Josh Welz
· 11.12.2023
Das beste Ziel gegen Winter-Depression: Ab in den Süden! Ob mit dem Auto, Zug oder Flugzeug, hängt nicht allein von der Wetterprognose ab, sondern auch von Kosten und ökologischem Gewissen. Die Entscheidung, ob man für den Bike-Urlaub wirklich in den Flieger steigt, ganz nachhaltig mit dem Zug fährt oder eben doch das Auto nimmt, muss jeder für sich selber treffen. Oft sind es ganz praktische Fragen, die die Wahl des passenden Reisevehikels beeinflussen.
Beispiel E-MTB. Wer Wert darauf legt, im Urlaub die Trails mit dem eigenen Bike zu shredden, der sollte vom Flugzeug absehen. E-Bike-Akkus sind nämlich Gefahrgut und dürfen im Personenluftverkehr nicht befördert werden. Gleichwohl müssen Flugreisen für E-Mountainbiker kein Tabu sein. An vielen Bike-Destinationen in Flugdistanz gibt es gut ausgerüstete Bike-Stationen.
Mit dem Bio-Bike ohne Motor (und Akku) ist das Fliegen wesentlich einfacher. Trotzdem lohnt es sich auch dann, die Vermietpreise für hochwertiges Bike-Equipment am Urlaubsort zu checken. Denn der Bike-Transport mit dem Flugzeug kostet je nach Airline zwischen 40 und 100 Euro pro Flugstrecke.
Die Reiseplanung mit dem Zug gestaltet sich ebenfalls nicht ganz unproblematisch. Zwar lassen sich beim internationalen Fernverkehr der Bahn Stehplätze für Räder reservieren, aber nicht alle Bike-Reviere sind wirklich gut erreichbar. Kein Wunder also, dass die allermeisten Mountainbiker bei der Planung des Urlaubs auch im Winter dann eben doch auf das Auto setzen.
Wir haben vier reiseerprobte Bike-Experten nach ihren liebsten Winter-Destinationen befragt. Die Profi-Racer Nathalie Schneitter und Johannes Fischbach reisen von Berufswegen, für die Globetrotter Alban Aubert und Tobi Woggon gehört das Reisen mit dem Bike zur Lebensphilosophie. Hier sind ihre Reise- und Revier-Tipps für wintermüde Mountainbiker.
Eigentlich hatte die 37-jährige Solothurnerin ihren Abschied vom professionellem Radsport bereits im Jahr 2016 verkündet. Doch dann feierte sie ein bemerkenswertes Comeback. Drei Jahre nach ihrem Rücktritt entdeckte Nathalie Schneitter nämlich erneut ihre Leidenschaft für den Radrennsport. Doch diesmal tauschte sie das Cross-Country-Bike gegen das E-Mountainbike. Gleich ihr erster Ausflug ins E-Mountainbiken brachte sofortigen Erfolg, denn im gleichen Jahr hielt sie nach einem bemerkenswerten Rennen den Titel der E-Mountainbike-Weltmeisterin hoch. Bei den diesjährigen UCI Mountainbike-Weltmeisterschaften im schottischen Glasgow überraschte Schneitter wieder, als sie erneut ins Regenbogen-Trikot schlüpfen durfte. Als zweimalige Weltmeisterin ist sie nun die erfolgreichste Rennfahrerin in der jungen E-MTB-Disziplin. Schneitter ist aber nicht nur erfolgreiche Profi-Rennfahrerin, sondern auch eine begeisterte Radfahrerin. Ihre Leidenschaft geht weit über den Wettkampfsport hinaus. Sie ist bekannt für ihre vielen Radabenteuer und wird oft als das "Velo-Chamäleon" bezeichnet. In Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft nahm sie sogar an einem Ultracycling-Rennen in Norwegen teil, das über 1000 Kilometer und 16.500 Höhenmeter führte.
“Da wir Schweizer im Winter auch gerne Ski fahren, reise ich meist nur für Kurztrips in den Süden. Ein echter Geheimtipp ist für mich dafür das Tessin im südlichsten Zipfel der Schweiz. Auf der Alpensüdseite gelegen, herrschen im Tessin auch im Winter meist sehr milde Temperaturen und die Reisezeit hält sich für mich von zu Hause aus in Grenzen. Egal ob Monte Barr, Monte Generoso oder auch andere tolle Touren, hier kann ich mich austoben. Trailspaß ist auf jeden Fall garantiert und etwas italienisches Flair gibt es noch oben drauf, im Tessin spricht man nämlich italienisch und der Espresso ist hervorragend.” – Nathalie Schneitter, zweifache E-MTB-Weltmeisterin
Anreise mit dem Auto: über Sankt-Gotthard- und San Bernardino-Tunnel. Achtung: Vorsicht vor Radarfallen! Und Vignette nicht vergessen!
Anreise mit der Bahn: Mit der DB oder ÖBB bis Zürich oder Basel, von dort mit SBB bzw. FFS weiter mit der Gotthard-Linie. Für den Bike-Transport ist eine Reservierung und die internationale Fahrradkarte nötig. Problemlos ist der Transport in speziellen Fahrradtaschen, aber auch dafür benötigt man die internationale Fahrradkarte.
Alban Aubert ist Mountainbike-Abenteurer und Freerider der ersten Stunde. Seit über 20 Jahren befährt der Westschweizer mit dem Mountainbike Gipfel und Trails auf allen Kontinenten. Auf der Suche nach perfekten Trails und dem ultimativen Mountainbike-Erlebnis hat Alban immer wieder Grenzen verschoben. Fünf Vulkane in fünf Tagen, 20 Alpen-Trails an einem Tag, diverse Erstbefahrungen – Alban macht immer wieder durch verrückte Aktionen auf sich aufmerksam. So ist er auch als Erster mit dem E-Mountainbike auf über 6000 Meter gestiegen, als er in Argentinien den Cerro Laguna Blanca befahren hat. In Ecuador hat er vom Vulkan Chimborazo einen Weltrekord für die längste Abfahrt mit 5078 Tiefenmeter aufgestellt. Rekorde sind jedoch nicht, was Alban antreibt. Vielmehr ist es seine Abenteuer- und Entdeckungslust und die Begeisterung fürs Mountainbike. Wenn ihn seine Expedition nicht gerade in die entferntesten Winkel der Erde führen, engagiert er sich für den Trailbau und -unterhalt an seinem Homespot, dem Chaumont in Neuenburg.
“Mich hält es selten nur an einem Ort. Ein sehr angenehmes Klima hat zum Beispiel Ainsa, ein Trail-Paradies in den spanischen Pyrenäen. Und wer ein Abenteuer sucht, dem empfehle ich Marokko: Oukaimden im Atlasgebirge, in der Nähe von Marrakesch. Idealerweise macht man das mit einem Veranstalter, z. B. Exoride.net. Und Finale Ligure ist im Winter natürlich immer eine gute Option. Die Anreise ist verhältnismäßig kurz, da kann man sich auch spontan, je nach Wettervorhersage, entscheiden. Und das Gute am E-MTB: Man kann sich vom Shuttle-Trubel fernhalten.” – Alban Aubert, Mountainbike-Abenteurer
Anreise mit dem Auto: In den meisten Fällen ist aus Deutschland eine Anreise über die Schweiz sinnvoll. Ergo Bregenz – Chur – San Bernadino – Bellinzona – Como – Milano – Savona – Finale. Ab der deutschen Grenze fallen hier durchgehend Mautgebühren an! Entfernung: 680 km, 7 Std. von München aus.
Anreise mit dem Zug: Die Anreise nach Finale Ligure ist problemlos, bis auf den Bike-Transport. Ein Leih-Bike vor Ort ist dann evtl. die bessere Idee.
Johannes Fischbach gehört zu den erfolgreichsten deutschen Gravity-Bikern. Der 35-Jährige wurde mehrfacher deutscher Meister im Downhill und konnte sich auch im UCI Downhill World Cup mehrfach unter den Top 20 platzieren. Seine größten Erfolge feierte Fischbach in der Disziplin Fourcross. Dort stand er insgesamt viermal auf dem Weltcup-Podium. 2019 schrieb “Fischi” Geschichte, als er einen Rekord im MTB-Weitsprung von der Skischanze in Klingenthal aufstellen wollte. Ein Versuch, der mit einem kapitalen Horrorcrash endete. Seit 2023 startet Fischi mit seinem neuen Sponsor GasGas im E-Enduro-Weltcup.
“Als Winterziel kann ich jedem Gran Canaria empfehlen. Es gibt wahrscheinlich kaum einen Platz auf der Erde, an dem man ein stabileres Gutwetter-Klima hat: fast nie Regen, und von Dezember bis Februar meist über 20 Grad. Die Insel ist groß und abwechslungsreich, mit super Trails und hohen Bergen. Im Norden feucht und grün, im Süden trocken – fast wie eine Mondlandschaft.” – Johannes Fischbach, Downhill- und Enduro-Racer
Anreise mit dem Flugzeug: Gran Canaria (LPA) wird von Deutschland aus mehrmals täglich direkt angeflogen. Die Flugpreise auf die Kanaren sind seit Corona deutlich gestiegen und variieren stark: In den Schulferien extrem hochpreisig, gibt es in den Zwischensaisons günstige Schnäppchenflüge. Das eigene Bike trotz hoher Transportkosten mitnehmen? Für E-Mountainbiker kommt das ohnehin nicht in Frage, da der Lithium-Ionen-Akku als Gefahrgut gilt und im Personenflugverkehr nicht transportiert werden darf. Aber auch Mountainbiker, Rennradfahrer und Trekkingbiker sollten sich die Frage stellen, ob sich die Mitnahme des eigene Bikes lohnt. Der Bike-Transport mit dem Flugzeug kostet je nach Airline zwischen 40 und 100 Euro pro Strecke. Zum Vergleich: Ein gut gewartetes Leih-Bike (MTB oder E-MTB) kostet etwa 35 Euro am Tag.
Im Grunde ist Tobias Woggon eines: immer unterwegs. Seit über zehn Jahren lebt der 35-Jährige seinen Traum und fährt Mountainbike, um sich seine Brötchen zu verdienen. Woggon kommt eigentlich aus der Nähe von Köln, lebt aber in Oberfranken. Auf dem Rad sitzt er schon, seit er denken kann: „Zuerst hab‘ ich die heimischen Wälder unsicher gemacht, dann fing ich an, Rennen zu fahren. Zuerst Downhill-Marathon wie die Megavalanche, später Enduro-Rennen.“ Woggon fuhr mehrere Saisons in der Enduro World Series mit. Sein größter Erfolg sei es aber, die Welt von dem Sattel seines Rades kennenzulernen: „Irgendwann hat mich das Reisen für Rennen nicht mehr so begeistert, weil man immer nur für kurze Zeit an einem Ort war und man Land und Leute nicht kennenlernen konnte. Deshalb reise ich nun ohne den Rennstress und mit einer Kamera im Gepäck zu den schönsten Trails der Welt und versuche die Länder von ihrer ganz lokalen Seite abseits der Touristenpfade kennen zu lernen“, sagt Woggon. Neben seinen Reisen verantwortet Woggon regelmäßige Podcasts und hält Multimedia-Vorträge.
“Um die Weihnachtszeit ziehtʼs mich seit Jahren in die Toscana. Massa Marittima ist immer ein gute Wahl, aber gerade mit dem E-MTB gibt es noch so viel mehr! Bei Piombino entwickelt sich ein echtes Trail-Paradies, und auch die kleine Halbinsel bei Orbetello ist mit dem E-Bike ein Muss. Inspirieren lasse ich mich gerne vom Toscana-Buch von Ines Thoma und Max Schuman.” – Tobias Woggon, Globetrotter
Anreise mit dem Auto: Als deutscher Bike-Tourist wird man wahrscheinlich mit dem Auto in die Toskana reisen. Von Süddeutschland aus stehen am Ende der Reise etwa 800 Kilometer auf dem Tacho. Von Norden kommend ist Piombino am schnellsten zu erreichen. Punta Ala liegt 45 Minuten weiter im Süden und die Halbinsel Monte Argentario wieder eine gute Stunde weiter südlich. Zur Insel Giglio gelangt man von dort per Fähre in einer knappen Stunde.
Noch mehr MTB-Touren in der Toskana gibt’s im Buch Toskana Trails- Mountainbiken & Dolce Vita im Herzen Italiens