Wer lange Strecken beherrschen will, sollte ab und zu auch lange Strecken in sein Training einbauen – um sich gegen die Ermüdung zu wappnen, die unweigerlich eintritt, wenn längere Strecken als gewohnt anstehen. Dafür sind längere Einheiten nötig. “Lang” ist zunächst alles, was länger ist als das Gewohnte. Lang genug ist, was alle Körpersysteme so trainiert, dass die geplante Strecke bei einem Event machbar ist. Gezieltes Ausdauertraining bringt die nötige Fitness, um sich auf die Langstrecke vorzubereiten. Ob lange Tagestour oder Marathon: Wir klären, mit welchem Training Biker länger durchhalten.
Fährst Du nur zum Spaß, oder trainierst Du schon? Und was ist eigentlich der Unterschied? Radeln wir nicht alle, um Spaß zu haben? Training beginnt, wenn planvolles Handeln eine Rolle spielt. Der Übergang vom Radfahren aus Spaß zum Training ist fließend und hat viel damit zu tun, welches Ziel man erreichen will. Denn nur Ziele, die ausreichend anspruchsvoll sind und keinesfalls mal eben so zu bewältigen, motivieren, sich dauerhaft reinzuhängen. Eine Distanz, die Du noch nie gemeistert hast, ein Wettkampf, der Dich hier und jetzt völlig überfordern würde? Das ist der Stoff, aus dem gute Ziele gemacht sind. Sie müssen locken, aber auch einen gewissen Respekt einflößen – dieser Mix macht das Training stets attraktiver als eine gemütliche Stunde auf dem Sofa.
Gutes Training: regelmäßig, mal ruhig, mal schnell – aber nicht immer gleich! - Robert Kühnen, Trainings-Experte
Ausdauertraining ist nicht besonders kompliziert. Man muss keine verrückten Sachen machen, um ausdauernder zu werden. Gefragt sind vor allem Fleiß und Konstanz. Der überwiegende Teil des Trainings darf bei einem relativ ruhigen Tempo stattfinden, nicht mit hängender Zunge. Die Belastung sollte sich langsam steigern. Am einfachsten ist es, die Strecken länger werden zu lassen. Peu à peu vergrößert sich der Radius, und ganz nebenbei passieren die wundersamen Dinge, die unseren Körper effizienter machen. Die Zahl der Zellkraftwerke nimmt zu, mehr Sauerstoff wird umgesetzt, die Muskeln arbeiten zusammen wie ein gutes Orchester.
Damit nicht nach ein paar Wochen Stagnation eintritt, müssen die Anreize für den Körper variiert werden. Also nicht immer die gleiche Runde und das gleiche Tempo fahren, sondern abwechseln. Ist die Basis gelegt, kann man die Geschwindigkeit erhöhen – nur jetzt nicht immer volle Pulle, das wäre kontraproduktiv. Am besten ist eine deutliche Differenzierung: meistens locker und ab und zu richtig schnell. In Richtung des Zieles sollten die Dinge geübt werden, die dabei eine Rolle spielen. Geht es in die Berge, sollten in der Vorbereitung Berge gefahren werden. Geht es flach gegen den Wind, sollte dies geübt werden. Eigentlich logisch, oder? Stellt sich so die gewünschte Form ein, sind Spaß und Glücksgefühle beim Saisonhöhepunkt garantiert. Insgesamt sollten etwa 80 Prozent des Trainings im Grundlagenbereich stattfinden, 20 Prozent sollten dem intensiveren Bereich gewidmet werden.
Wer immer nur 30Kilometer ballert, wird spüren, dass bereits 60 Kilometer sehr viel fordernder sind. 60 Kilometer sind im Vollgasmodus nämlich nur schwer zu schaffen. Wer öfter 100 Kilometer fährt, wird diese Strecke hingegen locker abspulen, weil das richtige Tempo hierfür bereits gelernt wurde. Auch 300 Kilometer am Stück und mehr sind möglich, wenn alle Systeme so trainiert sind, dass die Distanzen weiter gesteigert werden können. Entscheidend für das Ausdehnen der Distanzen ist es, das Tempo mit Augenmaß zu wählen und genug zu essen. Die Trainingsweisheit dazu lautet: “Geschwindigkeit tötet, nicht die Strecke.” Dahinter steckt, dass der menschliche “Motor” im Bereich der Fettverbrennung sehr lange leistungsfähig bleibt, wenn diese hinreichend ausgebildet ist und zusätzlich noch während der Belastung gegessen wird. Die langfristig erzielbare Dauerleistung hängt vor allem vom Energiefluss ab – von der Fettverbrennung und den unterwegs zugeführten Kohlenhydraten. Die Fettverbrennung wird durch Grundlagentraining trainiert und ist nahezu unlimitiert, denn ein paar Kilo Fett hat jeder zur Verfügung, Brennstoff für Tausende Kilometer. Immer volle Pulle zu fahren hilft aber nicht, das Körperfett zu erschließen. Nur bei moderatem Tempo wird diese Fähigkeit trainiert.
Die Nahrungszufuhr muss ebenfalls trainiert werden – durch das Essen auf dem Rad. Hier ist auch im Profisport am meisten passiert in den vergangenen Jahren. Profis haben sich antrainiert, bis zu 120 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde zu verwerten, das ist doppelt so viel, wie man ohne gezielte Anpassung zu sich nehmen kann. Freizeitsportler haben aber einen geringeren Energieumsatz, sie müssen (und sollten) daher nicht die gleichen Mengen wie Profis futtern. Eine gute Fettverbrennung plus eine moderate, gleichmäßige Zufuhr von Kohlenhydraten erschließt lange Strecken. Ultradistanzen ständig zu fahren, ist hingegen nicht sinnvoll in der Abwägung von Verschleiß und Nutzen, der damit einhergeht. Denn Ausdauertraining setzt weniger auf Gewaltanstrengungen als auf regelmäßiges Üben mit einer Balance aus Länge und Intensität. Am Tag X fügen sich dann alle Puzzlesteine so zusammen, dass auch unmöglich Scheinendes möglich wird, zum Beispiel, eine überlange Strecke von zwölf Stunden oder mehr zu bewältigen. Als Faustformel gilt, dass rund acht lange Fahrten, die aus dem normalen Training herausstechen, reichen, um eine Langstrecke vorzubereiten.
Zur Einteilung der Intensität dient ein Powermeter oder die Herzfrequenz – im Idealfall beides. Zielzone: unterer bis mittlerer GA1 – eine Unterhaltung in knappen Sätzen ist bei diesem Tempo möglich. Anfangs lieber zu langsam als zu schnell fahren. Die Herzfrequenz sollte bei konstanter Leistung nicht anfangen davonzueilen (aerobic decoupling). Das wäre ein Zeichen für noch unzureichende Form bzw. zu hohes Tempo. Wenn der Puls davoneilt, das weitere Training nach Puls gestalten, also die Tretleistung verringern.
Zunächst nicht zu viele Höhenmeter; erst die Strecke ausdehnen, dann das Profil schärfen. Hintergrund: Ausflüge in intensivere Trainingszonen unterbinden die Fettverbrennung – der Weg zurück in die Fettzone verläuft langsamer als der hinaus. Ein zu giftiges Streckenprofil kann die Fettverbrennung zunichtemachen und den gewünschten Trainingseffekt blockieren. Je besser die Fitness, desto eher lassen sich längere Kletterpassagen höherer Intensität einbauen.
Bei bis zu acht Wochenstunden Training gelten Fahrten von drei und mehr Stunden als lang. Bis zwölf Wochenstunden sind vierstündige Fahrten lang, bei größeren Umfängen sind es fünf bis sechs Stunden. Die Stunden sind maßgeblich, nicht die Kilometer.
So lange Trainingseinheiten sind in der Vorbereitung nicht notwendig. Es hilft aber, in der Vorbereitung immer mal wieder die Grenzen zu verschieben und vereinzelt Distanzen in den Trainingsplan einzubauen, die den üblichen Rahmen sprengen. So lernt man Schritt für Schritt, dass das geht, was auch für den Kopf wichtig ist. Aufeinander aufbauende Wettkämpfe mit immer längeren Distanzen sind ein probates Mittel, sich an die wirklich langen Riemen zu gewöhnen.
Der grobe Jahresplan beginnt mit dem Kalender-Check: Welche Ziele passen in die persönliche Jahresplanung? Wo ist Platz für überdurchschnittlich viel Training? Können und dürfen Urlaube dafür genutzt werden? Wie gliedert sich das Sportjahr, wenn die Ziele feststehen? Wer folgende drei Punkte beachtet, steigert die Aussichten auf ein erfolgreiches Sportjahr 2025.
Ziele sind der Schlüssel, um motiviert zu trainieren. Ohne Ziel bleibt niemand am Ball. Gute Ziele sind ambitioniert, aber nicht utopisch, und im Idealfall messbar. Einen Marathon innerhalb einer Zeit zu finishen, wäre so ein Ziel. Also anmelden und diesen Fakt mit der Welt teilen. Das hilft dabei, das Ziel ernsthaft zu verfolgen.
Vom Ziel rückwärts gerechnet wird der Weg dorthin geplant. Mindestdauer, damit die körperlichen Anpassungen funktionieren können: acht Wochen. Mehr schadet nicht. Das Ziel sollte abgestimmt werden mit den anderen Meilensteinen des Jahres wie Urlauben, beruflichen Reisen usw. Es hilft, günstige Zeitfenster für Trainingsschwerpunkte (Wochenenden/Trainingslager) zu identifizieren.
Klingt spießig, hilft aber, um auf Kurs zu bleiben: Die Trainingsdokumentation ist der Realitäts-Check, ob der Plan umgesetzt wird und alles in die richtige Richtung geht. Digitale Helferlein wie Strava & Co. machen das heute einfach und übersichtlich möglich. Im Prinzip sollte erkennbar sein, dass stetig aufs Ziel hin trainiert wird. Größere Löcher im Aufbau sind Gift für die Form.
Training beginnt bei drei Trainings pro Woche. Mehr sind besser; wer viel fährt und kurze Einheiten einbaut (Pendler), kommt auf deutlich mehr Trainings pro Woche. Ein Ruhetag pro Woche ist auch für Vielfahrer sinnvoll. Im Prinzip sollten die härtesten Intervalle in möglichst frischem Zustand absolviert werden. Ausdauertrainings können hingegen mit Vorermüdung aufeinander folgen. Die Trainingsdauer wird über drei Wochen jeweils leicht gesteigert, dann folgt eine Entlastungswoche. Für ältere Sportler kann der Rhythmus von zwei Belastungswochen zu einer Entlastungswoche passender sein. Die Intensität, kombiniert mit der Länge, bestimmt, wie fordernd ein Training ist. Basis ist ein moderates Grundtempo, in das Abschnitte mit mehr Tempo (Intervalle) eingebettet werden. Die Intensität des Trainings lässt sich an der Tretleistung in Watt und (stärker geglättet) an der Herzfrequenz ablesen. Es gibt sehr fein in Trainingszonen unterteilte Modelle aber im Grunde reicht auch ein simples Modell.
Kontinuität ist für ambitionierte Radsportler nicht verhandelbar. Kontinuierliches Training ist der wichtigste Baustein von allen. Nichtstun heißt Rückschritt. Das heißt nicht, dass jeden Tag trainiert werden muss, Erholungszeiten sind wichtig. Aber die Regelmäßigkeit ist wichtiger als einzelne Gewaltleistungen. Basis ist daher ein Wochenplan mit mindestens drei, besser aber vier oder fünf Einheiten pro Woche. Ein bis zweiwöchige Trainingscamps können der Form-Booster schlechthin sein. Sie sind die effizienteste Methode, Trainingszeit zu ballen und Anpassungen anzustoßen. Hauptvorteil: 100 Prozent Fokussierung auf den Sport. Der Klassiker sind Frühjahrscamps, um Kilometer zu sammeln und in Tritt zu kommen. Aber Trainingscamps sind immer sinnvoll. Die inhaltlichen Schwerpunkte wandeln sich dabei im Zuge der Saison und werden Richtung Wettkampf immer spezifischer Die knappste Form des Trainingslagers beginnt vor der eigenen Haustür und geht über das gängige Heimatrevier hinaus: Freitagnachmittag aufs Rad und los Richtung Horizont. Übernachtung in einem Hotel. Am nächsten Morgen eine lange Tagesetappe zum zweiten Hotel. Am Sonntag zurück nach Hause. Das Ganze lässt sich mit Minimalgepäck – Rucksack oder Satteltasche – absolvieren. Wer es ganz puristisch mag, schläft am Wegesrand (Overnighter). In jedem Fall lassen sich so ernsthaft Kilometer machen. Zwei solcher Camps in Reihe plus ein Trainingsblock dazwischen, nehmen es im Umfang mit einem normalen Trainingscamp auf.
Training in den Alltag zu integrieren, spart Zeit bzw. macht mehr Training möglich. Mit dem Rad zur Arbeit? Warum nicht! Locker hin, mit einer Extrarunde zurück – so kommen reichlich Kilometer zusammen, und der zeitliche Mehraufwand ist überschaubar. Auch ein bis zwei Blöcke an Hitzetraining können Sportler in kurzer Zeit weiterbringen. Training heißt, den Körper aus dem Gleichgewicht zu schubsen und neue Reize zu setzen. Ein künstlich kreierter Trainingsreiz für Fortgeschrittene ist Hitze. Acht Einheiten mit erhöhter Körpertemperatur binnen zwei Wochen bilden einen Block. Trainiert wird je nur maximal eine Stunde mit geringer Intensität (45–50 Prozent der FTP) auf der Rolle – in warmer Kleidung. Das ergänzt das normale Training, idealerweise nach Vorermüdung, also am Abend. Effekt: Anpassung an sommerliche Hitze, Erhöhung der VO2max und der Schwellenleistung.