Hauptsache außergewöhnlich – das scheinen sich die Macher des Nox Epium als Motto auf die Fahnen geschrieben zu haben. Und das schaffen die Zillertaler gleich in mehrfacher Hinsicht. Punkt 1: das Plattformkonzept. Das Light-E-MTB Epium mit Fazua-Antrieb gibt es als All Mountain und als Enduro-Ausführung mit ein und demselben Rahmen. Angepasst wird die Geometrie mittels Flipchip im Ausfallende und an der Dämpferaufnahme, außerdem kommt eine andere Dämpferwippe zum Einsatz. Und im Gegensatz zum 29er-All-Mountain rollt das Epium Enduro auf Mullet-Bereifung.
Das zweite Alleinstellungsmerkmal des Neulings: Abgesehen von einigen Komponenten ist das Epium ein waschechter Europäer. Die Entwicklungsabteilung sitzt im österreichischen Zillertal, der Vollcarbon-Monocoque-Rahmen wird in Portugal gefertigt und mit knalliger Lackierung in Bayern veredelt. Ebenso aus Bayern stammen die CNC- und Schmiedeteile und natürlich das Ride-60-Antriebssystem vom Motorenbauer Fazua. Montiert wird das Ganze dann wieder in Österreich. In Zeiten labiler Lieferketten und unkalkulierbarer Transportkosten ist das ein interessantes Konzept. Nachhaltiger als die Fertigung in Fernost soll es obendrein sein. Gemessen an der Ausstattung ist das Nox allerdings auch überdurchschnittlich teuer. Zweieinhalb mal so teuer wie in Fernost sei die Rahmenfertigung in Europa, sagt Nox.
Die dritte Auffälligkeit, die das Epium Enduro von der breiten Masse abhebt: Die Kombination aus 180 Millimetern Federweg und Light-Antrieb ist bisher noch eine Rarität in der explodierenden Modellvielfalt des E-MTB-Marktes. Außer von Nox gibt es nur noch das Rotwild R.G 375, das allerdings mit dem Shimano EP8 nicht wirklich als Light-Assist-Bike durchgeht. Alle anderen Light-Enduros am Markt kommen mit weniger Federweg aus.
Kommen wir zum letzten Merkmal, das den USP des Nox Epium prägt: seine unkonventionelle Geometrie. Man hat die Wahl zwischen sehr hohem Tretlager und flachem Lenkwinkel oder noch flacherem Lenkwinkel und etwas weniger hohem Tretlager. Wir haben uns für die zweite Variante entschieden. Aber auch dann liegt das Tretlager noch satte 362 Millimeter über dem Boden. Ein extrem hoher Wert, selbst für ein 180er-Bike. Dazu kommt ein mit 442 Millimetern in Größe L sehr kurzer Reach, womit das Nox im Reigen heutiger Enduros etwas aus der Zeit gefallen wirkt. Trotz kleinem Hinterrad fallen die Kettenstreben mit 452 Millimetern nicht betont kurz aus.
Auf unseren Testrunden im Bikepark Geißkopf hinterlässt das Nox im EMTB-Testteam gemischte Gefühle. Der Sitzwinkel ist flach, man sitzt hoch und leicht hecklastig, dadurch fühlt man sich vom Bike etwas entkoppelt. Das Fahrwerk liefert zudem etwas wenig Gegenhalt. In steilen Anstiegen muss man deshalb das Körpergewicht aktiv über den Lenker bringen, um das Aufbäumen der Front hinauszuzögern. Kniffelig wird es in technischen Uphills, insbesondere in Kehren. Denn beim Einlenken kippt das Vorderrad durch den superflachen Lenkwinkel (62,6° in der flachen Einstellung) deutlich ab. Gut: Mit Pedalaufsetzern hat man beim Nox garantiert nicht zu kämpfen; das sensible Fahrwerk und die griffigen Conti Argotal liefern gute Traktion; und dank durchzugsstarkem Fazua-Antrieb mit guter Reichweite und kleinem 32er-Kettenblatt macht das Epium auch auf längeren Anstiegen wenig Mühe.
Am Gipfel des Geißkopfs biegen wir in den Enduro-Trail: In seichtem Gefälle geht es nun bergab, durch enge, aber schnelle Kurven. Hier kommt es auf Wendigkeit und Spritzigkeit an. Gefragt sind ein aktives Fahrwerk und agiles Handling – beides ist nicht die Kernkompetenz des Nox. Das Fahrwerk ist eher satt, das Umlegen des Bikes in schnellen Kurvenkombinationen erfordert durch den hohen Schwerpunkt Körpereinsatz. Die Traktion in den wurzeldurchsetzten Kurven ist hingegen stark.
Nach der Enduro- geht es auf die Freeride-Strecke: gebaute Drops und Doubles, schnelle Abfahrten über Steinfelder und hohe Stufen – hier zeigen sich die Nehmerqualitäten eines Bikes. Und die hat das Epium Enduro zweifelsohne. Luftgabel und Stahlfederdämpfer harmonieren hier gut, bleiben bei harschen Landungen und an Stufen souverän. Das breite Cockpit und der sehr flache Lenkwinkel vermitteln viel Sicherheit und animieren geradezu dazu, das Gas stehen zu lassen. Nur der kurze Reach am Nox bewahrt seinen Piloten vor zu viel Übermut. Und dieser Kennwert hat einen weiteren Nachteil: Das Epium gibt es momentan nämlich nur bis Größe L. Spätestens für Fahrer über 185 cm wird es da hinter dem Cockpit eng. Kleiner Trost: Für 2024 wollen die Zillertaler ein XL nachschieben.
Kommen wir zur Ausstattung des schmucken Europäers. Das Gewicht von knapp 21 Kilo bricht zwar keine Rekorde, geht gemessen an Federweg und Stahlfederdämpfer aber in Ordnung. Ein wenig geschummelt wird bei den Reifen. Die Argotal bieten in der Trail-Ausführung zwar guten Grip, die leichte Karkasse des Conti-Pneus ist für grobes Terrain aber etwas unterdimensioniert. Der Rest der Ausstattung ist für den gehobenen Preisbereich eher mäßig: Mittelklasselaufräder von DT Swiss, SLX-Schaltung und -Bremsen von Shimano – das ist der Preis, den man für den edlen Rahmen und das Siegel „Made in Europe“ zu bezahlen hat.
Das Nox Epium hat ein spannendes Konzept. Die Produktion in Europa minimiert Risiken bei Lieferketten und Transport, verschafft dem Epium aber vor allem einen eigenen USP. Qualitativ hinterlässt das Nox-Enduro einen ordentlichen Eindruck, die Ausstattung ist gemessen am Preis aber nur mäßig. Im Praxiseinsatz überzeugt das Epium Enduro 7.1 vor allem auf schnellen Downhill-Kursen. Die Geometrie mit kurzem Reach und hohem Tretlager ist allerdings gewöhnungsbedürftig.
¹ Die Reichhöhe wurde bei standardisierten Messfahrten an einem Asphaltanstieg mit 12,2 Prozent Steigung ermittelt. Höchste Unterstützungsstufe, 150 Watt Tretleistung des Fahrers, Fahrergewicht inkl. Ausrüstung 89 kg. In Klammern die Höhenmeter im deutlich gedrosselten Notlauf-Modus. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bezieht sich auf die Fahrt bei voller Unterstützung.
² Ermittelt auf den Prüfständen im EMTB-Testlabor, Gewicht ohne Pedale. Akku-Gewicht ggf. inkl. verschraubtem Cover.
³ Herstellerangabe
⁴ Stufentest, gemessen mit 36 Zentimeter erhöhtem Hinterrad
⁵ Das Urteil gibt den subjektiven Eindruck der Tester und die Ergebnisse der Reichhöhenmessung und der Labortests wieder. Das EMTB-Urteil ist preisunabhängig. EMTB-Urteile: super (ab 9,0), sehr gut (ab 8,0), gut (ab 7,0), befriedigend (ab 6,0), mit Schwächen (ab 5,0), darunter ungenügend.