Mountainbiking am GardaseeZeitenwende für Biketouren am Lago

Jan Timmermann

 · 16.03.2023

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Foto: Garda Trentino / Henri Lesewitz
An den Hängen des Lago tummeln sich ikonische Bike-Strecken, wie etwa über den Tremalzo-Pass. Ein neues Konzept soll Mountainbiken am Gardasee nun noch besser und sicherer machen.

Viele der Bike-Touren am Gardasee genießen absoluten Kultstatus. Doch die Zeiten, in denen junge Wilde mit Papierkarten über die Trails holperten, sind längst vorbei. Das Zielpublikum beim Mountainbiking verlangt nach einem professionellen Mountainbike-Wegenetz über die schönsten Pfade am Lago. In Zukunft sollen an den Hängen des Gardasees die Touren-Träume aller Biker in Erfüllung gehen. Wie das funktioniert? Wir haben die Verantwortlichen befragt.

Kaum eine Bike-Region ist für den italienischen Mountainbike-Tourismus so wichtig, wie die steilen Hänge des Gardasees. Gerade unter deutschen Bikern genießt die Mischung aus Alpen-Trails und italienischem Flair den Status einer Top-Urlaubsdestination. Kein Wunder, wurde doch gerade auf den Trails am Nordufer Mountainbike-Geschichte geschrieben. So fand beispielsweise der allererste BIKE-Test am legendären Tremalzo-Pass statt. Noch heute erinnert dort ein Gedenkstein an dieses historische Ereignis.

Ein wichtiger Bestandteil des neuen Touren-Konzeptes am Gardasee ist die Neuaufstellung der Mountainbike-Wegweiser mit nun mehr Informationen.Foto: Garda Trentino
Ein wichtiger Bestandteil des neuen Touren-Konzeptes am Gardasee ist die Neuaufstellung der Mountainbike-Wegweiser mit nun mehr Informationen.

Auf der anderen Seite besaßen die Gardasee-Trails lange Zeit einen eher abenteuerlichen Ruf. Viele der schmalen Pfade sind felsig und ausgesetzt – vermeintlich nichts für eine erholsame Urlaubsrunde. Vor allem aber wirkte die schiere Vielzahl an Trails bislang überfordernd. Wer sich am Lago eine Tour zusammenschustern wollte, musste sich im dichten Netz der schmalen Pfade gut auskennen oder zumindest viel Zeit in das Wälzen von Ratgebern investieren. Doch auch dann war man vor bösen Überraschungen nicht immer sicher. Die Tourismus-Region Garda Trentino hat das Problem erkannt und ihr Zielpublikum analysiert. Abenteurer finden weiterhin extreme Routen, doch die allermeisten Mountainbiker wollen im Urlaub vor allem sicheren und unbeschwerten Spaß auf tollen Trails haben.

Als Teil des bereits seit 2009 laufenden Projektes “Outdoor Park Garda Trentino” sollen ein neues Touren-Konzept und eine Neuaufstellung der Ausschilderung in Zukunft alle Gäste in den Genuss der legendären Trails kommen lassen. Rund um den Ledrosee läuft dieses Jahr eine Testphase. Ist diese erfolgreich, soll das neue MTB Touren-System auch auf die übrigen Regionen der Provinz Trient ausgeweitet werden. Damit ist das neue Konzept auch für andere beliebte MTB-Urlaubsregionen, wie Val di Sole, Val di Fassa oder Paganella, relevant. Wir haben die Verantwortlichen im Interview befragt, wie die Umsetzung eines solchen Großprojektes im Detail aussieht.

Die “Garda Rangers” kümmern sich seit 2022 an 365 Tagen um den Zustand der Mountainbike-Strecken des Pilotprojektes am Ledrosee.Foto: Garda Trentino
Die “Garda Rangers” kümmern sich seit 2022 an 365 Tagen um den Zustand der Mountainbike-Strecken des Pilotprojektes am Ledrosee.

Interview zum neuen MTB Strecken-Konzept am Gardasee

Stefania Oradini, Projektverantwortliche bei Garda Trentino, beantwortete BIKE alle spannenden Fragen rund um das neue MTB-Touren-Konzept am Lago di Garda.

BIKE: Die Touren am Gardasee sind legendär, warum wird das Mountainbike-Konzept nun neu gestaltet?

Stefania Oradini: Der Gardasee ist ein Mekka für Mountainbiker, vor allem für Urlauber aus Deutschland. Wir haben hier sehr gute Trails, hatten uns in der Vergangenheit aber nicht wirklich um deren Instandhaltung gekümmert. Stattdessen hatten wir nur immer neue Strecken ausgeschildert. Im Moment haben wir deshalb unheimlich viele Strecken mit unterschiedlicher, teils unklarer Beschilderung. Jetzt wollen wir verstärkt schauen, welche Strecken die wichtigsten für Biker sind, diese möglichst gut erhalten und verbessern. Letzteres betrifft vor allem die Informationslage, die Sicherheit und die Orientierung.

Stefania Oradini von Garda Trentino betreut das Pilotprojekt im Ledrotal und ist selbst regelmäßig mit dem (E-)MTB unterwegs.Foto: Garda Trentino
Stefania Oradini von Garda Trentino betreut das Pilotprojekt im Ledrotal und ist selbst regelmäßig mit dem (E-)MTB unterwegs.

Auf den Wegweisern fanden sich bislang nur große Zahlen. Wie wird das Beschilderungssystem zukünftig aussehen?

Die Zahlen sind von der Provinz vorgegeben und werden deshalb erhalten bleiben. Neu wird eine kohärente Bezeichnung der Strecken sein: “Tour” für die Strecken, welche technisch wenig anspruchsvoll sind und “Trail” für diejenigen, welche technisch mehr fordern. So können Biker sofort erkennen, ob eine Strecke die richtige für sie ist. Zudem haben wir kürzlich das International Trail Rating System (ITRS) der International Mountain Bicycling Association (IMBA) Europe eingeführt. Dafür wurden die verschiedenen Bewertungssysteme aus der Schweiz, Österreich, Deutschland und Frankreich zusammengefasst. Verwendet wird die Farbcodierung der Skipisten: Grün, Blau, Rot, Schwarz. Damit sind auch unterschiedliche Schwierigkeitsgrade auf der Beschilderung ersichtlich.

Jeweils vier Elemente werden bewertet: technischer Anspruch, körperlicher Anspruch, Ausgesetztheit und “Wilderness”. Letzteres beurteilt beispielsweise den Handyempfang und die Zugänglichkeit für Rettungskräfte. Wir haben für das Projekt eine österreichische Firma an Bord geholt, welche bereits Erfahrung mit MTB-Konzepten in Südtirol hat. Zusätzlich werden die Schilder Hinweise zu Zwischenzielen und Pausenmöglichkeiten enthalten. Bisher hatten wir ein Schild für jede Strecke und damit viele kleine Wegweiser an einem Pfosten. Nun setzen wir der Übersichtlichkeit zuliebe verstärkt auf Kombitafeln. Die Anzahl der Tourenvorschläge wurde verringert, sodass es jetzt Hauptrunden mit verschiedenen Variationen gibt. Diese Infos sollen Bikern helfen ihre Touren besser zu planen.

BIKE Chefredakteur Henri Lesewitz windet sich auch schon Mal im Winter den legendären Tremalzo-Pass hoch. Damit Biker die Befahrbarkeit der Gardasee-Strecken auf einen Blick erkennen können, wurde ein neues Ampelsystem eingeführt.Foto: Henri Lesewitz
BIKE Chefredakteur Henri Lesewitz windet sich auch schon Mal im Winter den legendären Tremalzo-Pass hoch. Damit Biker die Befahrbarkeit der Gardasee-Strecken auf einen Blick erkennen können, wurde ein neues Ampelsystem eingeführt.

Wird es eine Gesamtübersicht über die neuen Touren geben?

Alle Informationen zu den Strecken laufen auf der Website von Garda Trentino zusammen. Dort finden sich auch schon die neuen GPS-Dateien für die Touren im Ledrotal. Derzeit arbeiten wir an einem Ampelsystem namens “check your tour”, welches auf einen Blick Auskunft über die Befahrbarkeit von Trails geben soll. Grün bedeutet, dass die Strecke geöffnet ist, Rot heißt sie ist derzeit gesperrt und gelbe Trails sind zwar befahrbar, werden aber gerade Instandhaltungsarbeiten unterzogen. Der entsprechende Grund wird immer mit aufgeführt sein.

Das Projekt “Outdoor Park Garda Trentino” läuft seit 2009 und soll die Region sicherer sowie attraktiver für Outdoor-Sportler machen. Mountainbiker sind dabei eine wichtige Zielgruppe.Foto: Garda Trentino
Das Projekt “Outdoor Park Garda Trentino” läuft seit 2009 und soll die Region sicherer sowie attraktiver für Outdoor-Sportler machen. Mountainbiker sind dabei eine wichtige Zielgruppe.

Das hört sich nach einem echten Großprojekt an. Wann wird das neue Konzept umgesetzt?

Die aktuelle Beschilderung basiert auf einem bestehenden Gesetz der Provinzregierung. Für die Umsetzung muss deshalb erst eine Gesetzesänderung beschlossen werden. Wir haben zunächst ein Pilotprojekt im Ledrotal, rund um den Bereich Tremalzo, entwickelt. Im Gegensatz zu den Hängen unmittelbar am Gardasee, ist es dort etwas einfacher, weil das Tal etwas mehr isoliert liegt und sich dort keine Routen mit Touren unter anderer Zuständigkeit kreuzen. Die neue Beschilderung im Ledrotal wurde bereits vor dem Winter aufgestellt. Wie gut diese funktioniert, wollen wir mithilfe eines Online-Formulars auswerten, in dem Biker uns ihre Meinung mitteilen können. Ende 2023 sollen die Ergebnisse dann die Zuständigen bei der Provinz überzeugen und bei der weiteren Verbesserung des Systems helfen. Wenn die Provinz ihre Zustimmung gibt, soll das Konzept auf ganz Trient ausgeweitet werden. Das betrifft den nördlichen Bereich des Gardasees, und auch etwa Val di Sole, Val di Fassa und Paganella. Bis es soweit ist, wird es aber noch etwas dauern, denn die Tourismus-Regionen müssen einiges an Zeit und Geld investieren.

Bevor sich die Natur die Trails am Gardasee vollends zurückholen, mähen die Garda Rangers diese routinemäßig frei.Foto: Garda Trentino
Bevor sich die Natur die Trails am Gardasee vollends zurückholen, mähen die Garda Rangers diese routinemäßig frei.

So etwas lohnt sich ja vor allem, wenn sich der Bedarf verändert. Wie unterscheidet sich die Zielgruppe der Mountainbiker am Gardasee zu der von vor zehn Jahren?

Die Zielgruppe hat sich auf jeden Fall verändert. Früher hatten wir vor allem Bike-Puristen am Gardasee. Heute sind deutlich mehr Mountainbiker und E-Biker hier. Darunter viele Neueinsteiger, welche weniger Erfahrung mitbringen. Wir haben in den letzten Jahren aus diesem Grund auch mehr Unfälle beobachtet. Vor allem der Anspruch bergab ist ein Problem. Deshalb ist es wichtig, das Schwierigkeitssystem der Strecken klarer darzustellen, auf der Beschilderung mehr Informationen zu geben und die Strecken in einem guten Zustand zu halten.

Die neue Beschilderung gibt nicht nur Auskunft zum körperlichen und fahrtechnischen Anspruch der Tour, sondern auch zu deren Abgeschiedenheit und anderen Sicherheitsfaktoren.Foto: Garda Trentino
Die neue Beschilderung gibt nicht nur Auskunft zum körperlichen und fahrtechnischen Anspruch der Tour, sondern auch zu deren Abgeschiedenheit und anderen Sicherheitsfaktoren.

Was wird noch unternommen, um speziell die Trails am Gardasee, sicherer zu machen?

Wir haben unsere Anstrengung zur Instandhaltung der Mountainbike-Strecken intensiviert. Seit letztem Jahr haben wir ein dafür zuständiges Team namens “Garda Rangers” und seit März ein zusätzliches Team eingesetzt. Damit gibt es nun eine sechsköpfige Gruppe, welche sich 365 Tage im Jahr um die Instandhaltung der Bike-Strecken kümmert. Wir bemerken, dass sich darüber nicht nur Touristen, sondern auch die Locals freuen, denn auch fahrtechnisch anspruchsvolle Strecken machen nur Spaß, wenn sie gut in Schuss sind. Konkret geht es zum Beispiel um das Beseitigen loser Steine und das Freimähen von Trails. Verschwunden geglaubte Pfade tauchen so wieder auf. Letztes Jahr konnten wir uns bereits um einzelne “Problemfälle” kümmern. Nun sollen die Garda Rangers die Strecken routinemäßig kontrollieren.

Was sind deine persönlichen Strecken-Highlights?

Ich bin fahrtechnisch nicht ganz so stark, sitze aber regelmäßig auf dem Mountain- und Gravelbike. Ich fahre gerne hoch, trinke oben ein Weißbier und dann gemütlich wieder zurück. Zur Arbeit fahre ich regelmäßig mit dem E-Bike vom Ledrotal nach Riva. Um sieben Uhr ist da alles noch ganz leer, das ist wunderbar. Unter den neuen Strecken gehört auf jeden Fall die Tremalzo-Runde zu meinen Favoriten.

Wichtiges Hilfsmittel der Garda Rangers bei der Instandhaltung der Trails: das E-MTB.Foto: Garda Trentino
Wichtiges Hilfsmittel der Garda Rangers bei der Instandhaltung der Trails: das E-MTB.

Jetzt die neuen Mountainbike-Strecken am Gardasee testen

Unter diesem Link finden sich alle offiziellen Bike-Touren am Gardasee. Zum Pilotprojekt im Ledrotal gehören folgende Strecken:

  • Val Concei Tour
  • Lago di Ledro Tour
  • Ledro Dromae
  • Tremalzo Big Tour
  • Caset Rinalt Trail
  • Caset Pubregn Trail
  • Rifugio Pernici Trail Tour
  • Dos De Preghent
  • Tremalzo Garda XXL
  • XXL-Leano
  • Bocca Dei Fortini Tour

Wer das neue Strecken-Konzept bereits testen will, kann das zum Beispiel bei der Tremalzo Big Tour tun. Die Tagestour mit 43,5 Kilometern und 1720 Höhenmetern führt unter anderem zum ikonischen Tremalzo-Pass. Dessen Serpentinen bringen Biker zum Punta Larici, einem der besten Aussichtspunkte über dem Gardasee. Bergab gibt es die Wahl zwischen der alten Militärstraße und dem Caset Pubregn Trail, welchen die Garda Rangers in Schuss halten.

Die Kehren des Tremalzo-Passes sind Sehnsuchtsort vieler Biker. Am Tremalzo fand auch der aller erste BIKE-Test überhaupt statt.Foto: Henri Lesewitz
Die Kehren des Tremalzo-Passes sind Sehnsuchtsort vieler Biker. Am Tremalzo fand auch der aller erste BIKE-Test überhaupt statt.

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