Der Plan war diesmal so simpel wie möglich. Das leichteste E-MTB der Welt bauen! Teils aus Neugier, nach dem Motto: Wie leicht kann man es eigentlich machen? Und teils mit der Vision, ein Bike zu bauen, das sich exakt fährt wie ein Bike ohne Motor nur eben mit Boost-Power auf Knopfdruck. Das ist simpel, aber auch irgendwie kompliziert. Es ist eine Sache ein leichtes Bike zu bauen, aber das leichteste Bike seiner Kategorie, das sich trotzdem noch gut fährt? Das ist eine andere Herausforderung.
Schon früh jobbte Gustav in Schwedens erstem Scott-Shop in Mora. Die langen Winter vertrieb er sich mit Bike-Tuning für einen standesgemäßen Boliden in der nächsten Saison und in der Muckibude. 2016 postete er sein privates Scott Spark auf Instagram, auch BIKE und Pinkbike stellten Dangerholm in größeren Storys erstmals einem interessierten Publikum vor. Die Shorts, zunächst als Scherz und Hommage an Lemmy von Motörhead gedacht, sind zu seinem Markenzeichen geworden. Übrigens ist der extrovertiert wirkende Schwede privat eher still, äußerst höflich und bescheiden.
EMTB Magazin: Gustav, Wie viel Arbeit steckt in so einem Tuning-Projekt?
Gustav Gullholm “Dangerholm”: Schwer zu sagen, ich schreib’ das nicht auf. Und man unterschätzt, wie lange allein die Recherche für die richtigen Teile dauert. Insgesamt fließen 100 bis 200 Stunden in meine Bikes, beim Lumen dürften es eher mehr als weniger gewesen sein.
Für alle, die das Scott Lumen noch nicht so genau kennen: Es ist im Prinzip die E-Bike-Version von Scotts Racefully Spark. Aber natürlich keine bloße Kopie. Das Lumen hat mit 130 Millimetern etwas mehr Federweg als das Spark, der Rahmen ist etwas anders geformt, um Platz für Motor und Akku zu schaffen. Wie beim Spark sitzt aber auch beim Lumen der Dämpfer versteckt im Rahmen, die Geometrie kann über einen Winkelsteuersatz angepasst werden. Im Serientrimm wiegt das Scott Lumen 15,9 Kilogramm in Größe L (EMTB-Messung).
EMTB Magazin: Welcher Arbeitsschritt dauert beim Tuning am längsten?
Gustav: Den Rahmenlack entferne ich per Hand. Ganz vorsichtig mit einem scharfen Werkzeugmesser. So bleiben die Fasern intakt. Das Ganze dauert etwa 30 Arbeitsstunden und spart am Ende ungefähr 150 Gramm ein. Ich muss wohl nicht dazu sagen, dass man das auf keinen Fall nachmachen sollte. Sonst ist die Garantie in jedem Fall futsch und wenn man beim Entlacken die Fasern beschädigt, kann es auch wirklich gefährlich werden.
Der Fox-Dämpfer im Tuning-Lumen musste einem etwas leichteren Rockshox-Nude mit Lockout aus dem Spark weichen. Das spart 40 Gramm gegenüber der Serie. In der Front steckt eine Samurai Federgabel von Intend mit 130 Millimetern Federweg. Mit 1537 Gramm ist sie nicht nur die leichteste Trail-Gabel am Markt, sondern bringt auch noch besondere Eigenschaften mit. Als Upside-Down-Gabel hat sie allein durch die Konstruktion ein besseres Ansprechverhalten als konventionelle Federgabeln, die hohe Bremssteifigkeit passt gut zu E-Bikes, die geringere Verdrehsteifigkeit ist eine Frage der persönlichen Präferenz. Wenig-Armpump und viel Grip stehen auf der Haben-Seite, schwerere Fahrer in schnellen Anliegern könnten das Handling aber als weniger präzise empfinden. Beim Tuning geht es auch immer darum, das Bike auf den Fahrer abzustimmen. Ob dazu eine Upside-Down-Gabel passt oder nicht, das muss jeder selbst entscheiden.
Das Herz des Scott Lumen in der Dangerholm-Edition als auch in der normalen Ausführung ist der HPR50-Motor von TQ. Der bietet 50 Newtonmeter Drehmoment und bis zu 300 Watt Unterstützung. Gerade wenn es ein Bike mit natürlichem Fahrgefühl sein soll, eine gute Wahl. Denn der TQ-Antrieb hält sich - auch beim Antriebsgeräusch - angenehm im Hintergrund, hat nur wenig Leerweg und lässt sich besonders gut dosieren.
EMTB Magazin: Das Lumen ist das erste E-Bike, das du getuned hast. Konntest du bei Motor und Akku auch etwas optimieren?
Gustav: Extra für dieses Projekt hat das Team von TQ eine Carbon-Hülse für den Akku als Prototypen entwickelt. Das ist echt cool und eine wirkliche Ehre für mich. Allein die spart schon 206 Gramm gegenüber der Standard-Version mit Alu-Hülle ein. Auch beim Motor selbst konnten wir Hand anlegen: Keramiklager von Ceramic Speed und hohle Titanbolzen von Meti aus Italien drücken das Gewicht des Bikes um nochmal 70 Gramm. Alles in allem wiegt das TQ-System an diesem Bike so 3783 Gramm zuzüglich 26 Gramm für die Remote.
Tuning-Potential lag beim Tuning-Lumen auch im serienmäßigen Zwölffach-Antrieb. Der Schwede Dangerholm entschied: Für ein sportliches E-Bike reichen bei einer leichten Kassette mit zehn bis 44 Zähnen auch elf Gänge. Nur wie am besten schalten? Einfach ein mechanisches Elffach-Schaltwerk mit Carbon-Parts aufmöbeln? Nein, zu antiquiert.
Also fing Gustav an zu experimentieren und kombinierte am Ende zwei Schaltwerke zu einem. Die Basis bildet Srams Straßenschaltwerk Red AXS XPLR mit ursprünglich zwölf Gängen, das mit der Elektronik und dem Reibungsdämpfer eines E-Tap Elffach-Schaltwerkes kombiniert wurde. Dann noch etwas polieren und abdremeln - am Ende ging der Plan auf. Bedient wird die hochpolierte Frankenstein-Schaltung übrigens mit einem auf Kippschalter umgerüsteten Blipper. Solche Blipper finden ursprünglich unter den Lenkerbändern von Rennrädern Platz, um auch im Oberlenkergriff schalten zu können.
EMTB Magazin: Dein Scott Lumen ist jetzt das leichteste E-MTB der Welt! Musst Du Dir Sorgen um diesen Titel machen?
Gustav: Natürlich, aber Sorge ist das falsche Wort. Am Ende bin ich einfach ein Bike-Nerd und liebe stimmig und aufwändig modifizierte Bikes, egal wer dahinter steckt. Gerade auf der Eurobike hab’ ich da ein paar spannende Leute getroffen. Über die Menschen hinter Stoll und Rotwild bis hin zu vielen privaten Tunern. Und ich glaube es geht uns allen so: Wir wollen immer, dass die jeweils anderen mit ihren Projekten auch Erfolg haben. Da pushen wir uns auch einfach gegenseitig.
Nur 945 Gramm wiegen die Pi-Rope Laufräder mit Duke-Felgen in Dangerholms Scott Lumen. Die Besonderheit bei Pi-Rope sind die Speichen, die nicht aus Stahl, sondern aus Synthetik-Fasern bestehen. Die Naben zum Laufradsatz kommen von einer noch relativ jungen deutschen Marke, die auf den Namen Nonplus hört. Sie setzen auf einen Ratchet-Freilauf mit besonders großer Kontaktfläche, damit sind sie trotz allen Leichtbaus stabil genug auch für den Einsatz am E-Bike. Trickstuffs Leichtbau-Bremse Piccola Carbon mit Scheiben von Carbon-Ti, Keramiklager im Steuerrohr, die ohne Schmierung auskommen und ein einteiliges Carbon-Cockpit von Darimo komplettieren den Aufbau des Superleicht-Lumens aus Schweden.
EMTB Magazin: Wie fährt sich dein Scott Lumen denn eigentlich?
Gustav: Vielleicht ist das wenig überraschend: Aber es fährt sich so wie ein normales Bike ohne E-Antrieb. Eine Trail-Version mit stabileren Parts und griffigeren Reifen gibt’s übrigens auch noch. Dieses Bike ist mein persönlicher Favorit und mit 14 Kilo immer noch sehr sehr leicht.
Darfs auch etwas mehr sein? Die Trail-Variante des Superleicht-Lumens aus Schweden ist etwas mehr auf Fahrspaß bergab ausgelegt als das Rekord-Bike. Das Chassis ist identisch zur XC-Variante, die einteiligen Carbon-Laufräder des Serienbikes kommen hier aber wieder zum Einsatz, zusammen mit etwas griffigeren Down-Country-Reifen von Schwalbe (Wicked Will ) oder Kenda (Karma). Ein etwas breiteres Carbon-Cockpit mit kurzem Vorbau und eine Fox Transfer SL Sattelstütze mit 150 Millimetern, statt der superleichten 80-Millimeter-Dropper von Yep erhöhen den Trailspaß weiter.
EMTB Magazin: Wo bieten E-MTBs generell Tuning-Potenzial?
Gustav: Bei Kontaktpunkten und Reifen kann man gut anfangen. Im Moment sieht man noch viele Bikes im Serientrimm, aber gerade durch die Light-Bikes sieht man auch mehr Bike-Nerds auf E-MTBs. Ich glaube, das Tuning wird dadurch in Zukunft noch stark zunehmen.