Dieser Artikel ist ursprünglich am 21.12.2024 erschienen - wir haben ihn jetzt aktualisiert.
Pioniere des Kettenwachsens haben schon vor Jahrzehnten damit begonnen, Paraffin statt Öl auf die Kette aufzutragen, im Prinzip also Kerzenwachs zu verwenden. Ein damit geschmierter Antrieb zieht kaum Dreck an und wo kein Dreck haftet, ist auch weniger Verschleiß. Viel weniger Verschleiß. Ganz besonders beim Biken im feuchten Tann. Weil Wachsen aber einiges an Vorbereitung benötigt – so müssen die Bauteile vor dem Auftrag komplett fettfrei sein, damit Wachs überhaupt haften kann – war Wachsen lange ein Nischenthema. Das hat sich geändert. Mittlerweile hat so ziemlich jeder traditionelle Hersteller Kettenwachs im Programm, hinzu gesellen sich zig Firmen, die Wachsen zu ihrem Hauptthema gemacht haben. Der Markt ist regelrecht explodiert.
Im Wesentlichen gibt es dabei zwei Produktlinien: Heißwachse und Tropfwachse. Erstere müssen aufgeschmolzen und Ketten vor dem Gang ins heiße Bad demontiert werden – was die Prozedur aufwendig macht. Tropfwachse werden hingegen aus der Flasche aufgetragen – analog zu Öl. Laut Herstellern sollen die Heißwachse aber besser sein.
Da Tropfwachse einfacher anzuwenden sind, scheint sich der Markt aber mehr in diese Richtung zu bewegen. Beide Methoden lassen sich auch kombinieren. So kann man die heißgewachste Kette mit Tropfwachsen nachschmieren, bevor man sie nach einigen Zyklen zur Generalüberholung erneut ins heiße Wachsbad gibt.
Dass gewachste Ketten kaum Schmutz anziehen, können wir aus jahrelanger Praxis bestätigen. Selbst nach einer Fahrt durch dicksten Schmodder, ist die gewachste Kette immer noch erstaunlich sauber. Und das wiederum ist die Grundlage für eine deutlich längere Haltbarkeit von Ketten, Ritzeln und Kettenblättern (mehrfache Lebensdauer ist drin!). Da die Verschleißpakete moderner Räder in die Hunderte gehen können – Kassettenpreise reichen bis 500 Euro – ist die Haltbarkeit ein immens wichtiger Faktor in den laufenden Betriebskosten.
Die Sauberkeit kommt aber nicht nur der Technik zugute. Gewachste Ketten hinterlassen wenig Spuren, nur beim Einfahren rieselt etwas Kettenwachs. Das macht den Umgang mit dem Bike angenehm. Besonders bei Transport und häufigen Radwechseln sind die Vorteile im Wortsinne zu greifen.
Probleme in der Praxis betreffen vor allem Regenfahrten. Das Bike nass in die Garage zu stellen, war noch nie eine gute Idee. Erst recht nicht mit gewachstem Antrieb, denn dieser bietet weniger Korrosionsschutz als Öl, das im Gegensatz zu Wachs nachkriechen kann. Über Nacht kann daher schon der erste Rost auf einer nass geparkten Wachskette blühen. Daher sollten gewachste Antriebe nach jeder Nassfahrt abgetrocknet und idealerweise nachgeschmiert werden.
Wie weit das Bike mit einer Wachsung kommt, variiert. Hersteller versprechen zum Teil Laufleistungen von bis zu 1.000 Kilometern pro Anwendung. Das mag unter bestimmten Bedingungen auf der Straße zutreffen, nach unserer Erfahrung sind 200 Kilometer eine realistischere Praxis-Reichweite, bei winterlichen Bedingungen auch deutlich weniger. Tendenziell kommen wir mit Öl weiter.
Unser Testfeld umfasst 16 Produkte von elf Herstellern. Sechs Heißwachse treffen auf zehn Tropfwachse. Der Grammpreis variiert zwischen 9 und 50 Cent. Wachse sind damit relativ teuer. Dies liegt sicher weniger am Preis für den Grundstoff Paraffin als den Additiven, die den Wachsen beigemengt werden. Festkörper-Gleitstoffe wie Wolfram-Disulfid oder spezielle Keramiken, die sich auf der Metalloberfläche anlagern sollen, sind teure Zutaten. Kettenwachs ist zudem ergiebig. Für eine Heißwachsung werden effektiv nur rund 4 Gramm Wachs verbraucht. Eine 400-Gramm Packung hält damit eine kleine Ewigkeit.
Bei Tropfwachsen hängt es von der Viskosität und der Anwendung ab, wie lange eine Flasche reicht. Auch ein kleines Gebinde kann ergiebig sein, wie etwa bei Dry Fluid – da sehr dünnflüssig und mit feiner Dosierspitze versehen. Zur Einschätzung: Um eine Flotte von acht Rädern am Laufen zu halten, benötigte der Autor 240 ml Tropfwachs in einem Jahr. Geschätzte Gesamtlaufleistung: knapp 20.000 Kilometer (Kettenwachs-Kosten: 0,23 Cent/Kilometer).
Die Hersteller teilen die Wachse zum Teil nach Anwendungszwecken ein in Leichtlaufprodukte und Endurance-Wachse, die höhere Kilometerleistungen liefern sollen. Drei Hersteller (Dynamic, Motorex und Toniq) werben zudem mit biologisch abbaubaren Wachsen.
Zum Testen haben wir die Wachse auf entfettete Shimano-XT-Ketten aufgebracht und die diese auf einem speziellen Prüfstand einem Effizienztest unterzogen, bei hohen bis sehr hohen Belastungen zwischen 370 und 680 Watt. Verglichen haben wir die Wachse mit der Original-Schmierung der Shimano-Ketten sowie einem sehr guten Kettenöl.
Unser Test zeigt, dass die Versprechen der Hersteller tatsächlich stimmen: Kettenwachs schmiert sehr gut. Die besten schlagen in der Effizienz auch ein sehr gutes High-End-Kettenöl – allerdings nur knapp. Der Effizienzgewinn gegenüber der Original-Schmierung von Shimano, die eher Korrosionsschutz-Charakter hat – ist hingegen deutlich. 5,5 Watt spart ein gutes Wachs hier bei 370 W Antriebsleistung. Das sind immerhin 1,5 Prozent. Wenig oder viel? Das liegt im Auge des Betrachters. Die Original-Schmierung der Kette durch etwas Schnelleres zu ersetzen, sollte zumindest für Rennfahrer Pflichtprogramm sein. Verschlissen und/oder verdreckt sind die Unterschiede zwischen den Produkten mutmaßlich noch um einiges größer als in unserem Test ermittelt.
Bei höheren Leistungen nimmt der Wirkungsgrad des Kettengetriebes grundsätzlich zu. Das Ranking für die hohe Leistung ist daher nicht komplett identisch mit dem für die geringere Leistung (siehe Grafik weiter unten). Unsere Messungen zeigen, dass die meisten Wachse auch bei sehr hoher Leistung – wie sie etwa E-Bikes entfachen – sehr gut funktionieren. Als Trend ist erkennbar, dass Heißwachse zuverlässig gut funktionieren und das Ranking anführen. Tropfwachse mischen zum Teil aber auch weit vorne mit. Auch ein Wachs-freier Trockenschmierstoff, das „Dry Fluid“, schneidet sehr gut ab.
Robert Kühnen hat den Kettenwachs Test durchgeführt. Der Ingenieur ist dem Magazin seit langem als Autor und Tester verbunden, hat maßgeblich an den Prüfständen von BIKE mitgewirkt und auch den Kettenprüfstand entwickelt. Über bike-engineering.de bietet Kühnen Messungen für die Bike-Industrie und den Spitzensport an.
Wachsen bringt’s. Mehr Tempo, mehr Haltbarkeit, saubere Finger. Der größte Aufwand ist das Entfetten der Ketten. Vorgewachste Ketten machen den Einstieg besonders leicht. Läuft das Wachsen erstmal, ist es nur wenig aufwändiger als Ölen und spart Bares, denn der Antrieb hält damit länger, was die Kosten fürs Wachsen mehr als kompensiert. - Robert Kühnen, Diplom-Ingenieur Maschinenbau
Das Kettenwachs wird aufgeschmolzen und die demontierte Kette ins Wachsbad eingelegt.
Es wird wie Öl aus der Flasche aufgetragen.
+ Kaum Schmutzanhaftung, dadurch längere Lebensdauer
+ geringere Betriebskosten
+ Effizienzgewinn
+ nie mehr schwarze Finger
- Erstaufwand des Entfettens
- Korrosion nach Nassfahrten
- Nachschmieren unterwegs problematisch
Wie kommt das Wachs eigentlich auf die Kette? Und was muss man beim Kettewachsen beachten? Ihr könnt euch schon mal die Kochschürze umbinden, denn in diesem Artikel kochen wir ein leckeres Wachs-Menü für euren Fahrrad-Antrieb - ganz egal ob MTB, Gravel oder Road!
Kettenwachs entzieht sich dem klassischen, isolierten Schmierstofftest. Deshalb haben wir es so getestet, wie wir es nutzen – im Fahren. Dabei haben wir gemessen, wie effizient der Antrieb arbeitet. Gefahren wurde aber auf der Stelle, denn nur im Labor sind so genaue Messungen möglich.
Unsere Testmaschine misst die Differenz aus eingehender und ausgehender Leistung im Kettengetriebe. Das ist technisch anspruchsvoll, weil der Kettenwirkungsgrad grundsätzlich sehr hoch ist. Die Messtechnik muss grobe Kräfte aushalten, aber trotzdem fein auflösen. Dies leistet der Aufbau aus 1,5 kW Antrieb und zwei industriellen Burster-Drehmomentsensoren, die bis zu 200 Nm Drehmoment abkönnen – mehr, als die stärksten Biker aus ihren Muskeln quetschen. Im Unterschied zum Menschen bleibt die Maschine auch bei Leistungen am Ball, bei denen uns das Laktat zu den Ohren rauskäme.
Für den Kettenwachs-Vergleich präparieren wir 20 Shimano XT-Ketten aus einer Produktionscharge nach Entfettung mit unseren Testwachsen, lassen diese aushärten und fahren zunächst eine Stunde mit 370 Watt – was für die meisten einer ziemlich strammen Bergfahrt entspricht. Dabei zeichnen wir die Entwicklung des Wirkungsgrades auf. Der Mittelwert der finalen 20 Minuten ist unser Messwert. Wir fahren mit 92 Umdrehungen pro Minute und der Übersetzung 32/17 – ohne Schräglauf. Die Kette wird dabei über ein Schaltwerk geführt, die Ritzel sind aus Stahl.
Im zweiten Teil des Tests werden die eingefahrenen Ketten für 10 Minuten mit 680 Watt belastet. Auch hierbei zeichnen wir den Wirkungsgrad auf. Dieser Test gibt Aufschluss, inwieweit die Schmierstoffe auch bei rohen Kräften funktionieren. Schließlich unterziehen wir eine gewachste Kette exemplarisch einem harten Ausdauertest nach einem Schlammbad. Auch während dieses Tests verfolgen wir die Entwicklung des Wirkungsgrades.
Insgesamt haben wir zehn unterschiedliche Tropfwachse über den Prüfstand gescheucht. In der Handhabung sind diese natürlich etwas einfacher als die Heißwachs-Kollegen. Bei der harten Währung, den Messwerten schneidet flüssiges Kettenwachs meist aber etwas schlechter ab.
Allein auf der Eurobike 2024 haben diverse Hersteller neue Produkte zum Thema Heißwachs vorgestellt - Dynamic, Finish Line etc. Das zeigt, wie heiß das Thema gerade ist. Vor allem im Rennrad-Sektor setzen viele der hochkarätigen Rennteams auf heißgewachste Ketten und versprechen sich dadurch geringere Reibungsverluste. Unser Test beweist: Wachsen bringts!