Die Vorfreude auf die nächsten Tage ist riesig, als ich in Toblach, inmitten der Dolomiten, bei schönstem Frühlingswetter auf mein Rad steige. Ab hier werde ich immer Richtung Süden radeln. Es ist die bevorzugte Richtung auf dem Drauradweg, weil es scheinbar meistens leicht bergab geht. Das stimmt nicht immer, denn vor allem auf der zweiten Hälfte gibt es einige knackige Anstiege. Aber eines ist sicher: Mit jeder Pedalumdrehung fahre ich weiter hinein in südliches Flair.
Der Radweg folgt vorerst meist der hier noch „jungen“ Drau. Seit ihrem Ursprung im Toblacher Feld, konnte das Flüsslein noch nicht viel Wasser fassen. Von Kilometer zu Kilometer wird die Drau breiter. Es sind die vielen kleinen Bächlein und Wasserfälle heraus aus den Dolomiten, die zu einem stetigen Ansteigen der Wassermassen führen. Das Pustertal mit seinen größeren Orten Toblach, Innichen und Sillian, aber auch mehreren winzigen „Bilderbuchdörfern“, ist schmal und wirkt eng. Für viele Touristen, die reine Stadtbewohner sind, ist diese Enge trotz der landschaftlichen Einzigartigkeit oft nur schwer auszuhalten. Ich aber genieße die steilen Hänge der Dolomiten auf der rechten und die saftigen Hügel und Wiesen auf der linken Seite. Viele Gebäude in den kleinen Dörfern, aber auch mehrere Kirchen und Burgen weisen auf einen alten, gotischen Kulturraum hin. Es gibt Auwälder, Abschnitte mit Birkenalleen und blühende Wiesen in Hauptfarbe gelb.
Ich verweile immer wieder kurz an Rastplätzen, die direkt an der Drau liegen. Sie sind liebevoll angelegt, haben meist Holz- oder Steintische und sind passend in die sensiblen Uferregionen mit ihren Schotterbänken integriert. Auf nett gestalteten Informationstafeln lese ich viel Interessantes über den Hochwasser- und den Naturschutz, der hier im Pustertal überall hautnah zu spüren ist.
Lienz, die Hauptstadt Osttirols, das „Tor zum Süden“, lasse ich mir nicht entgehen. Am Hauptplatz mit seiner im 17. JH erbauten Liebburg, herrscht quirliges, fröhliches Treiben, Einheimische und Gäste genießen augenscheinlich das Aufblühen des Frühlings. Auf dem kurzen aber äußerst steilen Stück hinauf zum Schloss Bruck, müssen meine Oberschenkel harte Arbeit leisten. Oben angelangt genieße ich den wunderschönen Garten mit dem kleinen See. Das imposante Schloss wurde im 13 JH erbaut, im Inneren befindet sich ein Museum, unter anderem mit Bildern vom berühmten Maler Albin-Egger-Lienz.
Im Lienzer Talboden wirken die Felder, Wiesen und Hügel besonders sauber und fruchtbar. Kein Wunder, denn die einheimischen Bauern sind stolz auf ihre Landwirtschaft mit den regionalen, Bioprodukten und pflegen die Natur mit Hingabe. Bei einem Besuch der einzigen Römerstadt Tirols, staune ich über die sauber freigelegten geschichtsträchtigen Mauern der altrömischen Siedlung Aguntum. Als ich weiter Richtung Kärnten radle, riecht es wunderbar nach Wiesenblumen und ein leichter Rückenwind schiebt mich südwärts.
Einmal blicke ich noch kurz zurück auf die gewaltigen Lienzer Dolomiten, bevor ich kurz vor Obertrauburg von Osttirol hinein nach Kärnten wechsle. Durch Österreichs südlichstes Bundesland verläuft der längste Abschnitt des Drauradweges. Es ist Wochenende mit Prachtwetter und daher begegne ich schon am Vormittag vielen fröhlich wirkenden Familien. Der wunderschön angelegte Radweg und die besonders schönen Uferplätze an der Drau sind nicht nur ein Paradies für Kinder.
Über Oberdrauburg und Sachsenburg mit seinen historischen Stadtzentren geht es durch Feuchtgebiete und Auenlandschaften nach Spittal an der Drau. Die Stadt ist für ihr lebendiges Kulturleben bekannt, etwa dem Komödienspielen im Schloss Porcia. Auf der weiteren Strecke bis nach Villach reihen sich schroffe Bergketten, alpine Badeseen, Wiesen- und Waldabschnitte hintereinander wie Perlen an einer Kette. Im Zentrum von Villach, direkt vor der Pfarrkirche St. Jacob komme ich mit einem Einheimischen ins Gespräch. Er erzählt mir, dass sich die Stadt in den letzten Jahren sehr um eine funktionierende Radinfrastruktur bemüht hat. Auf meiner Tour durch Villach fahre ich dann tatsächlich fast ausschließlich auf Radwegen oder Radfahrstreifen.
Je weiter ich Richtung Staatsgrenze komme, desto breiter wird nun die Drau. Es gibt viele Rückbaugebiete, aber auch Stauseen. Etwa den Feistritzer-, Ferlacher- oder Völkermarkter Stausee. Der Radweg verläuft entweder auf den Böschungen des aufgestauten Wassers oder ist tiefer gelegt, entfernt sich aber auch immer wieder von der Drau, hinein in schattige Waldabschnitte. Es gibt Vogelbeobachtungshütten, Gebiete mit seltenen Pflanzen, die sich hier besonders wohl fühlen und viele kleine Seitenarme. Es ist jetzt hügelig und es gibt einige knackige Steigungen. Im Jauntal wird es wieder deutlich enger. Plötzlich stehe ich vor einer monumentalen Brücke: Die Jauntalbrücke ist mit fast 100 m Höhe europas höchste Eisenbahnbrücke mit einer eigenen Ebene für Fußgänger und Radfahrer. Gleich anschließend ein weiteres Highlight: Die Hängebrücke Santa Lucia, 140 m lang und 60 m über dem Feistritzbachgraben. Eine der bekanntesten Radfahrerbrücke auf dem Drautalradweg.
Wenige Kilometer südlich der beiden Brücken, überquere ich ohne jegliche Kontrolle die Grenze Österreich – Slowenien. Vor dem EU-Beitritt undenkbar. Statt der Grenzbeamten begrüßt mich jetzt eine große Willkommens-Tafel, auf der viele Informationen über den weiteren Verlauf des Drauradweg stehen.
Das Slowenische Drautal ist wegen der umliegenden Mittelgebirge eher eng, mit vielen Waldflächen und kleinen, ruhigen Dörfern, die direkt an der Drau liegen. Ich hätte die Möglichkeit, bis Maribor auf ein Floß umzusteigen, so wie es früher Jahrzentelang die ansässigen Flößer gemacht haben. Ich entscheide mich aber für jenen Teil des Drauradweges, der jetzt ab Brezno über Podvelka und Fala für die nächsten 20 km ins Hinterland führt und dabei auch etwa 6 km bergauf geht. Herausfordernd für Beine und Lunge, doch hier gibt es so einiges Verstecktes zu entdecken. Etwa authentische Bauernhöfe, viele kleine Kapellen, alpine Wiesen, die den Almen in meiner Heimat Tirol ähneln. Die Wälder hier gehören zu den schönsten in Slowenien.
Seit meinem Start am Morgen war es eher etwas regnerisch, aber kurz vor Maribor, der zweitgrößten slowenischen Stadt, reißt es auf und die Sonne scheint. So als würde sie mir den Weg hinein in die Altstadt mit dem 1515 im Renaissancestil erbauten Rathaus weisen. Auch die Burg von Maribor, mit ihrer Ritterhalle und den alten Fresken, wird von der Sonne angestrahlt. Was ich nicht gewusst habe: Hier in der slowenischen Stadt gibt es die älteste Weinrebe der Welt. Sie befindet sich vor dem „Haus der alten Rebe“.
Das Radfahren bei Sonnenschein ist herrlich. Ich „fliege“ weiter Richtung Süden, denn ab Maribor ist der Radweg nur mehr flach und wieder habe ich Windglück: Er bläst mir in den Rücken. Die Landschaft ist idyllisch und ruhig. Das Schloss Ptuj, eines der edelsten Schlösser Sloweniens, wirkt für mich wie aus einem Märchen. Die ruhige Gegend wird auch von unzähligen Wasservögeln als Nistplatz genützt und rund um die kleine Stadt Ormož liegen mehrere Lagunen. Sie sind Sloweniens wichtigste Stationen für Zugvögel.
Die letzten 70 km meiner Reise radle ich nun in Kroatien. Die Drau fließt im „Zick-Zack“ und wechselt ständig zwischen Slowenien und Kroatien hin und her. Die Ufer, Schotterbänke, Lagunen und die angrenzende Wald- und Wiesenflächen sind idyllische Naturschönheiten.
Auf der Makadamstraße entlang der Drau radle ich hinein nach Varaždin, eine der ältesten Städte Kroatiens. Alt und ehrfürchtig wirken auch die Klöster, Kirchen und Paläste. Sie deuten auf ein reges kulturelles Leben hin. Die Gastgärten der Stadt sind gut gefüllt. Auf den Straßen locken große Tafeln mit Speisekarten zur Einkehr. Die kroatische Küche ist köstlich, aber auch ein wenig deftig. Typisch: Ćevapčići mit Ajvar, Bohneneintöpfe, Fisch mit Paprika, ein spezieller Oktopussalat oder Pljeskavica, ein kroatischer Burger.
Vor ein paar Tagen bin ich bei traumhaftem Frühlingswetter am Fuße der Dolomiten auf mein Rad gestiegen, um mehr als 500 km bis hier her zu fahren. Jetzt stehe ich mit meinem Rad auf dem Kopfsteinpflaster mitten in der Altstadt von Varaždin. Wieder bei warmen, feinen Temperaturen. Ich atme tief ein und fühle Zufriedenheit in mir. Das Fahrrad werde ich nun in meiner Unterkunft, einem kleinen Hostel, abstellen und mich dann in der historischen Stadt umsehen. Es gibt viel zu sehen in Varaždin, der Stadt, die mit der „Grünen Blume“ für die sauberste und gepflegteste Stadt im kontinentalen Kroatien ausgezeichnet wurde. Und ich freue mich auf ein deftiges Ćevapčići mit Ajvar.
Die GPX-Daten zu den 7 Etappen gibt es zum Download auf dem DK-Tourenportal
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Auto: Pustertal, Bundesstraße SS49 (aus Richtung Westen/Sterzing 79 km, aus Richtung Osten/Lienz 47 km). Verkehrsinfo: www.verkehr.provinz.bz.it; Ladestationen E-Autos: www.greenmobility.bz.it/green-mobility/ladesaeulen/
Bahn: Haltestelle für Regionalbahn und Schnellzüge, Fahrpläne/Reservierungen: www.trenitalia.com; www.oebb.at; www.bahn.de
Spezielle Infos zur Pustertal-Bahn und Radtransport: www.pustertal.org/de/freizeit-aktiv/rad-mountainbike/bike-bahn/
Tipp: Auf internationalen/überregionalen Zügen unbedingt Fahrradmitnahme im Voraus reservieren!
Spezielle Shuttledienste mit Radtransport, von verschiedenen Zielpunkten zurück zum Startpunkt (Zwischenstationen möglich). Infos: www.drauradweg.com/de/infos-tipps/transport/
Unterschiedlichste Möglichkeiten, entlang gesamte Route, alle Preisklassen, von Hotel bis Camping.
Besonderheit „Drauradweg Wirte“: Zertifizierte Unterkünfte, auf Radfahrer spezialisiert, Nähe Radweg, sehr gutes Preis-Leistung Verhältnis, Radkeller, Rad-Infrastruktur, erkennbar durch Gütezeichen, Infos: www.drauradwegwirte.at/de/
Autorenempfehlungen (passend zu den Etappen, verschiedene Preisklassen):
Lienz: Dolomitenhof, www.dolomitenhof-tristach.at
Spittal: Stadt-Hotel Ertl, www.hotel-ertl.at
Villach: Voco, www.villach.vocohotels.com
Ferlach: Gasthof Plasch, www.gasthof-plasch.at
Lavamünd: Gasthof Hüttenwirt, www.gasthof-huettenwirt.at
Maribor: Camping/“Glamping“ Chocolate Village, www.chocolatevillage.eu
Varaždin: Hostel Stara Vaga, www.visitvarazdin.hr/stara-vaga
Gasthäuser (viele mit Gastgärten), Cafés und Rastplätze mit kleinem (oft privaten) Ausschank. Regionale Speisen in allen Regionen.
Tipp: Da der Drauradweg immer wieder außerhalb der Orte verläuft sollten größere Einkäufe an den Etappenstarts oder -zielen getätigt werden.
Infos: www.drauradwegwirte.at/de/gastronomie
Start Toblach/Südtirol – Ziel Varaždin/Kroatien, ges. 510 km, Zeiten reine Fahrzeit
1 Toblach – Lienz (49 km, auf 130 m / ab 650 m, 100% Asphalt, ca. 3,5 St)
2 Lienz – Greifenburg – Spittal (78 km, auf 490 m / ab 625 m, 80% Asphalt, 20% befestigt, ca. 4,5 St)
3 Spittal – Villach (40 km, auf 120 m / ab 202 m, 70% Asphalt, 30% befestigt, ca. 2,45 St)
4 Villach – Ferlach (51 km, auf 320 m / ab 390 m, 65% Asphalt, 35% befestigt, ca. 3,5 St)
5 Ferlach - Lavamünd (67 km, auf 575 m / ab 635 m, 70% Asphalt, 30% befestigt, ca. 4,45 St)
6 Lavamünd – Maribor (80 km, auf 1.050 m / ab 1.100 m, 70% Asphalt, 30% befestigt, ca. 6 St)
7 Maribor – Varazdin (87 km, auf 50 m / ab 150 m, 80% Asphalt, 20 % befestigt, ca. 6 St)
Beste Gesamtübersicht unter: www.drauradweg.com; www.dravabike.si
Drauradweg: www.drauradweg.com; www.dravabike.si/de
Regionen: www.suedtirol.info/de; www.osttirol.com; www.radland.kaernten.at; www.dravabike.si
Radkarten: www.esterbauer.com/bikeline/drau-radweg
Tipp: Drauradweg-App im App-Store