Hanno Nüsslein war erfolgreicher Triathlet in der Mittel- und Langstrecke, und er hat sich nach dem 50. Lebensjahr erneut intensiv in sein aufwendiges Hobby gestürzt. Mit Trainings- und Ernährungskonzept - sowie hochwertigem Material. Die Zeitfahrmaschine vom Versender sollte stolze 9000 Euro kosten. Da es sich um ein Versandrad handelt, war der Preis nicht beim Händler vor Ort verhandelbar. Was konnte er also tun?
Für Nüsslein war die Lösung schnell gefunden: "Mein Arbeitgeber arbeitet mit einem Leasinganbieter zusammen, der die gewünschte Marke im Angebot hat. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht einmal berechnet, ob mich das monatlich etwas kostet oder wie viel Geld ich letztendlich spare." Kurz nach der Bestellung wurde die gewünschte Aero-Maschine fertig montiert an seine Haustür geliefert. Die Zahlung erfolgt in kleinen Raten durch den Verzicht auf etwa 250 Euro brutto pro Monat vom Gehalt anstatt einer Einmalzahlung von 9000 Euro.
Das Grundmodell des Verfahrens nennt sich "Gehaltsumwandlung". Der Arbeitgeber least für seinen Angestellten ein Bike und zieht zumindest einen Teil der Kosten davon vom Gehalt ab. Im Gegensatz zum Bruttogehalt seines Angestellten muss er für die Leasingraten keine Sozialabgaben zahlen. Das ist natürlich super vorteilhaft für ihn. Der Angestellte spart ebenfalls an seinen Sozialabgaben und - dank des niedrigeren Gehalts - auch bei der Steuer. Auf den ersten Blick eine Win-win-Situation!
Mir ging es einfach um ein Top-Wettkampfrad für begrenzte Zeit und mit wenig Stress. - Hanno Nüsslein, Triathlet
Auch der Leasinganbieter profitiert natürlich: Er erhält Provisionen vom Radhändler und kann gelegentlich auch die Leasingraten beeinflussen. Darüber hinaus werden Versicherungen abgeschlossen, da der Arbeitgeber den Leasingvertrag unterzeichnet und dem Angestellten das Fahrrad nur zur Nutzung überlässt. Es ist verständlich, dass Arbeitgeber und Angestellter keinen Streit über gestohlene oder beschädigte Fahrräder riskieren möchten. Aus diesem Grund sind alle Leasingräder umfassend versichert, von Vollkasko bis hin zu Verschleißteil- und Mobilitätsversicherungen.
Ein klassisches "Dienstrad" für den Weg zur Arbeit ist die Aero-Waffe nicht. Allerdings ist dies völlig legal beim Bikeleasing. Vor einigen Jahren wurde in der Politik beschlossen, Fahrräder steuerlich den Dienstautos gleichzustellen. Mittlerweile sind Diensträder sogar günstiger als Autos, da die Privatnutzung nur minimal besteuert wird. Der Staat fördert die Nutzung von Fahrrädern, indem er auf Einnahmen verzichtet. Dies führt jedoch zu Einbußen bei den Steuereinnahmen und der Sozialversicherung. Es handelt sich hierbei um eine rein politische Entscheidung, ähnlich wie die geringere Besteuerung von Diesel oder Flugbenzin.
Die Dienste der Leasingunternehmen und Versicherer sind kostenintensiv. Wenn man alle Kosten für das Fahrrad und die Versicherungen während der üblicherweise dreijährigen Leasingdauer zusammenzählt, wird das geleastete Rad wesentlich teurer als ein gekauftes. Dennoch ist das Modell aufgrund des staatlichen Einnahmeverzichts attraktiv.
Laut dem Zweirad-Industrieverband werden 70 bis 80 Prozent der teuren E-Bikes geleast, und dieser Trend ist steigend. Rennradfahrer hingegen sind eher zurückhaltend. In einer aktuellen Umfrage unseres Schwestermagazins TOUR gaben nur 14 Prozent der Leser an, ihr Rad geleast zu haben. Dies könnte mit einigen Eigenheiten des Rennrads als Sportgerät zusammenhängen: Wartungsverträge und verschiedene Versicherungen, die bei ähnlich teuren E-Bikes sinnvoll sein können und zum Leasing gehören, waren bisher bei Rennrädern nicht üblich.
Nur ein Viertel der TOUR-Leser hat sein Fahrrad überhaupt versichert, meistens gegen Diebstahl. Ein Rennrad lässt sich gut sichern. Bei Service und Reparaturen erledigen viele Radfahrer vieles selbst. Die Versicherungsleistungen der Leasinganbieter sind daher weniger wichtig. Außerdem optimieren Rennradfahrer gerne ihr Equipment, zum Beispiel mit anderen Laufrädern, einem anderen Sattel oder Lenker. Das Leihfahrrad muss jedoch im Originalzustand zurückgegeben werden.
Dienstradleasing für ein dennoch zu nutzen, kann ein guter Deal sein – wenn Service-Optionen oder Verschleißversicherung interessant sind, wenn der Kaufpreis "am Stück" ein zu großer Brocken wäre oder wenn der Arbeitgeber (wie vielfach üblich) Versicherungen und Teile der Raten übernimmt. Doch auch wenn die Ersparnisquote in den Online-Rechnern der Anbieter bisweilen so verführerisch blinkt wie die großen SALE!-Schilder: Genaues Hinsehen lohnt, und im Zweifelsfall hilft ein Steuerberater beim Rechnen.
Ganz pragmatisch sieht es unser Triathlet Nüsslein bei seinem 9000-Euro-Fahrrad: "Mir ging es einfach um ein erstklassiges Wettkampfrad für begrenzte Zeit und mit wenig Aufwand. Genau das scheint der Deal zu bieten." Ob er das Fahrrad nach Ablauf des Leasingvertrags kauft oder abholt, weiß er noch nicht. "Das hängt vom Angebot ab", sagt er, "und da werde ich wohl etwas genauer nachrechnen als bei der Bestellung."
Vier Seiten sind direkt am Leasing beteiligt: ein Leasingunternehmen, ein Vertragshändler, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer – hier der ambitionierte Triathlet.
Die Anzahl der Leasinganbieter wächst kontinuierlich, aber ihre Berechnungen ähneln sich. Wir haben die ungefähren Kosten für zwei fiktive Rennradfahrer mit einem Online-Leasingrechner und einem Rentenberechnungstool ermittelt.
Der erste Radfahrer verdient das durchschnittliche Bruttogehalt in Deutschland von 4100 Euro pro Monat, hat zwei Kinder und befindet sich in Steuerklasse drei. Das gewünschte Fahrrad kostet 5200 Euro. Das Leasingrad verringert das Bruttoeinkommen um etwa 150 Euro und das Nettoeinkommen um 100 Euro pro Monat.
Wenn der Arbeitgeber die Kosten für Versicherungen übernimmt (im Beispiel 820 Euro), beträgt der Nettokostensumme für das am Ende des Leasings günstig gekaufte Fahrrad 4460 Euro. Für das konventionell gekaufte Fahrrad addiert der Online-Rechner einfach die obligatorische Versicherung zum Leasing hinzu und kommt so auf 6020 Euro. Dies entspricht einer Ersparnis von 26 Prozent beim Leasing. Wenn man die Versicherung außer Acht lässt, bleiben immer noch 740 Euro Ersparnis.
So umstritten wie diese Grundannahmen ist die Tatsache, dass die Rentenverluste vernachlässigt werden: Das Leasingrad reduziert die Rente grob um 4,30 Euro pro Monat. Diese geringe Summe summiert sich über das Leben des Radfahrers auf etwa 1000 Euro - ein Betrag, der zum günstigen Leasingpreis hinzugefügt werden könnte.
Der zweite Radfahrer ist ein gut verdienender, kinderloser Single in Steuerklasse eins. Er verdient monatlich brutto 8000 Euro und möchte ein ebenso teures Fahrrad leasen. Mit dem Leasingrad hat er monatlich 234 Euro weniger brutto und 135 Euro weniger netto. Der Rechner spuckt für das nach Ende des Leasings übernommene Fahrrad einen Gesamtpreis von nur etwa 6000 Euro aus, was theoretisch eine Ersparnis von 2000 Euro bedeutet (ohne Berücksichtigung der Versicherungen). Auch hier relativiert sich die Ersparnis deutlich, wenn man dem Käufer eine Rentnerzeit von 20 Jahren zugesteht: In diesem Fall verliert er fast 1600 Euro Rente.
Das Unternehmen Jobrad ist der Pionier des Dienstradleasings in Deutschland. Firmensprecherin Lara Burger beantwortet unsere Fragen.
MYBIKE: Das Dienstradleasing ist das Ergebnis politischer Entscheidungen. War Jobrad da selbst involviert?
Lara Burger: Der Gründer von Jobrad, Ulrich Prediger, ist sogar der Erfinder dieser Möglichkeit. Es ging damals darum, das Fahrrad steuerlich wenigstens so gut zu stellen, wie es das Dienstwagen-Privileg für Autos vorsieht. Das erforderte jede Menge Gespräche mit den zuständigen Behörden und Politikern. Erreicht hat er jedoch mehr: Heute ist das Fahrrad sogar steuerlich bessergestellt als der Dienstwagen.
Das klingt verlockend für Angestellte. Trotzdem werden vonseiten der Gewerkschaften teilweise Vorbehalte gegen die Gehaltsumwandlung angeführt. Woran liegt das?
In tarifgebundenen Unternehmen darf der Tariflohn durch das Dienstradleasing nicht unterschritten werden, weil das den Tarifvertrag untergräbt. In immer mehr Branchentarifverträgen werden die Randbedingungen für das Dienstradleasing aber mittlerweile berücksichtigt, weil vonseiten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Nachfrage da ist.
Die Ersparnisse sind auf den ersten Blick sensationell. Aber die verringerten Beiträge zur Sozialversicherung bleiben bei den Berechnungen regelmäßig außen vor – auch ein Kritikpunkt der Gewerkschaften …
Natürlich wirkt sich das auf die Rente oder das Krankentagegeld aus – besonders spürbar vielleicht, wenn jemand ein geringes Einkommen hat und ein sehr teures Rad fahren will, denn auch ein geleastes Rad kostet Geld. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände haben sich in ihren Tarifverträgen darauf geeinigt, dass vor Abschluss eines Vertrages auf den jeweiligen Einfluss auf die Sozialleistungen hingewiesen werden muss, auch wir tun dies auf unserer Homepage. Bei einem üblichen Verhältnis zwischen Einkommen und Radpreis überwiegen die Vorteile gegenüber einem Kauf aber bei Weitem.