In Sachen Fahrwerk war das Giant Anthem schon länger eines der Top-Mountainbikes der Marathon-Liga. Das Problem: Vieles andere wirkte am 2018 letzmals überarbeiteten Anthem etwas unharmonisch und in die Jahre gekommen. Lenk- und Sitzwinkel „oldschool“, der Reach lang, die Front tief, der Lenker breit. So saß man sehr gestreckt auf der Rennfeile und trat bei hohem Sattelauszug schnell von hinten in die Pedale.
Das neue Giant Anthem für 2022 ist ein völlig anderes Bike. Ausgewogen, harmonisch, modern. Die Geometrie ist angenehm sportlich, der Rahmen jetzt richtig leicht. Auch dank der neuen Hinterbau-Konstruktion, die mit flexenden Sitzstreben gegenüber dem Vorgänger Gewicht einspart. Diesen Hinterbau kombiniert man in Taiwan jetzt mit einer dickeren Gabel, die in Kombination mit einer langen Vario-Sattelstütze auch wilde Trail-Ritte möglich macht.
Mit einem Lenkwinkel von 69 Grad und einem Sitzwinkel von 73,5 Grad war die Geometrie des bisherigen Anthem schon länger nicht mehr zeitgemäß. Damit ist jetzt Schluss. Mit dem neuen Anthem verabschiedet sich Giant von Geometrien klassischer Racefullys und setzt eigene Akzente. Der Lenkwinkel des neuen Marathon-Bikes ist mit 67,5 Grad deutlich flacher als bisher, der Sitzwinkel ist mit 75,5 Grad spürbar steiler.
Damit man trotzdem nicht zu kurz sitzt, wurde der Reach um 15 Millimeter verlängert. Die Front steht jetzt auch dank der längeren Gabel einen Zentimeter höher als beim tiefen, sportlichen Vorgänger. Verkürzte Kettenstreben (431 statt 437 Millimeter) sollen den wendigen Charakter des Racefullys bewahren.
Zugunsten des Gewichts verzichtet Giant beim neuen Anthem auch auf den bekannten Maestro-Hinterbau. Das aufwändige Design mit zwei Wippen und schwimmendem Dämpfer hatte sich in der Vergangenheit bewährt, ging jedoch wegen der Vielzahl an Gelenken zulasten von Gewicht und Haltbarkeit. Der neue Hinterbau kommt im klassischen Racebike-Design mit stehendem Dämpfer und flexenden Streben und soll die Qualitäten des bisherigen Fahrwerks mit einem geringeren Gewicht verbinden.
Höhere Front, steilerer Sitzwinkel, kurze Kettenstreben: Wird das Giant Anthem dadurch zum Down-Country-Bike? Wir konnten uns auf matschigen, rutschigen Trails bereits einen ersten Eindruck vom neuen Racebike aus Taiwan verschaffen. Was dabei sofort auffällt: der hohe Wohlfühlfaktor. Auf dem neuen Anthem sitzt man deutlich moderner und Vorderrad-orientierter als auf dem Vorgänger. Die etwas höhere Front ist angenehmer für den Fahrer, ohne dass in steileren Passagen das Vorderrad zu schnell leicht wird.
So lässt sich das Anthem bergauf wie bergab intuitiv auch über rutschige Trails steuern und bleibt insgesamt recht handlich. Im Antritt ist das Anthem angenehm sportlich und direkt, auch dank der leichten Laufräder, die im Sprint das Gesamtgewicht des Bikes effektiv kaschieren.
Das Fahrwerk scheint trotz des neuen Designs an die Qualitäten des alten Bikes anzuknüpfen. Ruhig im Sitzen, auch im Wiegetritt und doch sensibel gegenüber kleinen Schlägen. Lediglich die neue Version des Fox Live-Valve-Systems hinterlässt einige Fragezeichen. Zwar reagiert es schnell und lässt sich intuitiv auf die eigenen Vorlieben abstimmen, dämpft aber auch im offenen Modus spürbar straff. Ob das Mehrgewicht und der hohe Preis den leichten Effizienzgewinn am Racefully wirklich rechtfertigen, oder ob man eine klassischen Fernbedienung am Lenker bevorzugt, muss jeder selbst entscheiden.
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