Adrian Kaether
· 02.02.2024
Mit großem TamTam legte Continental 2022 die Palette der Gravity-Reifen neu auf. Baron und Kaiser gehörten damit der Vergangenheit an, es kamen Kryptotal, Argotal und Xynotal und eine ernüchternde Erkenntnis. Denn: Bei Continental ist die Gummimischung an die Karkasse gebunden. Der Pannenschutz profitierte davon zwar deutlich, doch wer bislang für leicht und griffig auf Continental gesetzt hatte, etwa mit dem Baron, schaute blöd aus der Wäsche.
Zu allem Übel: Speziell der Endurance-Gummi am leichten Trail-Casing konnte in unserem letzten Reifentest wenig Sympathiepunkte sammeln. Denn er rollte zwar gut, verlor in Sachen Traktion aber deutlich gegenüber den Konkurrenten von Schwalbe und Maxxis. Ganz anders dagegen bei Contis schweren Downhill-Reifen: Hier sammelte auch der Kryptotal massig Punkte auf dem Trail, dank hohem Pannenschutz aber eben auch der weichen Gummimischung wegen. Inhärenter Nachteil, neben dem Rollwiderstand: Die Downhill-Reifen machen das Bike schwerer und auch das Handling wird träge. Für den Allround-Einsatz nicht die beste Option.
Das wirft die Frage auf: Liegt der beste Kompromiss für die meisten Biker vielleicht dazwischen? Zwischen dem leichten Trail-Casing mit hartem Gummi und dem supersoften Downhill-Pneu? Das Enduro-Casing kombiniert Continental immerhin mit der mittelweichen „Soft“-Gummimischung. Die Enduro-Reifen sind gleichzeitig aber nicht so schwer, wie Contis Reifen mit dem dicken Downhill-Casing. Zudem gefiel uns das offene Argotal Profil an der Front schon an manchem Testbike, gerade wenn die Böden im deutschen Winter etwas weich wurden. Ist Argotal vorne und Kryptotal hinten also der beste Kompromiss?
* Daten von 2022 - unser neuer Kryptotal Enduro Soft von 2023 war in 27,5 Zoll genauso schwer, wie der damals getestete Kryptotal Enduro Soft in 29 Zoll. Gemessen unter identischen Testbedingungen im Labor, Testreifen einheitlich in 29 x 2,4 Zoll.
Grund genug, die zwei Reifen für den Winter auf ein Testbike zu montieren. Und der Praxiseindruck? Zunächst zu dem, was uns nicht so gefallen hat: Der Kryptotal am Heck in der Soft-Gummimischung rollt nicht übermäßig effizient. Aus dem Labor wissen wir: So viel Rollwiderstand wie eine Maxxis-MaxxGrip-Mischung hat Contis Soft-Mischung nicht, sie rollt aber nachweislich zäher als die (orangene) Soft-Mischung von Schwalbe oder MaxxTerra von Maxxis. Geschwindigkeitsrekorde auf dem Weg zum Trail bricht man mit der Enduro-Kombi von Continental also nicht.
Im Gelände gibt’s dagegen wenig Kritik. Besondere Stärken der Conti-Reifen: Der Argotal mit offenem Profil verbeißt sich geradezu in weichem Boden und liefert mit seinen aggressiven Außenstollen viel Grip an Off-Camber-Sektionen und in Kurven. Hier ist er gegenüber dem bekannteren Kryptotal Front leicht im Vorteil. Dank der Soft-Gummimischung führen auch querliegende Wurzeln oder glatte Steine mit dem Argotal selten zu Schreckmomenten. So klebrig wie ein Maxxis mit MaxxGrip-Gummi oder auch Contis eigene Reifen mit Supersoft-Mischung und Downhill-Karkasse ist der Argotal Enduro aber nicht.
Der Continental Kryptotal am Heck bietet eine ordentliche Brems-Traktion und bleibt am Limit sehr gutmütig, was ohnehin eine Stärke der neuen Continental-Reifen ist. Trotz des eher geschlossenen Profils setzte sich der Kryptotal Rear auch bei tiefem Schlamm nicht zu früh zu. So soll es sein! Beide Reifen dämpfen außerdem gut, das passte zum satten Fahrgefühl unseres Testbikes von Santa Cruz und Pannen gab es nicht zu beklagen. Wenig verwunderlich, denn der Pannenschutz von Continentals Enduro-Karkasse liegt oberhalb von Schwalbes Supertrail- und etwa auf dem Niveau von Maxxis DoubleDown Version. Einen Agilitäts-Boost darf man mit den eher schweren Contis aber nicht erwarten.
Wer sein Enduro ambitioniert bergab bewegt und in der Ebene nicht die Schallmauer knacken will, findet in der Argotal/Kryptotal-Enduro-Kombi einen zuverlässigen Partner mit ausgewogener Gesamtperformance. Leider gibt’s nach wie vor keine Option auf ultimativ klebrig vorne oder ultimativ schnell hinten, das würde die Reifen für eine breitere Zielgruppe noch interessanter machen. Dennoch: Für Abfahrer ein guter Kompromiss.