunden ist. Für den sportlichen Einsatz die deutlich bessere Wahl als die bekannte LED-Remote. Das Fahrwerk des Orbea E-MTB agiert bergauf erstklassig, aufgrund der langen Gabel und kürzerer Kettenstreben geht die Front bei steilen Rampen aber häufig hoch.

Bergab ist das neue Wild dagegen voll in seinem Element. Das steife Chassis beschert dem Bosch-Fully eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit, Lenkbefehle werden schnell und direkt umgesetzt. Trotz des eher langen Radstandes und schwerer Reifen fühlt sich das Bike für ein E-Enduro recht handlich an und lässt sich mit wenig Anstrengung in die Luft ziehen. Ebenso hat uns die Hinterbau-Performance überzeugt.

Gerade beim Drücken durch Kurven und Kompressionen fällt die hohe Steifigkeit des neuen Orbea Wild positiv auf.Foto: Jérémie Reuiller
Gerade beim Drücken durch Kurven und Kompressionen fällt die hohe Steifigkeit des neuen Orbea Wild positiv auf.

Der klassische Viergelenker wirkt sehr ausgereift und begeistert mit hoher Sensibilität, bleibt aber auch bei herben und schnellen Einschlägen maximal souverän. In Verbindung mit der starken Gabel und den griffigen Reifen ist das Bike dadurch im Downhill nur schwer in den Grenzbereich zu bringen, die hohe Steifigkeit sorgte nicht für einen spürbaren Komfort-Verlust im Downhill. Für ein Bosch-Bike blieb das Wild bergab relativ leise, nur ein leichtes Motorklappern stellte sich während unserer Testfahrten ein.

Fazit Adrian Kaether, Redakteur EMTB

Adrian Kaether, Redakteur EMTBFoto: Jérémie Reuiller
Adrian Kaether, Redakteur EMTB
“Das neue Orbea ist ein Charakterkopf. Der fehlende Wechselakku verprellt praktisch Veranlagte und so manchen Tourenfahrer, das schwere Bosch-System begrenzt die Gewichts- und Handlingambitionen in der Theorie. Vor diesem Hintergrund zeigt sich das Wild aber als erstaunlich leichtes und durchdachtes E-Enduro, dem ein eindrucksvoller Spagat aus direktem, leichtfüßigem Fahrverhalten und massiven Nehmerqualitäten bergab gelingt.”
Markel Uriarte ist bei Orbea der Product Manager Trail.Foto: Jérémie Reuiller
Markel Uriarte ist bei Orbea der Product Manager Trail.

“Gelände und Trails werden immer extremer” - Orbea Product Manager, Markel Uriarte zum neuen Wild im Interview

EMTB: Beim Wild war die Batterie immer entnehmbar, jetzt ist sie fest verbaut. Wie kommt's?

Markel Uriarte: Bisher wurden E-Bikes viel auf leichteren Touren eingesetzt. Doch immer mehr Nutzer bewegen sich in immer extremerem Terrain. Auf Trails die bisher nur von Enduro-Bikern ohne Motor genutzt wurden. Damit verändern sich die Anforderungen an ein Rad und die Rahmenkonstruktion ist hier die zentrale Stellschraube. Durch die fest verbaute Batterie sind wir in der Konstruktion weit weniger eingeschränkt und können eine Steifigkeit und ein Gewicht und damit ein Handling schaffen, dass einem Bike ohne Motor sehr nahe kommt. Außerdem können wir so das Rahmengewicht um fast ein Kilogramm reduzieren und den Rahmen gleichzeitig haltbarer machen.

Wie groß ist denn der Unterschied in der Steifigkeit durch die fest verbaute Batterie konkret?

Durch das Loch im Unterrohr wird die Rahmensteifigkeit um 70 Prozent reduziert bei ansonsten identischer Rahmenkonstruktion und Wandstärke.

Wodurch macht sich denn ein zu weicher Rahmen auf dem Trail bemerkbar, etwa beim alten Wild?

Das spürt man vor allem, wenn man das Bike aktiv fährt und in Anliegerkurven und bei Sprüngen hohe Kräfte wirken. Das Bike verhält sich weniger vorhersehbar und lässt sich schlechter steuern. Auf schrägen Wurzeln oder bei langsamerer Fahrweise fällt ein zu weicher Rahmen dagegen weniger auf. Das geringere Gewicht und der niedrigere Schwerpunkt durch die feste Batterie bringen aber auch hier Vorteile.

Das heißt aber: Entspannte Tourenfahrer werden weniger profitieren. Wer ist die Zielgruppe für das neue Orbea Wild?

Das neue Wild ist ein Bike für anspruchsvolle Trail- und Endurobiker. Diejenigen, die bei einem E-MTB die Gelände-Performance suchen, die sie schon von Trailbikes oder Enduros ohne Motor kennen. Das niedrigere Gewicht kann aber auch für Tourenfahrer ein Argument sein.

Ihr habt ja auch die Alu-Version präsentiert, die jetzt ebenfalls mit festem Akku kommt. Was bedeutet das hier für Steifigkeit, Gewicht und Handling?

Aluminium ist immer eine Herausforderung, weil man hier einfach bei der Konstruktion mehr Einschränkungen hat als mit Carbon. Aber wir wollten das Alu-Modell möglichst nah an das Carbon-Bike bringen und haben deswegen dieselben Prinzipien bei der Rahmenkonstruktion, der Kinematik, der Geometrie übernommen. Die fest verbaute Batterie bringt hier sogar eine Gewichtsersparnis von 1100 Gramm gegenüber dem Vorgänger.