Sissi Pärsch
· 08.04.2023
E-MTB-Hütten-Tour hoch über den Südtiroler Trail-Regionen Eisack- und Pustertal: Von Bruneck geht es bis zum 2194 Meter hohen Astjoch hinauf und am zweiten Tag entspannt über die idyllischen Rodenecker Almen und Spinges nach Brixen hinunter. Übernachtet wird in der Starkenfeldhütte. Eine Wellness-Oase für Mountainbiker umringt von spektakulären Dolomiten-Gipfeln. Der Wirt: Downhill-Legende “Denim Destroyer”.
Hoch über den Südtiroler Trail-Regionen Eisack- und Pustertal, thront die Starkenfeldhütte auf einem Sonnenplateau. Eine Wellness-Oase für Mountainbiker umringt von spektakulären Dolomiten-Gipfeln. Der Wirt: Johannes von Klebelsberg (27), bekannt als Downhill-Legende ”Denim Destroyer”. Die Tour: Von Bruneck bzw. St. Lorenzen bis zum 2194 Meter hohen Astjoch hinauf und am zweiten Tag entspannt über die idyllischen Rodenecker Almen und Spinges nach Brixen hinunter.
Von Bruneck nach St. Lorenzen ist es nur ein Katzensprung. Dort starten wir die Tour. Von hier gehtʼs nach Montal am Eingang des Gadertals, wo der Anstieg wartet. Der Auftakt ist noch ganz entspannt mit Blick Richtung Pfunderer Berge. Doch die Serpentinen werden enger, und man beginnt mit dem Höhenmetersammeln über den Kreuznerhof Richtung Astjoch. Der ist mit seinen 2194 Metern der höchste Gipfel auf dem Hochplateau der Rodenecker-Lüsner-Alm und bietet ein großes Rundumpanorama. Den anspruchsvollen Trail an der Vorderseite sollte man auslassen und stattdessen auf gleichem Weg vom Gipfel hinab und rechts oberhalb der Kreuzwiesenalmen das Astjoch umrunden, bis man auf dem Almweg landet, der dann schnell zur Starkenfeld führt.
Bis zum Wanderparkplatz von Zumis rollt man auf einem Forstweg über die Hochebene. Danach folgt ein abwechslungsreicher, teils anspruchsvoller Ritt auf Waldpfaden Richtung Zizner und weiter bis nach Gifen. Von Schabs geht es schließlich auf die andere Talseite, und es beginnt der Anstieg Richtung Spinges. Auf Waldpfaden, über einige Asphaltkehren und schließlich durch einen wunderschönen Kiefernwald gelangt man zum Aussichtspunkt am Spinger Kreuz. Zum Abschluss warten bis nach Brixen noch einige Trail-Kilometer, teils technisch anspruchsvoll, teils schnell auf sanftem Waldboden, vorbei am Kloster Neustift und über den Radweg ins Herz von Brixen.
Waldobergrenze erreicht. Der Vorhang geht auf, die Leinwand breitet sich aus und zeigt Naturkino in Blockbuster-Format. In den Hauptrollen selbstredend die Dolomiten. Unverschämt schön wie stets die Fanes-Sennes- und die Puez-Geisler-Gruppe, die hier ihren Schaukampf austragen mit den Sarntaler Alpen und den Rieserferner Bergen. Für den finalen Panorama-Showdown jedoch gilt es noch, das Astjoch zu bezwingen. Steil, richtig fies steil, ist der letzte, kurze Stich. Das Vorderrad steigt bedrohlich an, die Lunge pumpt trotz Boost. Dann das Kreuz hoch oben zwischen Puster- und Eisacktal – und das Herz weiß nicht so recht, ob es hüpfen oder stillstehen soll. Südtirol macht das gerne mit einem.
Es ist schon verwunderlich, dass das weitläufige Hochplateau der Rodenecker- und Lüsner Almen nicht sonderlich bekannt ist. Wer an Südtiroler Sonnenterrassen denkt, landet schnell bei der Seiser Alm. Das weite, wellige Gelände hier zwischen Bruneck und Brixen schwirrt hingegen unter dem Radar. Und da schwirrt es gut. Keine Massen, keine Bergbahnen, keine Pferdekutschen. Dafür 80 Almen auf 23 Quadratkilometern, ein dichtes Wegenetz und ein Ausblick, der in keine Richtung enden mag. Der massige Peitlerkofel und die Plose. Der Neuner und der Zehner. Der Heiligkreuzkofel und davor der Kronplatz, wo wir am Vormittag noch den legendären Herrensteig mit seinen unendlich vielen geshapten Kehren abgefahren sind. Vom Bikepark sind wir nach dem Mittagessen auf die andere Talseite gerollt. Mit dem E-MTB kein Problem – genauso wenig wie der Anstieg zur Rodenecker Hochebene hinauf zu unserem heutigen Ziel, der Starkenfeldhütte. Viele meditative Kurven durch den einsamen Wald waren das, bis die Tour später auf dem Astjoch mit seiner unermesslichen Aussicht gipfelte. Dann der Fokus auf das Naheliegende. Es ist von hier oben nicht mehr weit bis zur Starkenfeldhütte, und es zeichnet sich ein Hauch von Hunger ab.
Der direkte Weg vorne hinunter, so hatte der Starkenfeld-Hüttenwirt vorab gewarnt, sei ”schon eher anspruchsvoll”. Und sein Urteil zu hinterfragen, wäre durchaus vermessen, denn eine gewisse Bike-Kompetenz kann man unserem heutigen Gastgeber nicht absprechen. Johannes von Klebelsberg rangierte 2019 laut UCI auf Platz 52 der besten Downhiller der Welt. Also vielleicht doch lieber das Astjoch auf entspannteren Trails umzirkeln, um gleich wohlbehalten auf der Hütte einzurollen.
Diese zeigt sich bald in aussichtsreichster Lage, wachend über die weiten Weiden der Hochebene mit Blick bis in die Stubaier Alpen. Nach einem Brand im Jahr 2017 wurde die Starkenfeldhütte neu errichtet. Klar und schlicht mit riesigen Panoramafenstern und Schindelfassade. Auf dem Haus Photovoltaik. Vor dem Haus Liegestühle neben einem verwilderten Teich. Hinter dem Haus die Käserei sowie wohlgenährte, sehr wohlgenährte Hasen und vier Schweine, die sich grunzend an Knödelresten erfreuen – und so am Ende der Saison sicher ausreichend Speck angesetzt haben …
Sie wirkt groß, die Starkenfeldhütte, zumindest von außen. Dabei beherbergt sie lediglich elf Zimmer. Die Doppelzimmer, Suiten und 6er-Zimmer kommen ohne Schnörkel und Alpen-Chic aus, bieten dafür Badezimmer, Fensterfronten und Balkon. Oben gibt es noch eine Sauna und vor allem einen riesigen Yoga- oder Seminarraum unter dem Giebel mit Panoramablick in die Südtiroler Bergwelt. Mit den sonst oft typischen 150 Gäste fassenden Alpenhütten hat die Starkenfeld also nichts gemein. Als am späteren Nachmittag die Tagesgäste abwandern, kehrt Ruhe ein. Zeit für uns, den Apfelstrudel zu verdauen und noch einmal auf eine kleine Trail-Runde mit Johannes aufzubrechen – der muss nur noch schnell in seine Jeans schlüpfen …
Nutzen wir die Wartezeit für einen kurzen Exkurs zu dem Downhiller, den viele eher unter dem Namen Denim Destroyer kennen: Zum Biken kommt er im Alter von acht Jahren, zehn Jahre später ist er erstmals Italienischer Meister und steht bald darauf bei UCI-Weltcup-Rennen am Start. Über die Jahre fährt er für diverse Teams, während er nebenher als Gastronom arbeitet und mit seinem Bruder eine Zweigstelle ihres Bozener Restaurants in München aufbaut. Und so kommt es, dass Johannes 2019 eine Saison ohne Team, ohne Sponsor fährt, dafür aber mit eigenem Bike – und in Jeans.
Vor dem Rennen in Maribor fand ich zufällig in einem Shop diese superstretchigen Jeans und dachte mir, die würden schon auch gut als Rennhosen taugen. – Johannes von Klebelsberg, alias Denim Destroyer
Der „Privatfahrer“ macht in diesem Outfit durch starke Resultate auf sich aufmerksam, zum Beispiel mit einem 13. Platz auf der sehr selektiven Downhill-Strecke im Val di Sole. Ein UK-Journalist tauft den Südtiroler Burschen, der in Jeans fährt (mit dem Smartphone in der einen und dem Geldbeutel in der anderen Gesäßtasche) damals ”Denim Destroyer”. So wird Johannes aus Versehen zum Neben-Star der Szene. Die Marken umgarnen ihn anschließend, und das Jahr darauf entscheidet sich Johannes für das Team GT Factory Racing.
Im Frühjahr 2022 verkündet er mit 26 Jahren seinen Rücktritt vom Downhill-Sport und übernimmt ein paar Monate später die Starkenfeldhütte. Er habe einfach keine Lust mehr gehabt auf die Verletzungen, auf das Hin und Her zwischen Bike und Beruf, und dazu kamen Ziele abseits vom Sport. Auch wenn er seither kein Downhill-Rennen im Fernsehen anschauen kann, „weil’s doch noch zu sehr schmerzt und zu sehr juckt“, hat er sich mit dieser Hütte einen Lebenstraum erfüllt. Ein Lebenstraum auf 2000 Metern Höhe, sommers wie winters, mit viel Arbeit und wenig Zeit fürs Mountainbiken. Aber jetzt nimmt er sich die Zeit für eine Trail-Runde mit uns.
Auf dem Weg zum Astjoch meint Johannes, dass er wohl in der Zeit ohne Team besser gefahren sei, weil er da machen konnte, was er wollte. Später waren die Sponsoren und Mechaniker von seinen Ideen nicht immer begeistert. Auch nicht, als er sich einen Klotz aus 2,5 Kilogramm Eisen unters Tretlager schweißte, weil er glaubte, mit dem Gewicht mehr Stabilität und mehr Geschwindigkeit zu erreichen. “Und ich war damit wirklich zehn Sekunden schneller auf meiner Hausstrecke.”
Deshalb liebt er auch das Fahrgefühl auf seinem E-MTB, weil es genau diese Eigenschaften mitbringt. Und natürlich noch einige Vorzüge mehr. Im Grunde müsse er wieder mehr biken, meint er, runter und rüber zum Kronplatz und weiter an die Plose. Mit dem E-MTB ist das von hier oben gar kein Thema und eine feine Runde. Aber die Zeit … Die geht auch uns langsam aus. Im Abendlicht geht es nun wieder zurück zur Hütte – Johannes wählt natürlich die Direttissima-Variante, die direkte Linie.
Nach einem Drei-Gänge-Menü und einem Glaserl Wein und noch einem Glaserl Wein folgt die tiefe Bettruhe. Nach dem Schlaf folgt das morgendliche Yoga mit unverschämt schönem Ausblick und ein ausgedehntes Frühstück. Dann brechen wir auf für die Abfahrt gen Brixen. Erste Wanderer spazieren bereits den Höhenweg entlang. Johannes’ Milchlieferanten schaukeln gemächlich über die Almwiesen und lassen sich dabei auch von uns nicht aus der Ruhe bringen. Dann ist es Zeit, uns von dieser Sonnenterrasse mit Weitblick zu verabschieden und uns auf die Trails im Wald zu konzentrieren. Ab Zumis geht es teils sehr fordernd, teils flowig, teils auf Forststraßen hinunter nach Rodeneck und weiter nach Schabs. Immer wieder müssen wir unseren Händen und Bremsen zwischendurch eine Pause gönnen. Auch unsere Augen freuen sich darüber, so können sie sich an die neue Szenerie leichter gewöhnen.
Das wildere Pustertal und die Hochalmlandschaft liegen hinter uns, jetzt begrüßt uns das benachbarte Eisacktal mit fast schon mediterraner Milde. Ein weicher Wind streicht durch die Weinreben am Wegesrand. Die Sonne ist stark und das Grün satt. Theoretisch könnten wir jetzt direkt nach Brixen abfahren, aber rechts am Gegenhang des Tals leuchtet auf halber Höhe noch eine Aussichtskanzel. Mit markantem Kreuz davor. Und da unsere Akkus heute noch gar nichts zu tun hatten, ziehen wir noch diese Schleife nach Spinges hinauf. Knapp 500 Höhenmeter später stehen wir direkt neben dem Kreuz und blicken übers Tal und wieder tief in die Dolomiten. Aber auch in die Geschichte, denn dieses Denkmal soll daran erinnern, dass man sich hier oben einst unter der Beteiligung der Dorfmagd Katharina Lanz erfolgreich gegen Napoleons Streitkräfte gewehrt hat. Ein heldenhaftes Gefühl also, mit dem wir in die anschließende Trail-Abfahrt Richtung Mühlbach hineinrollen. Und es sollten nicht die letzten Spaßkilometer sein, die uns übers Kloster Neustift bis in die hübsche Altstadt von Brixen leiten.
Startpunkt der zweitägigen Hütten-Tour ist Bruneck, der Hauptort des Pustertals. Mit dem Auto erreicht man Bruneck am schnellsten über die Brenner-Autobahn, Ausfahrt Brixen/Pustertal. Mit dem Zug reist man mit der Bahn bis nach Franzensfeste und steigt dort auf die lokale Bahnlinie ins Pustertal um, die einen bis nach Bruneck bringt. Zurück geht es dann per Bahn oder Taxi von Brixen nach Bruneck (zum Auto) oder mit direkter Zugverbindung nach Hause.
Die Starkenfeldhütte liegt auf 1936 Metern Höhe auf der Rodeneck-Lüsner-Alm zwischen den ausgezeichneten Touren-Revieren Puster- und Eisacktal. Übernachten kann man auf der Starkenfeld in Suiten, Doppel- und Sechsbettzimmern und bekommt dazu Halbpension mit Drei-Gänge-Menü und üppigem Frühstück. Außerdem: kleine Sauna und Regendusche auf dem Zimmer. Was es definitiv zu Erholungszwecken nicht gibt: Wlan und Handy-Empfang.
Preise pro Person: im 6-Bett-Zimmer: 79 Euro, im Doppelzimmer: 118 Euro und in der Suite: 138 Euro. Öffnungszeiten Sommersaison: Mitte Mai bis Mitte November.
Sowohl im Puster- als auch im Eisacktal gibt es unzählige Touren-Optionen, denn sie sind die nördlichen Eingangstore in die Dolomiten-Welt. Diverse Touren inklusive Beschreibung und GPS-Daten finden Sie auf unserer Webseite unter www.bike-magazin.de, Suchbegriff: Dolomiten >>
Brixen: Die Guides von BrixBike in der Stadelgasse 4 haben ein fixes Wochenprogramm, dazu individuelle Camps, Technik- und Touren-Angebote.
Die lokale Bike-Schule heißt Plosebike. Außerdem warten in der Region zwei Bikeparks. Der Kronplatz in Bruneck ist trotz seiner 17 liebevoll gebauten Trail-Abfahrten noch immer ein Geheimtipp und nicht überlaufen. Auf der Vorderseite führt der legendäre, kurvenhaltige Herrensteig über fast 8 km und 1300 Tiefenmeter hinunter. Öffnungszeiten Kronplatz: Juni bis Ende Oktober.
Das Äquivalent auf der Plose, dem Hausberg von Brixen, wäre die schwarze Sky Line. Aber auch hier gibt es diverse Trails aller Farbkategorien, die einst von Gravity Logic, den Trail-Bauern aus Whistler, in den Hang gezogen wurden. Öffnungszeiten Bikepark Brixen: Mitte Mai bis Mitte Oktober.
Forbiker in Bruneck heißt der kompetente Cube-Store mit Service und Ersatzteilen. In Brixen warten diverse, gut sortierte Bikeshops mit ordentlichem Pannen-Service. Zum Beispiel Rush eMotion Bike, Profi Bike, Mister Bike oder Sportservice Stricker direkt an der Plose-Talstation in St. Andrä.