Roadtrip durch IrlandTrailpark-Paradies im Auftrag der Regierung

Markus Greber

 · 24.08.2023

Irland hat bereits fünf Trailcenter und weitere sollen laut Regierung folgen.
Foto: Markus Greber/Skyshot
Seit Jahren zählen die Britischen Inseln zu den MTB Trail-Paradiesen der Welt. Nur Irland hielt sich lange Zeit zurück. Doch die grüne Insel holt auf: Fünf Trailcenter gibt es bereits, und die Regierung hat weitere Kilometer in Auftrag gegeben.

Sattgrüne Natur, schroffe Steilküste, melancholische Menschen und vor allem: Ruhe. Das war jedenfalls meine Vorstellung von Irland bisher. Doch nun sitze ich hier mit Tobi in einem Pub in Temple Bar, dem Ausgehviertel von Dublin, und lasse vor Staunen fast mein Guinness schal werden: Livemusik dudelt und wummert durch die kopfsteingepflasterten Gassen, an jeder Ecke tanzende Menschen, vom Hippie bis zum Schlipsträger, bunte Lichter überall. Ben, unser Guide, grinst über unsere aufgerissenen Augen und prostet uns mit seinem Pint zu: „Das wird nicht die letzte Überraschung für Euch sein. Wartet erst mal unsere Trailcenter ab.“

Vom Ticknock-Mountain direkt ins Dubliner Nachtleben. Dabei werden wir trotz Bike-Montur vom Feiervolk nicht mal schief angeschaut.Foto: Markus Greber/SkyshotVom Ticknock-Mountain direkt ins Dubliner Nachtleben. Dabei werden wir trotz Bike-Montur vom Feiervolk nicht mal schief angeschaut.

Fünf kapitale Trailcenter gibt es bereits.

Tatsächlich war es Ben, der uns zu diesem Roadtrip durch sein Heimatland überredet hat. Wobei wir uns auch nicht lang bitten ließen, schließlich sind die Britischen Inseln bekannt für ihre Bike-Begeisterung und Trail-Baukunst. Allein Irland – etwas größer als Bayern – kann mittlerweile fünf kapitale Trailcenter mit kilometerlangen Spaßnetzen vorweisen. Doch leider ist das Land eben auch für seine vier Jahreszeiten bekannt, die sich hier jeden Tag über einem ausschütten sollen. Daher haben wir es bisher leider nie mit einem Besuch geschafft. Doch jetzt ist es so weit: Wenigstens drei dieser Topspots wollen wir endlich erleben.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

MTB-Trails am Hausberg von Dublin: Ticknock Mountain

Hochsommer strahlt am nächsten Morgen über dem Ticknock Mountain, dem Hausberg Dublins. Hier kennt Ben wirklich jeden Stein und jeden Baum, denn das Haus, in dem er aufgewachsen ist, liegt nur ein paar Hundert Meter Luftlinie entfernt. Den Einstieg zu den Trails markiert ein zum Biker-Café umfunktioniertes Tiny House. Daneben eine Plakatwand mit Trail-Karte. Biker sind hier willkommen, das ist mal klar. Allerdings war das nicht immer so. „Früher war der Berg eine einzige Forstwirtschaft“, erinnert sich Ben an seine Kindheit. „Da wurde einfach nur abgeholzt, sonst war nichts erlaubt.“ Doch gerade das Verbotene hatte natürlich seinen Reiz: „Für uns Jugendliche war das damals ein großer Abenteuerspielplatz. Der Trail da vorne war zum Beispiel früher unser Fluchtweg vor den Rangern.“ Heute bitten uns Schilder auf diesen ehemaligen Fluchtwegen zum Tanz. Wobei das Parkett des Barn Stormer doch eher grob ausfällt: Teils felsig, dann wieder erdig dreht sich der Pfad in engen Kurven durch eine Art Märchenwald aus uralten Fichten. Stufen, Serpentinen, Wurzelteppiche – und das ist erst der Uphill-Trail! Die Extraportion Schub aus unserem Minimal-Assist-Aggregat macht’s aber irgendwie möglich. Dass es auch geschmeidiger geht, sehen wir an Ben.

Einst gehasst, jetzt geliebt: die Dubliner Twin Towers. Das ehemalige Kraftwerk ist schon lange außer Betrieb und jetzt ein Wahrzeichen – gut sichtbar von den Ticknock-Trails.Foto: Markus Greber/SkyshotEinst gehasst, jetzt geliebt: die Dubliner Twin Towers. Das ehemalige Kraftwerk ist schon lange außer Betrieb und jetzt ein Wahrzeichen – gut sichtbar von den Ticknock-Trails.

Der Ire legt sein Bike in die Kurven, lupft es die Stufen hinauf und wählt dabei zielsicher immer den passenden Gang. Ausbremsen lässt er sich nur von Bikern, die wir unterwegs antreffen. Ben ist hier bekannt wie ein bunter Hund und hält für ein kurzes Schwätzchen gerne mal an. Am höchsten Punkt der Runde wechseln wir auf den After Burner, der sich in der ersten Sektion als waschechter Downhill-Track entpuppt. Ein paar Kids mit Vollvisierhelmen und großen Federwegen lassen Ben, aber auch uns, den Vortritt. Wir vertrauen auf die Linie unseres Guides und folgen ihm über kantige Felsplatten, Drops und durch Steilkurven. Am Ende scheint auch Tobi froh um ein paar Minuten Entspannung auf dem nächsten Schotterpisten-Uphill. Der führt uns wieder hinauf in baumfreies, aussichtsreiches Gelände. Rötliches Abendlicht streicht bereits über Dublin und macht den Namen der abschließenden Abfahrt zum Programm: Der Trail heißt Skyline.

Das Ballinastoe-Trailcenter

„Wie im Bilderbuch“, entfährt es Tobi, als wir ein paar Tage später vom höchsten Punkt des Ballinastoe-Trailcenters von oben auf den Lake Guinness blicken. Pechschwarz liegt der See da, umrahmt von sattgrünen Hügeln, und am Horizont bricht die Küste der Grafschaft Wicklow in den Atlantik ab. An unserer Seite der Mann, ohne den Irland in Sachen Mountainbiken ein weißer Fleck auf der Landkarte wäre: Niall Davis, Singlespeed-Weltmeister, ehemaliger Cross-Country- und Downhill-Worldcup-Racer und Trail-Bauer aus Passion. Vor ein paar Jahren holte Niall die EWS (World Enduro Series) nach Irland und entfachte damit staatliches Interesse am Bike-Sport. Daraufhin wurde Niall von der Forstbehörde beauftragt, eine Infrastruktur für Mountainbiker zu entwickeln, und das ließ er sich nicht zweimal sagen: die fünf Trailcenter Irlands – alles sein Werk.

Gelungene Mischung: Natürliche Trail-Segmente wechseln sich im Trailcenter Ballinastoe mit geshapten Features ab.Foto: Markus Greber/SkyshotGelungene Mischung: Natürliche Trail-Segmente wechseln sich im Trailcenter Ballinastoe mit geshapten Features ab.

„Der See da unten heißt eigentlich Lough Tay“, sagt Niall und zeigt auf das dunkle Gewässer unter uns. „Aber jeder sagt Guinness Lake. Zum einen wegen seiner Farbe, aber vor allem, weil das ganze Land drumherum der Familie Guinness gehört.“ Man habe sogar tonnenweise weißen Sand ans Seeufer gekarrt, um den Schaum zu simulieren. „Aber ob das stimmt, weiß keiner ganz genau“, lacht Niall, während er sein Bike Downhill-fertig macht.

Trailspaß für MTBs auf 400 Höhenmetern

Die Abfahrt ist ein Paradebeispiel dafür, wie viel Trail-Spaß man aus gerade mal 400 Höhenmetern rausholen kann. Gespickt mit Dutzenden Sprüngen und Steilkurven zieht der Pump & Grind schier endlos durch skurril gerodete Wälder, bevor er unter dem Namen Holts in einen dichten und mit mannshohem Farn ausgestopften Wald eintaucht. Wir probieren auch die Kombination aus Dark Loam und Holts, weil die mit ihren steil abbrechenden Wurzel-Drops und engen Felspassagen noch mehr Konzentration erfordert. Und weil uns diese Abfahrt auch noch nicht aus dem Sattel wirft, qualifizieren wir uns sogar für den tiefschwarz gekennzeichneten Trail Junkers. Nach dessen Doubles und anschließender Rumpelei durch den Wald winken wir dankend ab, als Niall noch einen Schwierigkeitsnachschlag anbietet. Am Abend sind wir fix und fertig, haben aber nicht annähernd alle Routen dieses Trailcenters geschafft – schade, aber wir sind für morgen schon im Coolaney Trailcenter verabredet und müssen das ein andermal nachholen.

8 Millionen Schafe leben in Irland

Auf fünf Millionen Iren kommen acht Millionen Schafe. Einen Großteil von letzteren bekommen wir am nächsten Morgen auf den gut 200 Kilometern Richtung Westküste zu Gesicht. Grasend stehen sie bis zum Straßenrand und sind Teil der Postkartenlandschaft. „Blackface Mountain Sheep“ heißt die Rasse mit dem markant schwarzen Gesicht. Aber die Tiere sind nicht die einzige Augenweide. Wir passieren aus Stein gebaute Dörfer, weite Moorlandschaften und Burgruinen. All das noch immer bei Hochsommer. Die viel beschworenen anderen drei Jahreszeiten am Tag haben sich noch immer nicht gezeigt. Das beschert uns auch im Coolaney Trailcenter eine Weitsicht, wie man sie hier wohl selten hat. Unter uns die Bucht von Ballysadare. Rechts der sagenumwobene Tafelberg und Wahrzeichen der Stadt Sligo Ben Bulben. Dahinter die Atlantikküste. Hier verläuft auch der Wild Atlantic Way, mit 2600 Kilometern eine der längsten Küstenstraßen der Welt.

Trails mit Weitblick – in Coolaney, dem neuesten Trailcenter Irlands, hat man die Atlantikküste direkt vor der Nase.Foto: Markus Greber/SkyshotTrails mit Weitblick – in Coolaney, dem neuesten Trailcenter Irlands, hat man die Atlantikküste direkt vor der Nase.

Spektakuläre Trails über Coolaney

Deutlich kürzer, aber nicht weniger spektakulär, zeigen sich die neu angelegten Mountainbike-Trails hoch über Coolaney. Immer mit spektakulärem Blick auf die Küste haben die lokalen Trail-Bauer Cian, Brian und Kyle dem Torfboden kilometerlange Trail-Achterbahnen – im wahrsten Sinne – abgerungen. Pro Kilometer schaufeln die Jungs hier etwa einen Monat lang. Doch knapp 39 Trail-Kilometer hat das Trail-Trio bisher schon geschafft. Und bis Anfang der nächsten Saison sollen es noch mal doppelt so viele sein.

Irlands Markenzeichen: Pubs und Whiskey

Pubs gibt es in Irland wie Sand am Meer, das haben wir inzwischen gelernt. Doch keiner davon könne es mit der Thomas-Conolly-Bar aufnehmen, sagt Ben. Also machen wir südwestlich der nordirischen Grenze noch einen kleinen Abstecher in die Stadt Sligo. Hier wartet die gerade zur besten Whiskey-Bar Irlands gekürte Kneipe, in der sich bis unter die Decke Hunderte erlesene Whiskey-Sorten in altehrwürdigen Holzregalen stapeln. Ben kennt nicht nur den Barmann, sondern kann zu fast jeder Flasche eine irische Besonderheit erzählen. So kommt heraus, dass er vor seiner Sportkarriere als Bar-Manager im Dubliner Nachtleben gearbeitet hat. Nicht nur das Land, auch die Leute hier sind gut für so manche Überraschung.

Ohne Whiskey (in Irland mit e geschrieben!) Tasting fährt man nach der Trail-Runde eigentlich noch nicht heim. Hier: die Jameson Distillery in der irischen Hauptstadt Dublin.Foto: Markus Greber/SkyshotOhne Whiskey (in Irland mit e geschrieben!) Tasting fährt man nach der Trail-Runde eigentlich noch nicht heim. Hier: die Jameson Distillery in der irischen Hauptstadt Dublin.

Infos zu MTB Trails in Irland

Anreise nach Dublin

Lufthansa, Aer Lingus und Ryanair bieten täglich mehrere Flüge an. Direktflüge nach Dublin gibt es von Frankfurt am Main, Berlin, München, Düsseldorf und Hamburg. Alternativ fahren regelmäßig Auto- und Passagierfähren von Frankreich, England und Wales nach Irland. Wichtiger Hinweis: E-Bikes dürfen im Flugzeug nur ohne Akku transportiert werden!

Trailcenter

In Irland sind sind Trailcenter ausschließlich für Biker angelegt. Die Trails werden permanent in Stand gehalten. Trotzdem ist die Benutzung kostenlos. Alle Trail-Runden sind komplett ausgeschildert. Große Karten am Trailhead geben einen guten Überblick. Man fährt up- und downhill auf Singletrails, für manche Uphills können auch Forstwege genutzt werden. Alle Trails sind nach Schwierigkeit klassifiziert und finden sich auch auf der Webseite von Trailforks.

Die fünf Trailcenter Irlands im ÜberblickFoto: Adobe StockDie fünf Trailcenter Irlands im Überblick

Ticknock

Insgesamt 22 reine Singletrail-Kilometer mit tollem Blick auf Dublin. Das Trailcenter bietet Verleih, Guiding und Techniktrainings an. Es gibt außerdem ein Trail-Café, Service-Station, Reparatur-Service und Bikewash-Station.

Coolaney

Das neueste Trailcenter Irlands bietet 39 km aufwändig angelegte Singletrail-Touren aller Schwierigkeitsstufen. Spaßige Sprünge und sonstige Features. Einen Parkplatz für Biker gibt es, aber keine Infrastruktur direkt am Trailhead.

Ballinastoe

Das große Trail-Netzwerk umfasst 28 Kilometer reine Singletrails. Es gibt auch eine Jumpline und mehrere Enduro-Strecken. Das Trailcenter bietet Verleih, Guiding und Techniktrainings an. Außerdem: Trail-Café, Service-Station, Reparatur-Service und Bikewash-Station.

Ballyhoura

Das erste Trail-Zentrum Irlands verfügt über 50 Trail-Kilometer. Die Touren sind beschildert, es gibt eine Bikewash-Station.

Slieve Blooms

Insgesamt 49 km Mountainbike-Trails mit Ausgangspunkten in Kinnitty und Baunreagh. Das Slieve Bloom Mountain Bike Centre bietet Guiding und Techniktraining.

Unterkünfte

Die Iren sind bekannt für ihre Gastfreundschaft. Wer das erleben möchte, wählt am besten ein Bed & Breakfast. Ticknock und Ballinastoe lassen sich gut von einer Unterkunft in Dublin aus besuchen. Stadt- und Meerblick vereint zum Beispiel das Royal Marine. Im Trailcenter Coolaney empfiehlt sich eine Unterkunft in Sligo. Zentral gelegen ist das The Glasshouse.

Meistgelesen in der Rubrik Touren