Thomas Widerin
· 10.01.2024
“Vom Kleinkind auf dem Laufrad bis zum rüstigen Rentner auf einem High-End-Pedelec trifft man alles auf Radwegen, Forststraßen oder sogar abgelegensten Berghütten”, berichtet Thomas Widerin, Polizist, Rettungssanitäter und begeisterter Radfahrer von seinen Einsätzen im Rettungshubschrauber in Tirol. Radfahren in all seinen Variationen boomt. Keine andere Freizeitbeschäftigung hat mit derart steigenden Zahlen innerhalb der letzten Jahre aufwarten können. Bei all der positiven Entwicklung gibt es laut Widerin aber leider auch eine Kehrseite. “Die Zahl jener, die mit einem Fahrrad verunglückt, steigt ebenfalls stetig an.”
Um im Falle eines Radunfalls schnell und richtig handeln zu können, hilft es, eine Art Leitfaden im Kopf zu haben. So lassen sich Chaos und Hektik am Unfallort vermeiden. Und du kannst schnell und vor allem richtig Erste Hilfe leisten.
Selbst wenn man Trubel auf Radwegen eigentlich lieber meidet, im Ernstfall ist man froh, wenn man nicht allein ist. "Holen Sie sich daher jemanden herbei, der mithelfen kann. Und teilen Sie dann die Arbeit auf. Einer der Helfer bleibt beim Verletzten, der zweite kümmert sich um die Absicherung der Unfallstelle", rät Widerin. Dazu genügt es, einfach jemanden weit genug vor den Unfallort zu stellen, um andere früh genug zu warnen. Dieser Helfer weist später auch die eintreffenden Rettungskräfte ein. Verschaffen Sie sich dann einen Überblick über die Unfallsituation. Was ist geschehen? Ist nur ein Radfahrer allein beteiligt oder gibt es mehrere Verletzte? Schauen Sie sich auch genau um, wo sich der Unfallort befindet. Das ist gerade bei Fahrradtouren außerhalb von Ortschaften oder im Gelände besonders wichtig. Erst dann können gegebenenfalls ein exakter Notruf abgesetzt und sinnvolle Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet werden.
Auch ungeschulten Ersthelfern ist es möglich, festzustellen, um welche Art der Verletzung es sich in etwa handelt. Dies ist einerseits für die Wahl der weiteren Erste-Hilfe-Maßnahmen notwendig, andererseits benötigt solche Angaben auch die Rettungsleitstelle. "Als Laie sollten Sie sich auf Folgendes konzentrieren: Welche Verletzung können Sie selbst erkennen, und über welche Schmerzen klagt der Verletzte? Ansprechen – anschauen – anfassen! Sprechen Sie mit dem verletzten Radfahrer und fragen Sie ihn, wo es wehtut. Er darf auch vorsichtig berührt werden. Dadurch können Sie leichter feststellen, wo der Verletzte Schmerzen hat", erklärt Widerin.
Es gilt: Erst die Situation am Unfallort und die Art der Verletzung klären, dann den Notruf absetzen! Innerhalb der EU erreicht man über den europäischen Notruf "112" die örtlich zuständige Rettungsleitstelle. Jedes Land hat zudem eine eigene Landesnotrufnummer, nach der man sich vor Auslandsreisen erkundigen sollte. Den Disponenten der Rettungsleitstelle über den Notfallort, die Verletzten und die Situation vor Ort informieren. Nach dem Absetzen des Notrufs Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiten. Wenn notwendig, unterstützt die Leitstelle per Telefon bei den entsprechenden Schritten. Wenn kein oder nur schlechtes Mobilfunknetz vorhanden ist, das Handy ausschalten, wieder einschalten und ohne PIN-Eingabe den Notruf 112 wählen. Es meldet sich dann die nächste Leitstelle.
Schwere oder lebensgefährliche Verletzungen, bei denen der Verunfallte nicht mehr auf Ansprechen reagiert oder sogar keine normale Atmung mehr hat, müssen von professionellen Rettern behandelt werden, oft sogar von einem Notarzt. Hier sind neben dem Fachwissen auch spezielle Ausrüstung und Medikamente notwendig. Leichte bis mittelschwere Verletzungen können jedoch auch von einem Laien an der Unfallstelle recht gut versorgt werden. Auch diese Verletzungen bedürfen zumindest einer minimalen Erstversorgung. Ansonsten besteht die Gefahr, dass leichtere Verletzungen schwere Schäden zur Folge haben oder die Genesungszeit deutlich verlängert wird. "Der Begriff Erstversorgung ist wörtlich gemeint: Der Laie hat am Unfallort nur die Aufgabe, erste unbedingt notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Diese dienen dazu, dem Verletzten so gut wie möglich mit dem vorhandenen Wissen und der zur Verfügung stehenden Ausrüstung zu helfen. Die weiteren Versorgungen übernehmen dann professionelle Teams", bekräftigt Thomas Widerin.
Ein Fall für den Rettungsdienst: Ist ein Radfahrer nach einem Sturz zunächst nicht ansprechbar und bewusstlos, muss auf jeden Fall professionelle Hilfe geholt werden.
Nach dem Absetzen des Notrufs und bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes beim Verunfallten die Atmung kontrollieren und ihn in die stabile Seitenlage bringen.
Bei einem Sturz mit dem Fahrrad kommt es meist zu Abschürfungen, leichten oder starken Blutungen, Knochenbrüchen und Kopfverletzungen. Hier können Sie als Ersthelfer mit wenigen Handgriffen dem Verletzten sinnvoll helfen. Tipp vom Profi Widerin: "Denken Sie nicht zu kompliziert, sondern handeln Sie einfach. Es ist nicht wichtig, alles besonders perfekt zu machen. Draußen an der Unfallstelle zählen nur die am dringend notwendigsten Handgriffe."
Der verantwortungsbewusste Radbegeisterte führt zumindest eine minimale Notfallausrüstung mit. Ein Basispaket gehört in die Sattel- oder Lenkertasche. Je nach Länge und Ziel der Reise kann beim Inhalt variiert werden. Auch Notfall Checklisten sind sehr hilfreich. Aus diesen können bei Bedarf Notrufnummer, die Angaben beim Absetzen eines Notrufes oder auch die wichtigsten Erste-Hilfe-Schritte entnommen werden. Diese „kleinen Helfer“ nehmen nur wenig Platz in Anspruch, können aber an der Unfallstelle gut eingesetzt werden.
Praktisch: Bei einem Notruf über eine Notfall-App, wie z. B. die SOS EU ALP, werden automatisch Standortdaten (GPS-Koordinaten) und Kontaktdaten (direkte Telefonnummer) an die jeweilige Rettungsleitstelle übermittelt.