MTB-Tour über BozenTrails mit Hüttenbett im Bauhaus-Würfel

Sissi Pärsch

 · 03.07.2025

Traum-Hütte hoch über Bozen: Das Albergo Briol bietet Bauhaus-Ambiente, 20er-Jahre-Flair und eine prickelnde Abfahrt.
Foto: Mia Knoll
Der Ritten ist der vielleicht schönste Aussichtsberg Südtirols - und das Albergo Briol der schönste Platz an seinen Hängen. Hier scheint es, als sei die Zeit stehen geblieben. Perfekt für eine Zweitagestour mit Hüttenübernachtung!

Fast schon nackig präsentiert er sich, speziell obenrum. Der Ritten, Bozens Hausberg, ist nicht sehr dicht bewaldet. Weite, offene Almwiesen breiten sich aus zwischen Oberbozen und der Barbianer Alm – und geben die Aussicht frei auf alles, was die Bergwelt ringsum zu bieten hat. Und das wären ein großer Teil der Dolomiten mit Schlern und Sellastock, Lang-, Platt- und Peitlerkofel, Geislerspitzen, Rosengarten und Latemar. Dazu im Süden die Brenta-Gipfel, im Osten der Großglockner und im Norden die Stubaier Alpen.

Zwischen die schroffen Dolomitenfelsen haben sich brave Schäfchenwolken gekuschelt, als wir den finalen Anstieg zum Rittner Horn Gipfel in Angriff nehmen. Das Gras ist hoch und strohig, weiß ausgebleicht von dem langen, heißen Sommer. Valentin hat den Ritten schon unzählige Male befahren, von vorne und von hinten. Vorne liegt seine Heimatstadt Bozen. Dort führt er mitten im Zentrum sein Gasthaus Fink. Hinten liegt das Albergo Briol, das Refugium seiner Mutter Johanna und der Ort, an dem er die Sommer seiner Kindheit verbracht hat. Wir befinden uns mehr oder weniger zwischendrin.

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Zum Start haben wir uns von Bozen erst einmal von der Seilbahn knapp 1000 Höhenmeter tragen lassen. Im Vier-Minuten-Takt gondeln hier die Kabinen hinauf, lassen die letzten Häuser der Stadt unter sich, die Weinberge am Fuße des Rittens und die Erdpyramiden – „die höchsten und formschönsten in ganz Europa“, wie man uns versichert – bis auf das Hochplateau von Oberbozen. Von hier zum Horn auf 2261 Metern bleiben uns noch 1200 Höhenmeter über einen breiten, weiten Bergrücken, über den sich heute mit der Sonne auch die Südtiroler Gelassenheit gelegt hat.

Auf der Tour von Oberbozen zum Rittner Horn ist man meist ganz allein unterwegs.Foto: Mia KnollAuf der Tour von Oberbozen zum Rittner Horn ist man meist ganz allein unterwegs.

Es ist überraschend wenig los. Die meisten Wanderer wählen die gemächlichste Art der Gipfeleroberung und kommen über Klobenstein mit der Bahn auf die Schwarzseespitze auf 2071 Meter. Keine 200 Höhenmeter haben sie dann noch auf das Horn, und die Steigung ist sanft. Da bleibt offensichtlich noch ausreichend Puste, um uns den ein oder anderen E-Kommentar zuzuwerfen. Uns reißt es ein wenig aus der bisher angenehm ruhigen Fahrt. Verwundert nehmen wir wahr, dass der Motor am Bike noch immer Reaktionen hervorruft. Einige erkundigen sich neugierig interessiert, andere klopfen vorlaute Fitness-Sprüche. Valentin schmunzelt und runzelt die Stirn, ganz Südtiroler Souveränität.

Auf dem flachen Gipfel versperrt kein Baum, kein Nachbarberg die Aussicht auf den Dolomitenbogen, auf die Sarntaler Alpen und den Alpenhauptkamm. Panorama in alle Richtungen. Doch auf der Terrasse des Rittner-Horn-Hauses bleibt unser Blick am beeindruckenden Knödel-Teller hängen, der am Nachbartisch serviert wird. Valentin mahnt allerdings zur Zurückhaltung. Die Abfahrt, meint er, werde ein wenig ruckelig und da könne ein voller Bauch im Weg sein. Und außerdem sollen wir den großen Hunger für Briol aufsparen, weil – wie kann es anders sein – das beste Essen gibt’s noch immer bei der Mama.

Okay, der Einstieg in den Steig Nr. 4 vom Rittner Horn ist nur für sehr Geübte, die restlichen 900 Tiefenmeter sind dann etwas geselliger. Auf jeden Fall aber extrem schön.Foto: Mia KnollOkay, der Einstieg in den Steig Nr. 4 vom Rittner Horn ist nur für sehr Geübte, die restlichen 900 Tiefenmeter sind dann etwas geselliger. Auf jeden Fall aber extrem schön.

Wir zweifeln weder seine Kenntnis in Sachen Bike noch Küche an, das sind schließlich seine beiden Kernkompetenzen. Der 30-Jährige ist Gastronom und Präsident der Tiroler Radler, einem Bozener Bike-Verein mit besonders starker Downhill-Fraktion. Und das auch dank eines gewissen Johannes von Klebelsberg, Valentins kleinem Bruder. Der ist Südtirols bester Downhiller und fuhr in der Saison 2019 zweimal unter die Top 15 im Weltcup. Dabei ist der 24-Jährige, auch bekannt unter dem Namen “Denim Destroyer”, gar nicht mehr Profi. Hauptberuflich führt Johannes inzwischen eine Fink’s Zweigstelle in München, wo es ausschließlich Südtiroler Knödel gibt. Und drüben, über dem Pustertal, auch die Starkenfeldhütte.

Als Buben haben die Brüder den Rücken vom Ritten mit Trails durchzogen. Drei Monate dauern in Südtirol die Sommerferien – und die haben Valentin und Johannes in Briol damit verbracht, in den Wäldern oberhalb von Barbian Strecken und Sprünge anzulegen. Mama Johanna war gut damit abgelenkt, ihre Gäste zu umsorgen. „Erwartet keine rustikale Alpenvereinshütte oder sowas“, meinte Valentin, als die Idee der Ritten-Runde mit Übernachtung erstmals aufkam. Schon okay, sagten wir. Die sind eh überlaufen und wir schlagen uns auch nicht um harte Lagerplätze. Uns geht es vielmehr darum, schöne Bike-Tage und eine besondere Nacht am Berg zu verbringen. „Speziell ist Briol definitiv“, versicherte Valentin. Wir werden es bald selbst erfahren – ab jetzt geht es nur noch bergab bis vor die Haustür des Albergos.

Ob Valentin, den Betrieb seiner Mutter mal übernehmen will? Nein! Briol ist traditionell in weiblicher Hand. Daher übernimmt Cousine Susanne künftig das Ruder. | Foto. Mia KnollOb Valentin, den Betrieb seiner Mutter mal übernehmen will? Nein! Briol ist traditionell in weiblicher Hand. Daher übernimmt Cousine Susanne künftig das Ruder. | Foto. Mia Knoll

Es ist ein brutaler Einstieg in den steilen Steig Nummer 4 direkt am Gipfelhaus. Valentin zirkelt zufällig um einen Herren, der im Aufstieg noch über unsere elektrische Unterstützung gewitzelt hat, und rockt dann über die Felsbrocken hinab wie nix. Der Mund des Wanderers steht offen. „Der obere Teil ist vielleicht nicht für jeden fahrbar“, hat Valentin vorab gewarnt. Es stellt sich heraus, dass er nicht einmal für jeden begehbar ist. Wir tragen unsere Bikes um die Brocken, bevor wir aufsatteln und versuchen, an Valentin dran zu bleiben, der ein gutes Stück voraus Haken durch die Latschen schlägt. Wir schießen über die weiten, strohweißen Flächen der Barbianer Alm, poltern über wilde Rüttelpassagen und tauchen schließlich ab in den Wald. Der 4er-Weg ist schmal und fordernd, vielseitig, aber sensationell schön – und endet nach 900 Tiefenmetern an einem einzigartigen Platz.

Briol weht uns mit weißen Fahnen entgegen. Eine lange Leine spannt sich über die steile Bergwiese und die Wäsche flattert sanft im Wind. Briol ist außergewöhnlich – man tut sich schwer, dieses 1928 errichtete Gebäude einzuordnen. Es führt keine Straße herauf, es gibt kein fließend Wasser auf den Zimmern und die Dielen knarzen und knorren. Eine Hütte ist es aber dennoch kaum. Es gibt warme Duschen, ein kuscheliges Kaminzimmer und abends ein Viergänge-Menü, das seinesgleichen sucht. „Und man schläft hier“, versichert unser Tischnachbar Toni, „ganz tief und ganz lang.“

Autorin Sissi Pärsch durfte nicht so lange schlafen, weil Tag zwei noch 34 Kilometer über die Schwarzseespitze und durchs Eisacktal nach Bozen zurück führen wird.Foto: Mia Knoll.Autorin Sissi Pärsch durfte nicht so lange schlafen, weil Tag zwei noch 34 Kilometer über die Schwarzseespitze und durchs Eisacktal nach Bozen zurück führen wird.

Ganz so lang wird es bei uns nicht. Zu schön ist es, die Bergstimmung am Morgen mitzunehmen. Dafür gibt es ein ausgiebiges Frühstücks-Feast. Wird Valentin denn Briol einmal übernehmen? Er schüttelt vehement seinen Wuschelkopf: „Nein, das hier ist der Frauenberg.“ Briol war bisher ausschließlich in weiblicher Hand und so soll es bleiben. Seine Schwestern und seine Cousine sind schon fleißig involviert.

Kein Wunder, dass sich Johanna keine Nachwuchssorgen machen braucht. Es fällt schwer, sich von Briol zu verabschieden. Über die Huberspitze treten wir bergan. Kein Mensch ist am Rücken vom Ritten unterwegs. Und wieder wartet nach einer ruhigen Auffahrt eine ewig lange, mal technisch fordernde, mal flowige Abfahrt auf schmalem Pfad. Über Fels und Wurzeln, Wiesen und Waldboden führt der 9er Trail über 12 Kilometer hinab bis nach Atzwang. Von dort rollen wir über den Eisack-Radweg zurück nach Bozen. In der Landeshauptstadt ist zwar Schluss mit Ruhe, aber Gastronom Valentin darf uns jetzt unter Beweis stellen, was er kulinarisch von Briol mitgenommen hat.

Die Tour zum Albergo Briol

  • Länge: 59,4 Kilometer (Tag 1: 25,4 km / Tag 2: 34 km)
  • Bergauf: 2036 (Tag 1: 1149 hm / Tag 2: 887 hm)
  • Bergab: 2956
  • Dauer: 2 Tage
  • Lift: Rittner Seilbahn, Bozen

Die GPS-Daten zur Tour: Abonnenten des BIKE-Magazin können die Daten kostenlos downloaden unter bike-magazin.de / “Mein Bereich”.

Was man wissen muss

Briol (1310 m)

Die Hänge oberhalb von Barbian und Dreikirchen hat Valentins Ururgroßmutter Johanna Settari strategisch erobert. Von ihrem wohlhabenden Gatten wünschte sie sich zur Geburt jeden Kindes ein Grundstück am Berg, um dort später einmal mit der ganzen Familie die Sommerfrische verbringen zu können. 15 Kinder später hatte sie den halben Berg eingenommen.

Das erste Quartier in Briol wurde 1898 errichtet, doch 1928 gestaltete Johannas Schwiegersohn, der Künstler und Maler Hubert Lanzinger, ein neues kubistisches Gebäude im Bauhausstil: Der in seiner Einfachheit zeitlose Würfel ist ein Gesamtkunstwerk, in dem jedes Detail exakt aufeinander abgestimmt ist. Bis heute sind Bau und Innenausstattung (inklusive Möbel, Geschirr und Waschschüsseln) nahezu unverändert. So steht Briol auch auf der Bucket-List von Architekten und Kulturhistorikern.

Das Albergo im Bauhausstil ist wegen seiner exakt aufeinander abgestimmten Details ein Vorbild für Architekten.Foto: Mia KnollDas Albergo im Bauhausstil ist wegen seiner exakt aufeinander abgestimmten Details ein Vorbild für Architekten.

Drei Regeln trug Johanna Settari ihren Nachkommen für die Liegenschaften an den Hängen von Dreikirchen auf:

  1. Den Besitz nur in der Familie weitergeben.
  2. Keine Zäune.
  3. Alles im Sinne des Berges erhalten. Ein Grundsatz, den ihre Urenkelin Johanna Fink, die die Pension bereits mit 21 Jahren übernahm, bis heute verfolgt.

Unter dem flachen Dach von Briol finden sich 13 spartanisch eingerichtete Zimmer. Die Gäste bleiben für mehrere Nächte – und genießen die Abwesenheit von Lärm und Luxus. Statt TV und WLAN gibt es Aussicht und Bibliothek. Historische Waschschüsseln gibt es auf den Zimmern, fließend Wasser auf den Stockwerk-Duschen, die mit Solarzellen oder Holzofen geheizt werden.

13 schlichte Zimmer mit 25 Betten finden sich im Haupthaus von Briol. Wer nur zur Einkehr vorbei kommt, den erwarten unter anderem Kräutertopfennocken, Knödeltris, wuchtiger Kaiserschmarrn und riesige Marillen- oder Zwetschgenstrudel.

  • Geöffnet von Mitte April bis Anfang November.
  • Preise: inkl. Halbpension ab 125 Euro pro Person und Nacht.
  • Kontakt: Johanna Fink-Settari, Briol, I-39040 Barbian/Dreikirchen. Tel. +39 0471 650125, briol.it

Anreise

Nach Bozen gelangt man unkompliziert mit der Bahn, aber auch mit Flixbus aus diversen deutschen und österreichischen Städten. Vom Zentrum zur Ritten-Bahn sind es nur wenige Kilometer.

Dreikirchen/Barbian, der nächste Punkt an der Albergo Briol, liegt über dem Eisacktal zwischen Brixen und Bozen. Die Brennerautobahn verlässt man an der Ausfahrt Klausen. Weiter auf der Staatsstraße bis Waidbruck und von hier nach Barbian. Gäste können Parken

Der Beschilderung Richtung Sportzone folgen; nach etwa 1,5 Kilometern gibt es auf der rechten Seite einen Parkplatz. Wenn der besetzt sein sollte, der Forststraße weiter zum Sportplatz Barbian folgen und es dort versuchen.

Seilbahn

Die Rittner Seilbahn Bozen fährt im 4- bis 12-Minuten-Takt von Bozen (Rittner Str. 12) nach Oberbozen. Werktags 6:30 – 21:48 Uhr und letzte Fahrt um 22:45 Uhr. Sonn- und Feiertage ab 7:10 Uhr. Fahrtzeit: 12 Minuten, Preis: 8 Euro + 7 Euro Tageskarte fürs Bike (gültig in allen Transportmitteln Südtirols). Info: ritten.com

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