Timo Dillenberger
· 20.04.2024
Bei einem Rundgang durch die Werkstätten der Nachbarschaft fiel der Statusbericht der Mechaniker und Verkäufer mit Blick auf die Auftragsbücher genau gleich aus: Wer sich jetzt für eine Inspektion, Wartung oder Reparatur in die Wartelisten eintragen lässt, kann mit vier bis sechs Wochen Vorlauf rechnen. Nach der Corona-Zeit leiden fast alle Betriebe unter enormem Personalmangel. In der Filiale einer sehr großen Kette aus Hamburg liegen am Service-Counter sogar Karten mit QR-Codes aus, hinter denen Do-it-yourself-Videos hinterlegt sind.
Obwohl ihnen damit recht leicht verdientes Geld durch die Lappen geht, werden die Kunden damit motiviert, einfache Checks und Wartungsarbeiten selbst durchzuführen, oder anders betrachtet, soll der Frust über die langen Wartezeiten damit im Zaum gehalten werden.
Die Idee mit den DIY-Anleitungen ist aber gar nicht so abwegig. Gerade im Frühjahr entfallen wohl gut zwei Drittel aller Werkstatttermine auf reine Kontroll- und leichte Wartungsarbeiten, die nur Grundkenntnisse und wenig Schraubertalent voraussetzen. Manchmal sei es sogar mit etwas Putzen und Ölen getan, berichtet einer der Mechaniker. Solange die Bikes nicht viel im Freien stünden, seien die Verschleißerscheinungen gering, offenbar gebe es aber dem Kunden ein gutes und sicheres Gefühl, einmal im Jahr das Go eines Fachmanns zu bekommen. Das ist ganz besonders bei Bikern verständlich, die auf Touren weit weg von zu Hause gehen oder zum Beispiel ihre Kinder mit dem Rad transportieren.
Unsere Checkliste für den sicheren und nervenschonenden Start ins Fahrradjahr soll auch den Mechaniker nicht ersetzen, viel mehr kann durch den selbstständigen Check der Einsatz des Experten auf einen Zeitpunkt verschoben werden, wenn sich die Warteschlangen eben nicht um den ganzen Block winden. Die folgende Liste besteht aus Reinigungs- und Wartungsarbeiten sowie einigen kleinen Tests. Die wiederum können dann doch den Weg zum Shop oder Service-Center bedeuten, manchmal geht’s halt nicht ohne. Das komplette Prozedere dauert keine 90 Minuten. Außer einem Reiniger, Lappen und Pumpe braucht man erst mal nur etwas Feinmechaniköl. Ein 13er- und 15er-Gabelschlüssel sowie ein Satz Inbus-Werkzeuge könnten zusätzlich hilfreich sein.
Ein schmutziger, verklebter Antrieb kostet locker 20 Watt, das entspricht 15 bis 25 Prozent der durchschnittlichen Tretleistung! Ketten mit Rostansatz kann man theoretisch noch fahren, neben dem Schaltkomfort leiden aber auch die Zahnräder. Hier lohnt die Pflege sich meist nicht mehr. Wie man so eine Kette tauscht, haben wir im Heft 5/23 gezeigt. Bevor man eine Kette ölt, muss grundsätzlich das alte Öl und das, was daran klebt, runter! Je nach “Beharrlichkeit” dieser Reste reicht ein Lappen mit Kettenreiniger aus dem Fahrradzubehör, wir putzen damit übrigens auch das komplette Bike.
Ist viel Sand zwischen den Gliedern, muss eine Bürste und oder ein Ohrstäbchen her. Der Aufwand lohnt sich! Bei Kettenschaltungen müssen auch die Ritzel und deren Zwischenräume geputzt werden, das geht am besten bei ausgebautem Hinterrad. Das Ölen mit einem dünnflüssigen Öl oder “Dry Lube” genanntem Trockenschmiermittel, das weniger Schmutz aufnimmt, erfolgt nur über die Kette. Dafür das Rad aufbocken oder -hängen, Kurbel vorwärts drehen und die Kette benetzen. In Bewegung alle Gänge mehrmals durchschalten, zwischendurch nochmals einen dünnen Film Schmiermittel auflegen. Der Umwelt zuliebe bitte sich bildende Öltropfen abtupfen und die Öllappen für den Sondermüll aufbewahren!
Das Lenk- oder Steuerlager ist der Kontaktpunkt zwischen Rahmen und Gabel. Damit die sich frei drehen kann, sitzt oben und unten an dem Rahmenrohr, durch das die Gabel zum Lenker verläuft, je ein Kugellager. Die können durch Rost oder Kräfte beim Bremsen zu fest oder zu lose ineinander sitzen, beides gibt ein unsicheres Gefühl beim Lenken. Um das zu testen, bitte den Rahmen umfassen, das Vorderrad so anheben und den Lenker hin und her drehen.
Der Lenker sollte sich leicht und ohne mahlendes Geräusch drehen lassen. Dann das Rad wieder abstellen und die Vorderradbremse fest ziehen. Mit der zweiten Hand jetzt nacheinander das obere und untere Steuerlager fest umfassen, dabei das Bike mit stehendem Vorderrad vor und zurück schieben. Es dürfen keinerlei Bewegungen der Bauteile gegeneinander zu spüren sein, außer natürlich eine Drehbewegung. Laufen die Lager rau oder zu locker, empfehlen wir den Gang zum Fachmann.
Die Stecker an Lampen und Dynamo mögen das feuchte Klima in Kellern und Garagen im Winter nicht und laufen gerne an, das heißt, sie bekommen eine grün-weißliche Kruste, die schlecht leitet. Auch wenn die Lichtanlage noch funktioniert, ist der Frühjahrsputz die Chance, die Kontakte vorsichtig zu reinigen.
Dazu die Stecker behutsam abziehen – keine Sorge, die Stecker sind unterschiedlich breit und passen nicht bei falscher Polung. Neben Front- und Heckleuchte nicht den Dynamo vergessen! Am besten putzt man die Kontakte mit etwas 1000er-Schleifpapier und einem Holzstäbchen, wie man sie zum Coffee to go bekommt. Wer möchte, kann vor der Remontage einen Hauch von WD-40 an die Kontakte sprühen; spezielles Spray für Kontakte ist zwar besser, aber recht teuer.
ACHTUNG: Bei Pedelecs erst den Akku entfernen! Die Kontakte des Antriebs sind entweder sehr tief im Inneren und nicht zugänglich oder sie bergen die Gefahr eines Kurzschlusses. Hier nur eine Sichtprüfung vornehmen und im Falle von grüner Kruste den Fachmann ranlassen!
Auf den Speichen lastet viel Gewicht! Sie stützen aber nicht, sondern werden eher wie Seile auf Zug eingesetzt, also auf Spannung. Ist eine Speiche zu “lasch”, bekommen die benachbarten mehr Zugkraft ab, das kann eine Kaskade von Brüchen in Gang setzen. Deshalb ist das Ausmotten eine gute Gelegenheit, die Speichenspannung zu checken, sollte aber regelmäßig passieren.
Dazu je ein Paar Speichen, die sich im Verlauf kreuzen, mit einer Hand ergreifen und beherzt zugreifen. Den Widerstand in etwa merken und das an ALLEN Paaren wiederholen, dabei jeweils gleich weit weg von der Felge anfassen. Die korrekte Spannung zu analysieren, ist nur Profis möglich, fühlen sich alle Paare aber gleich an, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das so passt! Auch Speichenbrüche findet man so. Damit muss man gleich zur Werkstatt, mit kleineren Abweichungen kann man sicher ein paar Wochen warten.
Sowohl die Klingel als auch Reflektoren nach vorne, hinten und zur Seite gehören zur nötigen Sicherheitsausstattung eines StVZO-konformen Rades. Die Mechanik der Glocke kann über den Winter korrodiert sein, hier hilf fast immer Rostlöser oder Schmiermittel wie WD-40, das ins Innere gesprüht wird. Klingeln mit “nur” einer Feder als Klöppel, die nichts mehr von sich geben, müssen im Allgemeinen ersetzt werden. Reflektoren über die komplette Fläche reinigen, bei Reifen mit Reflexstreifen statt Speichenreflektoren bitte die Reifenflanke nicht vergessen.
Bei Felgenbremsen ist recht leicht zu sehen, wann Bremsklötze abgefahren sind. Die Kontaktflächen besitzen Rillen oder Einkerbungen. Sind die in Richtung der Halterung weggebremst, sollte ein neuer Satz her, auch wenn das Gummi glasig wirkt und sich eher wie Plastik anfühlt! Das Tauschen ist einfach, das Ausrichten der Klötze ganz parallel zur Felge nicht so ganz, Neulinge bringen das Rad dafür besser zum Schrauber. Bei Scheibenbremsen heben sich die Beläge dünn von einer Grundplatte ab. Ist die Erhebung dünner als 0,5 Millimeter, ist es höchste Zeit für den Wechsel.
Einfacher ist die Methode, das Rad nach 4000 bis 5000 Kilometern zum Bremsenservice inkl. Entlüftung zu bringen. Die ist nötig, wenn man mehrmals den Hebel ziehen muss, bis man einen festen Bremspunkt spürt. Das sollte in jedem Fall ein Profi erledigen. Was jeder kann, ist die Bremsscheibe oder Felge zu reinigen, besonders zu entfetten. Ein Küchenreiniger tut es hier zur Not, günstige Alternative zu Spezialmitteln ist hier der Reiniger für die Fahrradkette. Einfach mit einem Lappen die metallenen Anteile der Scheibe oder die Felge abwischen.
Außer dem Rad hat vielleicht auch das Schloss einige Monate ungenutzt dagelegen. Sowohl der Schließzylinder als auch die Mechanik, die das Schloss letztendlich verriegelt, können korrodiert sein. Bevor man es bei der ersten Ausfahrt nicht nutzen kann oder, noch schlimmer, der Schlüssel beim Einsatzversuch abbricht, sollte man die Gängigkeit überprüfen und falls nötig in alle Öffnungen ein paar Tropfen Feinmechaniköl fließen lassen, danach mehrmals öffnen und schließen. Ist das Schloss bereits komplett fest, in Durchgang eins das Öl durch Rostlöser ersetzen, auch hier bietet sich WD-40 an.
Über den Winter darf der Reifen Luft verloren haben. Beim Aufpumpen sollte man besonders die Seiten genau beobachten. Bildet sich hier bei der Volumenzunahme eine spröde Oberfläche oder eine Struktur aus kleinen Schuppen, ist der Reifen zu alt. Laut Steffen Jüngst von Schwalbe gebe es aber anders als beim Auto kein Alter, bei dem auch ein intakt wirkender Reifen aus Prinzip runter müsse.
Das Profil spielt bei Fahrrädern eine geringere Rolle als bei Pkw, die Restdicke des Gummis hilft hier eher beim Pannenschutz. Auf keinen Fall sollte irgendwo das Textil der Karkasse oder gar Metall (auch verrostetes) durchscheinen. Nach dem Aufpumpen die Räder in Rotation versetzen und dabei auf gleichmäßigen Sitz auf der Felge zu achten. Gibt es Unwuchten, Druck ablassen, den Reifen an entsprechender Stelle auf der Felge hin und her bewegen und erneut aufpumpen.
Für Helme gibt man Geld aus, ohne sie wirklich nutzen zu wollen. Doch was, wenn man stürzt, der Helm aber Makel hat? Tatsächlich verliert das Helmmaterial mit den Jahren an Struktur. Die ist aber nötig, um Aufprallkräfte aufzufangen. Hersteller Abus rät, einen Helm auch ohne Unfall nach spätestens fünf Jahren auszutauschen, wenn er viel UV-Licht abbekommt.
Auch wenn der Helm aus einer Höhe von mehr als einem Meter heruntergefallen ist, gehört er ersetzt. Die Funktionalität zu testen ist schwer: Man kann den Helm vorsichtig zusammendrücken, wenn er quietschende oder trocken reibende Geräusche abgibt, sicherheitshalber ersetzen. Das gleiche gilt, wenn Kinnriemen und Innensystem sich nicht mehr einstellen lassen.
In den Naben drehen sich die Räder auf der Achse ganz ähnlich wie beim Steuerlager. Auch sie können zu locker eingestellt sein oder fest werden, also mit viel Widerstand drehen. Zum Testen jedes Rad einzeln ein paar Runden frei rotieren lassen und auf kratzende, reibende Geräusche aus der Nabe achten. Danach seitlich vom Bike positionieren, mit einer Hand den Rahmen nah am Hinterreifen greifen, mit der anderen Reifen und Felge. Jetzt versuchen, das Laufrad quer zu Fahrtrichtung zu bewegen.
Je nach Kraftaufwand darf sich die Felge ein bis zwei Millimeter ziehen und schieben lassen, die Bewegung darf aber nicht aus der Nabe resultieren, dazu den Blick auf den Übergang vom drehenden zum stehenden Teil der Nabe halten. Dort sollten keine Querverschiebungen zu sehen sein. Das Nabenspiel einzustellen ist nur mit Erfahrung leicht, auch hier empfehlen wir den Gang zum Service – je eher, desto geringer die Folgeschäden.
An sich sollte sich über den Winter weder Rad noch Fahrer so verändert haben, dass ein neues Setup von Sattel und Lenker nötig ist, das “Ausmotten” ist aber eine top Gelegenheit, auch die Kontaktstellen zum Rad zu überprüfen. Die Sattelhöhe sollte idealerweise so eingestellt sein, dass im Umlauf das Knie einmal fast gestreckt ist; die Sattelhöhe ist oft zu tief eingestellt. Der Sattel sollte waagerecht und fest sein, darf sich weder in Neigung noch Längsverschiebung bewegen lassen, sein Rahmen keine Brüche aufweisen. All das könnte sonst zu schiefen Haltungen und damit Hüft- und Rückenproblemen führen.
Die Griffe sollten sich nicht drehen lassen, sollen es flächige Ergogriffe sein, sollten sie so eingestellt sein, dass Unterarm und Handrücken eine Linie bilden. Zuletzt sollte man die Kurbel an jedem Pedal ein paar Mal drehen. Sind alle Teile fest und, sehr wichtig für gesundes Treten, die Pedalflächen im kompletten Umlauf auch waagerecht? Pedalkörper aus Kunststoff bei der Gelegenheit auf Weißfärbungen und Risse kontrollieren, UV-Strahlen lassen das Material früher altern, ein Bruch hat meistens schmerzhafte Folgen.
Und wenn man schon dabei ist: Auch das Zubehör checken, denn auch das kann eine Tour verderben. Fragen wie: Ist die Pumpe am Rahmen noch tauglich, sitzen Halterungen noch fest, oder sind die Taschen noch dicht, sollte man besser vor der Tour nachgehen. Es spricht übrigens nichts dagegen, regendichte Taschen mal mit unter die Dusche zu nehmen. Auch Ersatzschläuche oder Pannensprays unterliegen übrigens einem Alterungsprozess und sollten gecheckt werden!
Durch lange Standzeiten können die Oberflächen von Bremsscheiben und Flanken auf Stahlfelgen Flugrost ansetzen. Das ist nicht weiter schlimm, führt aber bei den ersten Bremsungen des Jahres zu unerwartetem Bremsverhalten. Deshalb vorsichtig einbremsen, indem man entweder eine längere Abfahrt mit schleifender Bremse langsam herabrollt oder (am besten bei Pedelecs) auf gerader Strecke etwa 400 Meter mit leicht gezogener Bremse fährt, den Erfolg bitte durch Sichtprüfung bestätigen. Beim Einbremsen fällt auch auf, ob z.B. Fremdkörper in den Bremsbacken stecken, dann gibt es ein furchtbares, kratzendes Geräusch. Auch schleifende Bremsscheiben erkennt man. Reparaturen an den Bremsen gehören dann wieder in kundige Mechanikerhand.
Es klingt paradox, aber die finale Testfahrt sollte neben der Abfahrt zum Einbremsen auch eine Kopfsteinpflasterpassage enthalten. Bitte ohne zu treten und im Stehen zügig und mit ausreichend Druck in den Rädern über die Unebenheiten rollen, dabei auf klappernde Geräusche achten, sei es aus Anbauteilen wie Schutzblechen, von Kabeln und Zügen oder von Antriebsteilen. Prinzipiell ist ein Klappern nicht schlimm, es kündigt aber oft sich lösende Verbindungen zwischen Teilen an. Wer die Geräuschquellen verorten kann und entsprechendes Werkzeug besitzt, kann gerade bei Verkleidungen gern selbst Hand anlegen. Wer sich nicht sicher ist, sollte die Stellen notieren und die Liste mitsamt Rad dem Mechaniker bei Gelegenheit übergeben.